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Zimt macht Karotten lecker


Autor: Heike Schülein

Seibelsdorf, Sonntag, 12. Oktober 2014

Geschichte, die durch den Magen geht: Tina Vadász-Hain kochte mit VHS-Kursteilnehmern Rezepte aus der Renaissance nach.
Nadine Angerer schneidet Reh für die Füllung der Wildpastete, Tina Vadász-Hain gibt ihr Tipps. Foto: Heike Schülein


"Zimt? Karotten mit Zimt?", erkundigt sich Stefanie Schick noch einmal verwundert, ob sie auch richtig gehört hat. Sie hat richtig gehört. "In der Renaissance hat man viel mit Zimt gewürzt - auch Speisen, an die man jetzt dabei nicht unbedingt denken würde", erklärt Tina Vadász-Hain.

Stefanie Schick bereitet gerade "überzogene Möhren nach Platina" zu - ein altes überliefertes Gericht. Vor sich hat sie das Rezept liegen. Wie angegeben, hat sie die "wohlgekochten Rüben" bereits in Würfel geschnitten und ebenso den Käse, der ein "fetter und frischer" sein muss. Beides muss in eine Form geschichtet werden. Dann heißt es: "Bespreng es stets mit Gewürz und Butter!" Doch die Art der Gewürze wird nicht genannt.

Kochbücher in der damaligen Zeit waren keine expliziten schrittweisen Anleitungen zum Kochen.

"Oft fehlten bei Rezepten Grammangaben und auch die Koch- und Zubereitungsarten wurden als selbstverständlich vorausgesetzt", so die Kursleiterin, die Stefanie Schick empfiehlt, die Möhren mit Ingwer, Knoblauch und eben auch Zimt zu würzen.

Bartolomeo Platina hat 1474 ein Kochbuch verfasst mit dem verheißungsvollen Titel "Von der Eehrlichen, zimlichen, auch erlaubten Wollust des leibs". Es gehört mit zu den ältesten Kochbüchern. Bereits im ersten Jahrhundert nach Christus entstand das römische Kochbuch des Apicius "De re coquinaria".

Einen Herd gab es zu Lebzeiten von Platina noch nicht. Das Kochen über offenem Feuer wurde den Teilnehmern des Kochkurses "Die Kunst des Kochens in der frühen Neuzeit" zwar nicht geboten. Aber die damaligen Gaumenfreuden ließen sich auch in der modernen Küche der Kronacher Außenstelle des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gut nachkochen.

"Nicht nur König und Kaiser wussten zu speisen im 16. Jahrhundert. Mannigfaltige Speisen zuzubereiten und nach des Herren Geschmack zu kochen, war eine Kunst in der Renaissance, auch für den Koch eines Handwerksmeisters", so Tina Vadász-Hain, die sich mit den Kursteilnehmern Rezepte aus einigen Original-Kochbüchern aus dem 16. Jahrhundert vornahm. Zubereitet wurde ein Fleischgericht, "Zugemüse" und eine Süßspeise.

Magda Meißner bereitete die Süßspeise zu: Reisbällchen nach Bartolomeo Scappi, der Mundkoch mehrerer römischer Päpste war. Auch von ihm gibt es ein Kochbuch aus dem Jahre 1570 "L´Arte Et Prudenza D´Un Maestro Cuoco". Sie bäckt die Bällchen in heißem Fett aus.

Auch über der Arbeitsfläche von Angela Hofmann breitet sich das Aroma von Petersilie, Thymian und Gundermann aus. Diese und viele weitere Kräuter werden mit etwas Ingwer, Zimt und Salz gestoßen, dann in starkem Essig aufgelöst und durch ein Sieb gestrichen. Dazu kommt Knoblauch.

Kohl auf römische Art

Markus Steller stellt derweilen einen Pastetenteig her. Er formt ihn zu einer runden Kugel und zieht ihn an den Seiten, so dass in der Mitte eine Erhöhung bleibt. Michael Müller kümmert sich um den Kohl auf römische Art - ebenfalls nach Scappi. Nachdem er diesen in Fleischbrühe aufgekocht hat, presst er ihn aus und "schlägt" er ihn mit dem Küchenmesser weich. Dann röstet er den Kohl mit Speck in einem Topf. Darüber kommt Käse und wiederum Zimt.

Nadine Angerer bereitet indes Meerfisch in Saft zu, bevor sie anschließend gekochtes Rehfleisch für die Füllung der Wildpastete kleinschneidet.

Tina Vadász-Hain findet nicht nur an den Gaumenfreuden, sondern allgemein am 16. Jahrhundert viel Gefallen. 2002 gründete sie die Renaissance-Gruppe "Flores Artium" unter dem Dach des "Historischen Vereins Kronach". Es vergeht kaum ein Tag, an dem sich die Weißenbrunnerin und ihr Ehemann Szilárd Vadász nicht mit dem Zeitalter beschäftigen. "Ich finde, dass die Renaissance eine sehr spannende Zeitepoche in der Weltgeschichte ist", erklärt sie.

Adler und Schnecken

Die Renaissance (französisch "Wiedergeburt") habe das Denken der Menschen verändert und sei ein Aufbruch in eine neue Zeit des Denkens und Handelns gewesen. Diese Vorliebe leben die Eheleute in verschiedenen Tätigkeiten aus: Tina Vadász-Hain durch das Schneidern historischer Gewänder oder eben das Kochen von Gerichten der damaligen Zeit. Auch bei historischen Veranstaltungen ist die Gruppe häufig dabei.

"Die Gerichte der Renaissance waren unterteilt in Fleisch- und Fastentagen", erzählt die Grafikerin. Früher habe es viele Fastentage gegeben, an denen man nicht nur kein Fleisch essen, sondern auch beispielsweise keine Eier, Milch oder Butter verwenden durfte.

Man aß fast alles. Fleischgerichte gab es unter anderem für Ochsen, Hammel, Schafe, Lämmer, Hasen, Pferde aber auch Adler und Singvögel wie Amsel oder Drossel. Es gab auch Rezepte für Schnecken, Köpfe von Tieren oder Kuh-Euter.

Neuer Kurs

Am Montag, 20. Oktober, findet von 18 bis 21 Uhr ein weiterer Kurs "Die Kunst des Kochens in der frühen Neuzeit" statt - erneut mit Tina Vadász-Hain. Veranstaltungsort ist wieder die Küche im Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Kronach, Kulmbacher Straße 44. Anmeldungen sind bei der VHS Kronach notwendig.