Druckartikel: Wie geht es mit der Pflege weiter?

Wie geht es mit der Pflege weiter?


Autor: Theresa Schiffl

Rothenkirchen, Montag, 06. August 2018

Für die Zukunft zeichnet sich ein steigender Bedarf an Pflegekräften ab - auch im Landkreis Kronach. Mitarbeiterinnen erzählen von ihrem Berufsalltag.
Altenpflegerinnen wie Julia Grünbeck pflegen  mit viel Herz. Trotz der körperlichen und psychischen Herausforderungen kann sie sich keinen anderen Beruf vorstellen, aber auch sie wünscht sich mehr Personal in der Pflege. Theresa Schiffl


9.30 Uhr: Im Seniorenheim des Arbeiter-Samariter-Bundes in Rothenkirchen herrscht reger Betrieb. Das Team um Wohnbereichsleiterin Julia Grünbeck versorgt die Bewohner, um sie danach zum Frühstück zu bringen. "Unser Team ist gut organisiert und alle helfen zusammen", berichtet Grünbeck über die Arbeit auf der Station.

Währenddessen ist im Eingangsbereich eine kleine, ältere Dame mit ihrem Rollator unterwegs nach draußen. "Wie geht es Ihnen denn heute?", fragt Mitarbeiterin Silke Tannhäuser. "Ach, ich hab' momentan so Schwierigkeiten mit dem Kreislauf", antwortet die Heimbewohnerin. Nach einem kurzen Gespräch begleitet Tannhäuser sie schließlich sicher nach draußen zu einer Bank im Schatten.

"Unsere Mitarbeiter leisten wirkliche eine gute Arbeit, die alles andere als einfach ist", sagt Tannhäuser. Momentan ist das Heim in Rothenkirchen personell gut aufgestellt. Es werden aktuell nur eine examinierte Fachkraft und ein Pflegehelfer gesucht. Doch es wird immer schwieriger, Personal zu finden Sorgen bereiten ihr zudem einige Langzeitkranke. Diese fallen aufgrund von Muskel- und Skeletterkrankungen wie Bandscheibenvorfälle länger aus. "Daran merkt man eben, dass der Beruf auch körperlich anstrengend ist", sagt die Bereichsleiterin.

Um weiterhin eine gute Pflege leisten zu können, müssen mitunter sogenannte Honorarkräfte oder Springer engagiert werden. Laut Tannhäuser sei das keine optimale Lösung, weil die Arbeitskräfte die Bewohner nicht so gut kennen.

In Zukunft muss sie sich über Personalmangel keine Sorgen mehr machen - zumindest wenn es nach der Politik geht. Der Entwurf des "Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes" wurde in dieser Woche vom Bundeskabinett unter Vizekanzler Olaf Scholz von der SPD verabschiedet. Ab Januar 2019 soll es 13 000 neue Pfleger für die Heime geben. Inwieweit diese Stellen wirklich besetzt werden können, steht jedoch auf einem anderen Blatt.


13 000 Pfleger reichen nicht

Aktuelle Zahlen der Bundesagentur für Arbeit Bamberg-Coburg zeigen anhand der bei ihnen gemeldeten Arbeitsstellen deutlich, dass die 13 000 neuen Stellen nicht ausreichen dürften. Im Juli 2018 wurden in Deutschland in der Altenpflege 24 219 Pflegekräfte gesucht. In Kronach waren es immerhin nur 18. Finanziert werden soll die Umgestaltung des Pflegesystems über die gesetzliche und private Krankenversicherung.

Stephan Preisz von der AOK rechnet vor, dass bei ihnen aktuell 2200 Pflegebedürftige gemeldet sind. Bei 50 Prozent Marktanteil der AOK ergibt sich dadurch hochgerechnet eine Anzahl von 4400 Pflegebedürftigen. "Einige sind noch nicht als pflegebedürftig gemeldet. Ich schätze deshalb, dass ungefähr 5000 Bewohner im Landkreis Kronach gepflegt und versorgt werden müssen", sagt er.


Erhöhungen noch nicht bekannt

Martin Litsch, Pressesprecher der AOK, erklärt, dass es keine einfachen und schnellen Lösungen für den Pflegenotstand geben wird. "Darauf und auf die vorprogrammierten Beitragserhöhungen muss die Politik die Menschen vorbereiten", verlangt er. Davon steht aktuell jedoch noch nichts Konkretes im Entwurf des "Pflegepersonal-Stärkungsgesetztes".

