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Zwei Mädchen zum Sex gedrängt


Autor: Heike Schülein

Kronach, Freitag, 11. Januar 2013

Ein 19-Jähriger aus dem Kreis Kronach stand wegen sexueller Nötigung und Beleidigung vor Gericht. Er wurde schuldig gesprochen, erhielt jedoch eine Bewährungs-Chance.


Wegen sexueller Nötigung und Beleidigung musste sich am Freitag ein 19-Jähriger aus dem nördlichen Landkreis vor dem Jugendschöffengericht verantworten. Der Azubi hatte im Sommer 2012 versucht, zwei damals 15- und 16-jährige Mädchen zum Geschlechtsverkehr zu zwingen. Jugendrichter Jürgen Fehn verurteilte ihn zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren.

"Dies war die mit Abstand schwerste und längste Urteilsfindung, seitdem ich hier am Jugendschöffengericht bin", meinte Fehn nach einer quälend langen Beratungszeit - quälend lange für den jungen Angeklagten, der wie ein Häuflein Elend auf seinem Platz saß, immer wieder die Hände vors Gesicht schlug, schluchzte und mit den Nerven sichtlich am Ende war.

Zu Beginn der Verhandlung - sechs Stunden vorher - hatte das noch ganz anders ausgesehen. Fast schon flachsend hatte der Angeklagte da aufgesprochen: "Ich habe es nicht nötig, jemanden zum Sex zu zwingen. Das Mädchen wollte etwas von mir. Es ist noch nicht einmal hübsch. Es ist halt alles blöd gelaufen."

Das, was blöd gelaufen sein soll, rief jedoch schwerwiegende Vorwürfe hervor. Laut Staatsanwalt Christoph Gillot soll es in einer Nacht Ende Juli 2012 in der Nähe eines Kirmes-Festplatzes im nördlichen Landkreis nacheinander und getrennt voneinander zu zwei sexuellen Übergriffen auf die Mädchen gekommen sein.
Der Angeklagte, der von Rechtsanwalt Andreas Piel vertreten wurde, war mit Freunden auf der Kirmes. Zuvor hatte man "vorgeglüht" und sich dann auch auf der Kirmes ziemlich begossen, wie der Aussage des jungen Mannes zu entnehmen war. Die Mädchen habe er vorher nicht gekannt, sagte der 19-Jährige. Selbst vor Gericht hatte er Schwierigkeiten, sie auseinanderzuhalten. "Wer ist jetzt wer? Ist das die Dünnere oder die Dickere?", fragte er den verdutzten Jugendrichter. Letztlich räumte er aber doch ein, von beiden Mädchen Sex gewollt zu haben.

Mädchen wehrt sich

Unter Vorwänden hatte er sie vom Kirmes-Festplatz weggelockt. Die 16-Jährige hat er in einem dunklen Bereich unvermittelt auf die Motorhaube eines geparkten Autos gedrückt und mit beiden Händen ihre Arme neben dem Kopf auf der Motorhaube festgehalten. Er küsste sie gegen ihren Willen auf den Mund und versuchte, sie an der Brust zu berühren und mit der Hand ihre Hose zu öffnen. Dies gelang ihm nicht, da sie sich heftig wehrte.

Noch in derselben Nacht probierte er dasselbe bei dem ein Jahr jüngeren Mädchen. Dieses folgte ihm zunächst aus dem Festzelt. Als sie zurückgehen wollte, packte er sie am linken Arm und zog sie zu einem Wohnanwesen. Dort packte er sie mit beiden Händen an den Beinen, hob sie hoch und drückte sie gegen die Hauswand. Anschließend zog er ihr T-Shirt nach oben, griff ihr an die Taille und küsste sie. Seinen Versuch, ihr unter dem Shirt an die Brust zu fassen, konnte sie vereiteln.

"Einen Ausrutscher unter Alkohol kann man nachvollziehen. Aber so etwas eine Stunde später nochmals zu versuchen, ist schon ein starkes Stück?", zeigte sich der Richter verständnislos. "Ich kann es mir selber nicht erklären. Ich hatte ja eine Freundin, die da gerade in Urlaub war. Der Drang war halt so groß", versuchte sich der Angeklagte zu rechtfertigen.

