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Wer pflückt heuer die Erdbeeren?


Autor: Veronika Schadeck

Kronach, Dienstag, 24. März 2020

Landwirt Hermann Bayer sorgt sich um seine Erdbeerernte. Es fehlen in diesem Jahr Helfer aus Osteuropa für die Beeren- und Gemüseernte.
Noch ist es recht karg auf den Erdbeerfeldern, in wenigen Wochen könne diese aber geerntet werden. Hermann Bayer hofft, trotz Coronavirus seine Früchte mit Erntehelfern einbringen zu können. Veronika Schadeck


Hermann Bayer stehen die Sorgenfalten auf der Stirn. Er steht auf einem seiner über 40 Erdbeerfelder. Noch sieht man wenig von den Früchten, aber in wenigen Wochen beginnt die Erntezeit.

In den letzten zwanzig Jahren konnte Hermann Bayer immer auf Saisonkräfte aus Osteuropa zurückgreifen. Teilweise reisten die "Mitarbeiter auf Zeit" mit ihren Autos an oder kamen mit Bussen. Ein Großteil der rund 150 Saisonkräfte kommt aus Rumänien und Polen. Über 50 Prozent dieser Erntehelfer kommen jedes Jahr. Es entwickelten sich im Laufe der Zeit Freundschaften. Mittlerweile, so erzählt seine Ehefrau Claudia Bayer, sei schon die nachfolgende Generation in Bernsroth, um bei der Erdbeerernte mitzuhelfen. "Manche sind so etwas wie Familienmitglieder geworden!"

Auch in diesem Jahr will ein Großteil der ausländischen Mitarbeiter nach Bernsroth kommen. Jedoch fürchten diese Grenzkontrollen oder haben Sorge, sich mit dem Coranavirus zu infizieren. Die Busfahrer, die die Saisonkräfte nach Bernsroth bringen, befürchten nach ihrer Rückkehr in ihr Heimatland, sich einer zweiwöchigen Quarantäne unterziehen zu müssen. Daher wollen manche gleich zu Hause bleiben.

Für sie selbst als Arbeitgeber sei die Rekrutierung ihrer Erntehelfer in diesem Jahr ohnhein mit mehr Bürokratien verbunden. Beispielsweise müssten Passagierscheine vor der Einreise nach Bernsroth verschickt werden. Weiterhin müsse der Nachweis für eine ausländische Erntehelferversicherung, dies ist eine Art Krankenversicherung für ihren Aufenthalt in Deutschland, im Vorfeld verschickt werden. In all den Jahren zuvor wurde dieser Nachweis bei der Ankunft in Bernsroth ausgehändigt.

Seit Tagen telefoniert Hermann Bayer mit Kollegen, mit Spargel- und Gemüsebauern. Er weiß, dass viele in seinem Berufsstand die gleichen Probleme haben. "Wir laufen auf eine bedrohliche Situation zu", meint er. Womöglich müssen große Teile der Erdbeeren und Himbeeren auf dem Feld liegen bleiben.

Das gleiche könnte mit Spargel, sonstigem Gemüse und Salat passieren. Die Nahversorgung mit Lebensmitteln aus der heimischen Landwirtschaft wäre dann in den kommenden Monaten unterbrochen.

Hermann Beyer hat sich schon mehrmals mit Behörden in Verbindung gesetzt, sei es mit dem Landratsamt oder dem Bauernverband. Ein Patentrezept für die Lösung dieses Problems hat bisher keiner.

Dass die Bürger aufgrund der Corona-Krise ihre Erdbeeren verstärkt selbst pflücken, daran glaubt Bayer nicht. Durchaus hält er es für möglich, dass demnächst Regelungen kommen, wonach nur eine bestimmte Anzahl von Helfern und Selbstpflückern auf die Felder dürfen.

Flüchtlinge und Kurzarbeiter

Den Gedanken einiger Politiker, Flüchtlinge als Erntehelfer einzusetzen, bewertet Hermann Beyer dagegen als positiv. Er denke, dass eine Vielzahl von Flüchtlingen auch motiviert wäre, eine Arbeit aufzunehmen. Eventuell könnten sich ja auch Studenten oder Kurzarbeiter mit so einem Gedanken anfreunden, hofft er.

Die Bayers hoffen außerdem, Personal für die Verkaufsstände zu bekommen. Wie Claudia Bayer erklärte, sei man in den Verkaufshütten relativ sicher vor Corona. Zum einen sei man an der frischen Luft und es gebe keine Warteschlangen. Die geltenden Schutzvorschriften werden beachtet. Die Erdbeeren sind verpackt, es werden Desinfektionsmittel und Plexiglas zum Schutz angebracht.

Beide wünschen sich nun, dass nicht nur sie, sondern alle Obst- und Gemüsebauern ihre Ernte einbringen können. Es wäre sehr schade, wenn hochwertige Lebensmittel , die in der heimischen Landwirtschaft erzeugt werden, auf den Feldern verfaulen würden.

Wie der Pressesprecher aus dem bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Peter Issig, auf Anfrage erklärte, wolle man den landwirtschaftlichen Betrieben helfen, den Mangel an ausländischen Saison-Arbeitskräften abzumildern. Dabei verweist er unter anderem auf die vom Bundeskabinett am Montag beschlossenen Erleichterungen, wonach die 70-Tage-Regelung auf 115 Tage ausgeweitet werde, in denen kurzfristig Beschäftigte versicherungsfrei arbeiten könnten. Außerdem können Empfänger von Kurzarbeitergeld befristet bis Ende Oktober zusätzliches Einkommen bis zur Höhe des Nettolohns aus der eigentlichen Beschäftigung beziehen. Weiterhin wird die Hinzuverdienstgrenze bei Vorruheständlern in der gesetzlichen Rentenversicherung deutlich angehoben und in der Alterssicherung der Landwirte vollständig aufgehoben.

Kein Fall für Soforthilfe

Staatliche Hilfen, so Issig, stehen derzeit für die landwirtschaftliche Erzeugung noch nicht an, da sie noch nicht so akut betroffen ist wie andere Branche. Die in der vergangenen Woche vom bayerischen Wirtschaftsministerium aufgelegte Soforthilfe sei für Fälle gedacht, bei denen es um die Abwendung einer aus finanziellen, durch die Corona-Krise verursachten und bestehenden zwangsweisen Schließung von Unternehmen geht, nicht um eine etwaige Minderung oder einen Ausgleich von Umsatz- oder Gewinneinbußen. Berücksichtigungsfähig seien aber Betriebszweige wie Urlaub auf dem Bauernhof oder die Direktvermarktung.