Neben den vielen Pflegebedürftigen, deren Zahl aufgrund des demografischen Wandels noch zunehmen wird, ist das Fehlen von Auszubildenden ein weiteres Problem. Tannhäuser klagt: "Wir haben mit Marktrodach zusammen nur zwei Lehrlinge. Uns fehlt der Nachwuchs." Es melden sich außerdem keine jungen Menschen mehr, die in der Pflegebranche einen Bundesfreiwilligendienst oder ein Freiwilliges Soziales Jahr machen möchten. Dabei ist der Verdienst nicht schlecht: "Das Gehalt wurde bei uns erhöht, da hat sich einiges getan: Azubis fangen mit einem Einstiegsgehalt von 1090,69 Euro an, Pflegehelfer mit 2154,60 und examinierte Fachkräfte mit 2672,50 Euro", betont Tannhäuser. Durch die Kooperation mit der Mittelschule Pressig, bei der Schüler in den Beruf hineinschnuppern können, soll das Interesse der Schüler für eine Ausbildung erweckt werden. Bislang ohne Erfolg.


Mehr Mitsprache der Pflegekräfte

Neben dieser Initiative hat das Heim schon einiges ausprobiert: "Wir haben Plakate ausgehängt, in der Zeitung inseriert, waren auf Ausbildungsmessen... Alles war vergebens." Sie wünscht sich deshalb für die Zukunft mehr Präsenz des Themas Pflegesystem in der Politik und vor allem mehr Mitsprache bei Entscheidungen und neuen Gesetzen. Denn diese würden nach der Meinung von Tannhäuser von Politikern getroffen, die sehr weit weg von den realen Arbeitsbedingungen der Altenpfleger sind.

Durch jeden Beschluss wird den Pflegekräften die Arbeit erschwert. Tannhäuser klagt: "Die Dokumentation ist wichtig, aber das ist mittlerweile so viel bürokratischer Aufwand - und die Zeit fehlt dann am Bewohner." Es sei ein zäher Prozess - oder wie Litsch es formuliert: "Uns steht ein Marathon bevor."
Deshalb wünschen sich Julia Grünbeck und ihre Kolleginnen mehr Personal, um den Herausforderungen gerecht zu werden. Vieles wäre dadurch einfacher und es bliebe mehr Zeit, um sich noch individueller um die Bewohner zu kümmern. Aber trotz der enormen körperlichen und psychischen Belastung finden sie viele erfreuliche und positive Aspekte in ihrem Job. "Es ist ein schöner und abwechslungsreicher Beruf. Man fühlt sich gebraucht", sagt Grünbeck. Eine Kollegin fügt hinzu: "Und wir haben auch immer eine Gaudi mit unseren Bewohnern." Für sie gibt es jedenfalls keinen anderen Beruf. "Ein Job im Büro? Das wäre nichts für mich", sagt sie lachend und wirkt sehr zufrieden mit ihrer Berufung.

Warum es nicht einfach ist, seine Verwandten im Heim unterzubringen
Immer mehr Menschen müssen sich mit dem Thema Pflege auseinander setzen. Dass dies nicht immer einfach ist, weiß Albert Rung aus Kronach, dessen Mutter bereits seit zwei Jahren im Altenheim "Leben am Rosenberg" wohnt.
"Meine Mutter hatte vor zwei Jahren einen Herzinfarkt und ging daraufhin zur Reha nach Bad Steben", erzählt er. Dort sollte sie wieder lernen zu laufen und zu reden. Aufgrund ihres Rheumas hat es mit dem Laufen nicht mehr geklappt. Seitdem sitzt sie also im Rollstuhl. "Sie konnte nicht mehr alleine Zuhause wohnen und wir konnten sie auch nicht zu Hause pflegen", sagt Rung.
Um sich in Ruhe über alles Gedanken machen zu können, brachte Rung seine Mutter ins Seniorenheim "Leben am Rosenberg" in Kronach zur Kurzzeitpflege. Als sie dann noch an Alzheimer und Parkinson erkrankte, sei an ein selbstständiges Wohnen nicht mehr zu denken gewesen.


Pflegedienst?

Er und seine Frau überlegten, ob ein Pflegedienst nicht eine Lösung sein könnte. Rung sagt: "Der kommt aber auch nur drei Mal am Tag und uns wurde schnell klar, dass das ebenfalls nicht geht." Da sie das Altenheim kannten, in dem die 82-Jährige bereits zur Kurzzeitpflege war, wählten sie auch dieses Heim als neues Zuhause für die Mutter aus.
"Ihr geht es dort gut und sie ist auch von uns nicht so weit weg", sagt Albert Rung und fügt lachend hinzu: "Ich geh sie jeden Tag besuchen, um ein bisschen zu plaudern. Wenn sie draußen sitzt und mich kommen sieht, freut sie sich riesig und winkt schon von weitem." Er erzählt, dass sie in dem Heim gut versorgt wird und dass auch viel geboten wird. "Jetzt gehen sie sogar mal zum Schützenfest", sagt er. Wie Albert nein mal Alt werden möchte? "Das weiß ich schon ganz genau. Solange es geht, möchte ich Zuhause wohnen. Und am schönsten wäre es natürlich, wenn ich dann irgendwann einfach in Ruhe und ohne Schmerzen einschlafe. Wenn ich irgendwann pflegebedürftig bin, gehe ich aber auf alle Fälle ins Heim."