Üble Beschimpfungen

Neben der sexuellen Nötigung stand auch der Vorwurf der Beleidigung im Raum. Zwei Wochen nach der Kirmes beleidigte er die 15-Jährige nämlich aufs Übelste, wie aus der Anklage hervorging. Damals war er mit seiner nunmehrigen Ex-Freundin im Bus zum Freischießen unterwegs, als das Mädchen einstieg. Sowohl auf der Hin- als auch auf der Rückfahrt beschimpfte er die 15-Jährige heftig. "Damit wollte ich meiner Freundin beweisen, dass ich nur sie liebe", räumte der Angeklagte ein.

Der Vater der 15-Jährigen hatte Anzeige erstattet. Wie ein Polizeibeamter berichtete, habe sich der andere Fall erst im Verlauf der Ermittlungen ergeben. Beide Mädchen hätten angegeben, unter einem Vorwand vom Festplatz weggelockt, anschließend befummelt und begrabscht worden zu sein.
Erschütternd waren die Aussagen der 15-Jährigen und ihres Vaters, der den Angeklagten als "beratungsresistent" bezeichnete. Seine Tochter sei in der Schule stark abgestürzt und werde wahrscheinlich an eine andere Schule wechseln. Zudem sei sie oft krank. Der Arzt vermute psychologische Gründe. "Sie kann das nicht ohne psychologische Betreuung aufarbeiten", war sich der Vater sicher.

"Immer, wenn er mich sieht, nennt er mich Schlampe. Das ist sein Standardspruch", meinte das Mädchen, bei deren Aussage der Angeklagte ausgeschlossen wurde. Unter Tränen fuhr sie fort: "Er hat meinen Ruf kaputtgemacht. Mir geht es ganz schlecht. Immer und immer wieder werde ich von ihm oder Fremden beschimpft." Der 19-Jährige entschuldigte sich bei dem Mädchen. "Sechs Monate hast Du das geleugnet. Sechs Monate bin ich als Lügnerin hingestellt worden", sagte die 15-Jährige erneut unter Tränen.

Der Mann war bereits dreimal mit dem Gesetz in Konflikt geraten, darunter auch wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern.

Ein recht düsteres Bild zeichnete die Mitarbeiterin der Jugendgerichtshilfe von ihm. Sie hegte starke Zweifel an der Behebbarkeit der Reiferückstände. "Er ist uneinsichtig und hat sich ein Gerüst von Lügen aufgebaut", so die Mitarbeiterin, die von schädlichen Neigungen und einem stark eingeschränkten Unrechtsbewusstsein beim Angeklagten sprach. Sie hegte große Bedenken wegen der Rückfallmöglichkeit. Sie sprach sich "im Zweifel" für Jugendstrafrecht aus, setzte aber ein großes Fragezeichen hinter eine Bewährung.
Der Staatsanwalt sah die Anklageschrift mehr als bestätigt, insbesondere auf Grund der Beleidigungen. "Ich weiß nicht, wie man so dreist und ichbezogen sein kann. Er ist der Täter und macht die Opfer nieder, verlacht und verleumdet sie unter aller Sau", meinte der Staatsanwalt in seinem Schlussplädoyer. Zudem habe der Angeklagte versucht, alle zu beeinflussen: die Mädchen, die Zeugen und seine Freunde. Er forderte eine Gefängnisstrafe nach Jugendstrafrecht von drei Jahren.

Vor dem Absturz?

Ganz anders sah es der Verteidiger, der eine Jugendstrafe von einem Jahr und zwei Monaten als angemessen empfand. "Wenn sie ihn jetzt aus seinen geordneten Verhältnissen reißen, ihm seine Ausbildungsstelle nehmen und ihn ins Gefängnis stecken, ist der nächste Hartz-IV-Empfänger vorprogrammiert", war sich Piel sicher.
So sah es schließlich auch das Jugendschöffengericht nach langer Beratung. Zuvor hatte der Angeklagte weinend um eine allerletzte Chance gebeten. Diese erhielt er in Form einer Bewährungsstrafe. Zudem muss er 80 Stunden Sozialarbeit leisten und eine Geldstrafe von 1200 Euro zahlen. hs