Druckartikel: Werden im Kreis Kronach zu viele Hecken abgesägt?

Werden im Kreis Kronach zu viele Hecken abgesägt?


Autor: Hendrik Steffens

Kronach, Mittwoch, 08. April 2015

Anfang des Jahres kreischten die Motorsägen im Kronacher Land. An verkehrskritischen Stellen wurde Buschwerk gestutzt. Aber nicht nur da und nicht immer rechtskonform, meint eine Vogelschützerin aus Rothenkirchen.
Erholt sich dieses Gewächs wieder? Eine Vogelschützerin aus dem Landkreis kritisiert den Kahlschlag auf der Rothenkirchener Anhöhe.  Foto: Steffens


Kurze Stümpfe ragen aus der Böschung nahe des Ortsschilds zwischen Rothenkirchen und Buchbach. Nur ein paar dünne Bäume stehen noch. Ähnlich sieht es wenige Hundert Meter weiter in Richtung Friedersdorf aus: Entlang eines Flurwegs am Buchbach liegen abgeholzte Weiden und Erlen. Laut den Behörden dient der Beschnitt der Hecken der Verkehrssicherheit. Cordula Kelle-Dingel findet den Kahlschlag übertrieben.

Die Vogelschützerin und Naturfreundin aus Rothenkirchen wird häufig darauf angesprochen. "Ich höre ständig, dass überall im Landkreis Hecken und Gehölze aus der Landschaft verschwinden", sagt die Vorsitzende der LBV-Kreisgruppe Kronach (Landesbund für Vogelschutz). Für die Natur sei das übel. Hecken seien Lebensraum für viele Vogelarten, aber auch Amphibien und Reptilien. "Sie dienen damit dem Schutz der heimischen Artenvielfalt", sagt sie. Angesichts umfangreicher Abholzung sieht Kelle-Dingel Tiere bedroht.

Zu nah am Boden gestutzt?

Es sei eine Sache, Verkehrswege sicher zu halten: Wenn Pflanzen an kritischen Stellen die Sicht behinderten, müssten sie weg, meint Kelle-Dingel. Auch sei es sinnvoll, Hecken in gesundem Maß zu beschneiden. "Problematisch wird es, wenn Hecken, die niemandem die Sicht behindern, zu nah am Boden gestutzt und damit häufig zerstört werden." Das sei eine Gefahr für die lokale Fauna und für die Bürger nicht schön anzusehen. In den eingangs genannten Fällen aus Rothenkirchen sieht Kelle-Dingel keine große Relevanz für die Verkehrssicherheit.

Ein Bürger, der sich mit Pflanzen gut auskennt, aber nicht namentlich genannt werden möchte, kritisiert vor allem die Art, wie beschnitten wird: "Alles maschinell und es muss immer ganz schnell gehen. Das ist nicht gerade schonend für die Natur und sieht nicht schön aus."

Alle zehn bis 15 Jahre "auf Stock"

Gunther Dressel, Tiefbau-Sachgebietsleiter im Kronacher Landratsamt, verteidigt den Beschnitt auf der Böschung an der KC 9. Es sei notwendig, die Pflanzen am Ortsausgang Rothenkirchen zu stutzen: "Die Hecke ragte in das Sichtraumprofil der Straße hinein." Außerdem sammle sich im Herbst viel rutschiges Laub auf der Straße.
Das sei eine potenzielle Gefahr für den Verkehr und könne Abflüsse verstopfen. Alle zehn bis 15 Jahre werde die Hecke "auf Stock" - also bodennah - beschnitten. Das hinterlasse keine bleibenden Schäden an der Pflanze, so Dressel. Die Arbeiten seien mit der Umweltbehörde im Landratsamt abgesprochen. Diese bestätigt das gegenüber unserer Zeitung.

Ein Fall, der Cordula Kelle-Dingel besonders nahe geht, ist der im Pressiger Ortsteil Welitsch: Dort habe ein ansässiger Landwirt eine Reihe von Obstbäumen abgeholzt, die bis zu 100 Jahre alt gewesen sein sollen. Sie hätten auf einem benachbarten Gemeindegrundstück gestanden und seien von dem Landwirt illegal gefällt worden.

"Akzeptabler" Schaden?

Pressigs Bürgermeister Hans Pietz bestätigte das. Und gab an, das Landratsamt sei in dieser Sache zu einer "Beurteilung aus landespflegerischer Sicht" herangezogen worden. Der entstandene Schaden sei als "noch akzeptabel" bewertet worden, was die Kreisbehörde wiederum bestätigte. Alles weitere sei mit dem Verursacher "bilateral geklärt" worden, so Pietz. Details wollte er nicht öffentlich ausbreiten.

Ein Naturschützer klagte an: Übermäßige Abholzarbeiten sorgten in einem "schleichenden Prozess" dafür, dass der Landkreis an Schönheit verliere. "Es gibt viele, die es sehen und es schlimm finden. Aber sie haben Besseres zu tun, als nach der Arbeit über abgeholzte Hecken nachzudenken." Er wünsche sich, dass mehr Leute ihren Unmut an die Behörden herantragen. Die Natur, meint er, würde profitieren.

Immer wieder wurden in den vergangenen Monaten Stimmen laut, die meinen, Verkehrssicherungspflicht sei teilweise ein Vorwand der Akteure mit den Sägen. In Wahrheit würden Bäume und Hecken abgeholzt, um in den Zeiten des Pellet- und Hackschnitzel-Booms schnelles Geld zu machen.

Engelbert Singhartinger von der Naturschutzbehörde des Landratsamts widersprach der Theorie. Wenn aus dem Beschnitt etwa Hackschnitzel gewonnen würden, dann diene das der Kostendeckung der Heckenpflege. Und es diene neben der Verkehrssicherheit sogar der Gesundheit von Hecken, wenn sie in ordentlichen Zeitabständen (zehn bis 15 Jahre) stark beschnitten würden. Nicht zulässig sei das außerhalb des Winterhalbjahres zwischen Oktober und März (siehe Infobox).

Rechtsgrundlage

Laut "Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege" ist es verboten, Bäume, die außerhalb des Waldes, von Kurzum triebsplantagen oder gärtnerisch genutzten Grundflächen stehen, Hecken, lebende Zäune, Gebüsche und andere Gehölze in der Zeit vom 1. März bis zum 30. September abzuschneiden oder auf Stock zu setzen; zulässig sind schonende Form- und Pflegeschnitte zur Beseitigung des Zuwachses der Pflanzen oder zur Gesunderhaltung von Bäumen,