Wie ein Verein Steinwiesens Bürgermeister einen dicken Strich durch die Rechnung machte
Autor: Marian Hamacher
Steinwiesen, Donnerstag, 17. Oktober 2019
Kaputte Glühbirnen für die Dunkelkammer oder ein eigener Kandidat bei der Bürgermeisterwahl - an Ideen man- gelte es dem Steinwiesener Lügensagerverein nie. Stets nach dem Motto: "Der Lüge zur Ehr, der Wahrheit zur Wehr."
Unscheinbarer kann ein Mitgliedsausweis wohl kaum aussehen. Zumindest auf den ersten Blick. Lediglich der Vereinsname prangt in blassen grauen Buchstaben auf der ersten Seite: LSV. Darunter in etwas kleinerer Schrift der zugehörige Ort: Steinwiesen. Wer angesichts der Abkürzung an die Worte "Leichtathletik" oder "Sport" denkt, dürfte sich allerdings irritiert am Kopf kratzen. Zu finden sind in dem beigen Dokument neben dem Namen und Geburtsdatum des Inhabers schließlich auch Angaben zur Kopf- und Schuhgröße sowie die Mundweite.
Ob die aber alle wahrheitsgemäß sind? "Der Inhaber dieses Ausweises ist berechtigt, in allen Wirtshäusern Grimassen zu ziehen, zu stänkern, sich in andere Angelegenheiten einzumischen ", heißt es unter anderem auf der letzten Seite und mündet in der fettgedruckten Aufforderung "Lügen sagen ist Pflicht!" Denn LSV steht für Lügensagerverein.
Vorzeigen müsste Hans Franz den ohnehin nicht ganz ernst gemeinten Ausweis wohl nirgends im Landkreis. Nach Jahrzehnten im Präsidium des Vereins ist der Name des Nurners fest mit dem LSV verbunden. Spätestens seit der Kommunalwahl 1989. Eine der wenigen Aktionen der Steinwiesener Lügensager, an denen nichts geflunkert war.
Wild plakatiert
Hans Franz trat tatsächlich gegen den langjährigen Steinwiesener Bürgermeister Reinhold Renk (SPD) an. "Er hatte damals keinen Gegenkandidaten, und es war klar, dass er erneut gewählt wird", erinnert sich der inzwischen 67-Jährige. "Da haben wir uns gedacht, einfach selbst einen Kandidaten aufzustellen."
Ein Parteiprogramm hatte der LSV zwar nicht - dafür aber äußerst eingängige Wahlwerbung. "Vor dem Schnäuzen Hans Franz ankreuzen" oder "Von Steinwiesen bis Kloster Banz - ein jeder wählt Hans Franz" plakatierten die Lügensager wild in den fünf Ortsteilen. "Eins haben sie mir sogar an meine eigene Scheune gehangen", sagt Franz und muss schmunzeln. Renk hingegen dürfte die Aktion damals alles andere als spaßig empfunden haben. "In seiner letzten Amtsperiode wollte er eigentlich 90 Prozent der Stimmen holen", erzählt Franz. "Durch mich kam er nur auf etwa 80."
Ungültiger Stimmzettel
Dabei stand der Nurner gar nicht auf dem offiziellen Wahlzettel. Wer Franz wählen wollte, musste seinen Namen handschriftlich hinzufügen. Was an die 400 Steinwiesener auch taten. Gefährlich wurde der Spaß-Kandidat dem Amtsinhaber freilich nicht, in den beiden Nurner Wahllokalen ging es aber äußert knapp zu.
Der Heimvorteil sorgte dafür, dass Franz auf 98 Stimmen kam. Eine weniger als Renk. "Eigentlich hätte ich da auch auf 99 Stimmen kommen können", erinnert sich der 1989 38 Jahre alte Franz. "Aber jemand hatte nicht nur meinen Namen auf den Zettel geschrieben, sondern auch ,Renk, der Schuldenmacher‘ Dadurch wurde der Stimmzettel dann ungültig."