Zeitreise beim Kronacher Stadtspektakel
Autor: Marco Meißner
Kronach, Dienstag, 23. Juni 2015
Beim Historischen Stadtspektakel in Kronach lebt am Wochenende die Vergangenheit auf. Die Gruppe Flores Artium gewährt dabei einen Blick in eine Epoche, die bei historischen Festen hierzulande ein Schattendasein fristet.
Tina Vadász-Hain zieht den Gürtel an ihrem Gewand auf der Kleiderpuppe zurecht. Dann steckt sie das Brustband ein. Nun fehlt zum Kleid nur noch die Haube. Dahinter steckt ein kleines Geheimnis. Die Wulsthauben aus der Renaissance sind zwar auf vielen historischen Bildern zu sehen, aber nirgendwo wird gezeigt, wie es zu ihrer heiligenscheinartigen Wulstung kommt. "Das herauszufinden, ist experimentelle Archäologie. Das ist eine detektivische Arbeit, die mir riesigen Spaß macht", erklärt die Leiterin des Arbeitskreises Flores Artium ("Die Blüten der Künste") des Historischen Vereins Kronach.
Geschichte lebensecht darstellen
Beim Historischen Stadtspektaktel in Kronach wird die Weißenbrunnerin vom 26. bis 28. Juni mit ihrer kleinen Schar Gleichgesinnter gerne solche Geheimnisse aus der Vergangenheit lüften.
Sie selbst begeistert sich schon seit ihrer Jugend für diese Zeit und hat daher später die Renaissance-Gruppe Flores Artium ins Leben gerufen. Diese Gruppe zeigt, was in der Renaissance (in Deutschland circa 1490 bis 1600) Mode war und wie die Kleidungsstücke hergestellt wurden. Ihr neues Kleid hat die Leiterin komplett in Handarbeit gefertigt. "Daran habe ich sechs Wochen genäht. Und ich habe nicht geschummelt." Mit der Maschine könne man nämlich nicht so arbeiten, wie es per Hand möglich sei.
Blick in die Kochbücher
Beim Stadtspektakel wird sich Flores Artium auch mit den Kindern beschäftigen. Kleine Pappkistchen werden verziert, Spielkarten ausgemalt. Die Karten seien für die Renaissance ein wichtiges Thema, unterstreicht Tina Vadász-Hain. Diese Epoche sei geprägt von strengen Regelungen für die Stände, aber auch von reformatorischen Gedanken und wachsendem Selbstbewusstsein sowie einem kritischeren Denken der Bürger. Die Spielkarten waren damals etwas sehr Persönliches für den Besitzer und dienten unter anderem dazu, sich mit den weit entfernten Regenten auf dem Blatt identifizieren zu können.
Zum Spektrum von Flores Artium gehört auch das Kochen nach historischen Rezepten. Tina Vadász-Hain hat im Nu einen Schwung Kochbücher auf dem Tisch, in denen Gerichte in alter Schrift aufgelistet sind. Auf den gesellschaftlichen Stand der Gäste, das Temperament und auf die Elemente wurde bei den Speisen und der Zubereitung geachtet. "Schweinefleisch war heiß und trocken, deshalb machte man zum Ausgleich Sauerkraut dazu. Das galt als kalt und feucht", erklärt Tina Vadász-Hain die damaligen Prinzipien in der Küche. Prinzipien, in denen noch viele Grundsätze der heutigen Zubereitung ihre Wurzeln hätten.
Für Gespräche offen
Kochen werden die Arbeitskreismitglieder bei ihrem zweiten Stadtspektakel-Auftritt zwar nicht, aber über die Leckerbissen diskutieren werden sie mit den Gästen gerne. Vielleicht kommt dann mancher Besucher auf den Geschmack und will mit Flores Artium noch mehr kulinarische Geheimnisse der Renaissance lüften (siehe Infokasten).