Kerstin Rank: Dass man nicht nur Textil hat. Denn es lassen sich ja auch die Hartteile einer Rettungsweste verwenden. Zum Beispiel kann man den Auslöser vom CO2 am Reißverschluss befestigen; man hat also ein rundum gutes Produkt. Stark ausschlaggebend war für mich aber auch der Punkt Nachhaltigkeit. Denn die Rettungswesten, die ausgedient haben, sind bisher immer entsorgt worden.
Haben Sie für Upcycling-Prozesse eine goldene Regel?
Kerstin Rank: Es muss passen! Der Grundsatz ist, dass das Material dort eingesetzt wird, wo es am besten aufgehoben ist. Es bringt ja nichts, wenn ich aus einer Rettungsweste einen Regenmantel machen würde. Darin würde ich mich zu Tode schwitzen, weil der Stoff überhaupt nicht Atmungsaktiv ist. Logisch, es war schließlich mal eine Rettungsweste. Bei einer Tasche brauche ich eine wasserabweisende Komponente und ein leichtes, strapazierfähiges Material. All das gibt mir die Rettungsweste. Außerdem hat sie eine großartige individuelle Optik und ist durch die Farbe aufmerksamkeitsstark.
Haben Sie schon andere Materialien im Blick, aus denen ein neues Produkt entstehen kann?
Kerstin Rank: Wir haben jetzt in diesem Jahr angefangen, mit der Fraunhofer-Gesellschaft eine Idee zu entwickeln, Flugzeugsitzen ein zweites Leben als Wohnmöbel beziehungsweise als Möbel für Messen und Konferenzräume zu geben. Dafür haben wir zusammen mit Fraunhofer eine Schiene entwickelt, die den Flugzeugsitz stabilisiert, damit er nicht nach hinten umkippen kann und auch seitlich einen festen Stand hat.
Was erhoffen Sie sich von Frau Ranks Teilnahme, Herr Montag-Schwappacher?
Montag-Schwappacher: Zum einen erhoffe ich mir für unsere Teilnehmer Einsichten in Frau Ranks Perspektivwechsel. Denn das Besondere an ihrer Arbeit ist ja, dass es darum geht, kreativ mit den Merkmalen eines Materials zu arbeiten. Also genau den umgekehrten Weg, den Gestalter sonst gehen.
Inwieweit kann das den Unternehmen aus der Region helfen?
Montag-Schwappacher: Ich glaube, dass grundsätzlich das Thema Upcycling und Kreislaufwirtschaft für die hiesigen Unternehmen ganz wichtig werden wird - und auch jetzt schon wichtig ist. Man muss sich ja nur mal die Recycling-Vorschriften vor Augen halten, die bereits jetzt für Autos gelten, und dann schauen, wie viele Automobilzulieferer wir hier in der Region haben. Da wird ganz entscheidend für deren Zukunft sein, was mit deren Produkten passiert, nachdem sie zweckgemäß verwendet wurden. Einer der Wege, die man gehen kann, ist da, Produkten ein zweites Leben einzuhauchen. Es gibt aber noch einen anderen Punkt, der ungeheuer wichtig ist.
Nämlich?
Montag-Schwappacher: Die Wirtschaftlichkeit. Es muss sich irgendwo ja auch rechnen. Und das passiert eben nur dann, wenn ein wertiges Produkt geschaffen wird. Diese Wertigkeit ist der entscheidende Dreh- und Angelpunkt dafür, dass wir als Wirtschaftsstandort eine Zukunft haben. Wir müssen mit diesem Gedanken an die Kunden herantreten und Produkte schaffen, die wertig und innovativ sind. Nur dadurch können sie auf dem Weltmarkt bestehen. Wir sind schließlich auch eine Exportregion.
Welche Anwendungsbeispiele gibt es denn im Kreis Kronach?
Montag-Schwappacher: Das bleibt den Teilnehmern überlassen, es für sich selbst jeweils zu finden. Ich würde mir ungerne irgendwelche Beispiele ausdenken wollen. Ich weiß, dass die Unternehmen, die im IZK versammelt sind, besonders stark an Nachhaltigkeitsfragestellungen arbeiten. Heinz-Glas beispielsweise hat einen eigenen Nachhaltigkeits-Manager. Der schaut sich regelmäßig verschiedene Abteilungen an und gibt Tipps, wo denn noch mehr in Richtung Nachhaltigkeit gearbeitet werden kann.
Was für ein wirtschaftliches Potenzial sehen Sie im Kreis Kronach?
Kerstin Rank: Nicht nur im Kreis Kronach. Ich sehe in ganz Oberfranken wahnsinnig viel Potential, weil Oberfranken so ein Mikrokosmos ist. Man kennt sich, man arbeitet gut miteinander. Und es sind ja unglaublich viele "Hidden Champions" (unbekannte Weltmarktführer, Anm. d. Red.) in der Region, die schon jetzt wahnsinnig tolle Konzepte haben. Wenn man sich da dann noch mit Innovationsprozessen einschaltet, kann die Region davon nur profitieren.
Montag Schwappacher: Diese Prozesse sind aber auch nötig! Ich hoffe, dass die Teilnehmer der Konferenz nicht nur mit vielen guten Ideen herausgehen, sondern eventuell auch Kontakten, um diese Ideen umzusetzen. Denn Innovationen, die nicht umgesetzt werden, bleiben nur eine Idee.
Hintergrund: Was bedeutet Upcycling? Und was genau macht eigentlich das IZK?
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Am treffendsten übersetzen lässt sich das Englische Upcycling wohl mit dem Wort "Aufwerten". Schließlich bedeutet es nichts anderes, als aus Materialien eines Produkts, das ausgedient hat und oder nicht mehr verwendet werden kann, ein neues Produkt zu schaffen. Das hat zur Folge, dass Rohstoffe so nicht nur geschont werden, sondern ein scheinbar nutzloser Stoff zudem aufgewertet wird. Neu ist der Gedanke sicher nicht, Gegenständen ein zweites Leben einzuhauchen. Gerade in Entwicklungsländern ist Upcycling weit verbreitet. Weil die nötigen Rohstoffe fehlen, meist als Mittel zum Zweck. So werden etwa mit Hilfe von speziellen Flechttechniken aus alten Gummi- und Plastikprodukten neue Gegenstände gefertigt. Zum Beispiel werden aus alten Autoreifen Sohlen für Flip-Flops. Von Upcycling war jedoch erstmals 1994 die Rede, als der niedersächsische Ingenieur Reiner Pilz in der britischen Zeitschrift Salvo die Abfallrahmenrichtlinie und die damals gängige Praxis beim Baustoffrecycling kritisierte. Für ihn bedeute Recycling eher Down-cycling. "Sie schlagen Steine kaputt, sie schlagen alles kaputt", ärgerte sich Pilz und forderte: "Was wir brauchen, ist Up-cycling, bei dem alte Produkte einen höheren Wert erhalten, keinen geringeren."
Das Innovations-Zentrum Kronach befasst sich mit Innovationsprozessen in den - überwiegend produzierenden - Unternehmen der Region. "Dazu bieten wir unterschiedliche Möglichkeiten, sich als Unternehmen zu orientieren", erklärt IZK-Geschäftsführer Hendrik Montag Schwappacher. Unter anderem Treffen, bei denen sich die Unternehmen, die dem IZK beigetreten sind, zu konkreten Themen austauschen können. "Dort können sie dann beispielsweise neue Lösungen für Alltagsfragestellungen finden", sagt Montag-Schwappacher.
Dazu beitragen, Perspektiven für die künftige Arbeit aufzuzeigen, soll auch die Mitmachkonferenz, die am Donnerstag auf dem Loewe-Campus zum Thema Design und Material stattfindet. Gedacht ist diese als Plattform, um Innovationen und Entstehungsprozesse in den Bereichen Konstruktion und Produktdesign aufzuzeigen. Bis Montag hatten sich 66 Teilnehmer angemeldet. "Damit sind wir am oberen Ende der Kapazität der Veranstaltung angelangt", so der IZK-Geschäftsführer. Außerdem berät und begleitet das IZK ihre Mitglieder bei Anträgen, damit diese Fördermittel erhalten - und aus einer Innovation auch tatsächlich ein Produkt oder ein konkreter Prozess wird.