Nach Familiendrama in Kirchehrenbach: Kann man Suizide verhindern?
Autor: Veronika Schadeck
LKR Kronach, Donnerstag, 09. Februar 2017
Wie kann es passieren, dass es eine Mutter als einzige Lösung sieht, sich und ihren Kindern umzubringen? Ein Experte erklärt, welche Hilfen es gibt.
Nur langsam sickerte die furchtbare Nachricht durch. Die Frau, die am Dienstag zusammen mit ihren Kindern tot in einer Wohnung in Kirchehrenbach aufgefunden wurde, stammt aus einer Gemeinde im Landkreis Kronach. In der Rennsteiggemeinde ist die 39-Jährige aufgewachsen, dort hat sie ihre Kindheit verbracht.
"Das ist so schlimm!" Betroffenheit herrschte auch im Rathaus in der Heimatgemeinde. Das Mitgefühl gelte den Angehörigen. Es soll eine nette und aufgeschlossene Familie gewesen sein. "Es ist alles so tragisch", so das Gemeindeoberhaupt.
Kann man Suizide verhindern?
Jetzt stellt sich die Frage, können Suizide verhindert werden? Wie soll man mit Gefährdeten umgehen und welche Hilfen gibt es für Betroffene und Angehörige? Nicht jeder Suizid ist vorhersehbar, so Michael Degen, Leiter der Fachdienste für seelische Gesundheit in Kronach. In manchen Fällen sind die Betroffenen fest entschlossen, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Sie sorgen dafür, dass Menschen in ihrer Umgebung davon nichts mitbekommen. Häufig jedoch suchen sie Hilfe in ihrem vertrauten Umfeld oder bei Therapeuten.Es gebe auch Menschen, die einen Suizid aus einer spontanen Überforderung heraus verüben, andere wiederum leiden chronisch an einer depressiven Verstimmung. Egal welcher Grund dahinter steht, Tatsache ist, dass der Betroffene mit einer Situation überfordert ist und diesem Zustand ein Ende setzen will. Die Ursachen, warum Menschen in eine vermeintlich ausweglose Lage kommen, können vielfältig sein, erklärt Degen. Es können seelische Verletzungen, chronische Stresssituationen, Enttäuschungen, Krankheiten oder schwere depressive Episoden daran Schuld sein.
Manchmal, so meint Degen, können Angehörige oder Mitbürger Anzeichen für eine Suizidgefährdung erkennen. Manche verändern ihr gewohntes Verhalten, kapseln sich teilweise von ihrer Umwelt ab. Helfen könne man, indem man aktiv das Gespräch mit ihm sucht, seine Sorge offen anspricht, einen Gefährdeten ernst nimmt, ihm zuhört, Geduld und Verständnis zeigt. Man sollte auch gemeinsam über weitere Schritte nachdenken, beispielsweise darüber, therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Auf jeden Fall, so Degen, muss man Hilfe anfordern, wenn jemand konkrete Planungen äußert. Bei akuter Gefahr könnten niedergelassene Ärzte, während der Behördenzeiten das Ordnungsamt im Landratsamt, und rund um die Uhr die Polizei helfen. Auch könne ein Betroffener selbst rund um die Uhr in der Notaufnahme im Bezirksklinikum Obermain in Kutzenberg Hilfe bekommen.
Bei latenter Suizidalität können sich die Betroffenen an den sozialpsychiatrischen Dienst und an die Telefonseelsorge wenden oder den Kontakt zu niedergelassenen Psychotherapeuten suchen.
Leider, so erklärt Degen, können manche Selbsttötungen nicht verhindert werden. Die Angehörigen sollten sich deshalb keine Vorwürfe machen. Das ist aber leichter gesagt, als getan. In der Regel würden Angehörige von Schuldgefühlen geplagt. Wie diese damit umgehen, oder überhaupt wie Menschen mit Problemen umgehen, hängt von deren Widerstandskraft ab. Bei der Frage, inwieweit die Gesellschaft beziehungsweise die Politik helfen könne, um die Zahl der Suizide zumindest zu minimieren, meint Degen, dass die Akzeptanz in der Gesellschaft gegenüber seelischen Krankheiten zunehmen müsste.
Leider nimmt diese in der Leistungsgesellschaft trotz aller Aufklärung eher ab.
Flächendeckender Krisendienst
Die Politik könnte helfen, indem sie einem flächendeckenden Krisendienst etabliert. Diesen gebe es in vielen bayerischen Gemeinden, besonders in den Ballungsräumen. In Oberfranken steht so eine Einrichtung leider nicht zur Verfügung. Bei einem flächendeckenden Krisendienst stünden auch in den Abendstunden Mitarbeiter zur Verfügung, die im Bedarfsfall und in einer Notlage zu den Betroffenen nach Hause kommen.
Anlaufstellen
Statistik Laut des Statistischen Bundesamtes gibt es in Bayern die meisten Suizide. Nach Zahlen des Bayerischen Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung verübten im Durchschnitt in 2011 deutschlandweit 12,3 pro 100 000 Bürger Selbstmord. In Bayern starben im gleichen Jahr 14,1 Personen pro 100 000 durch eigene Hand. Laut Bundesamt begehen bundesweit viel mehr Männer Selbstmord als Frauen. Insgesamt geht die Zahl an Selbstmorden zurück.
Hilfe Die Nummer der Telefonseelsorge ist die 0800/1110111 oder 0800/1110222.
Die Fachdienste für seelische Gesundheit in Kronach sind unter 09261/3055 zu erreichen und das Bezirksklinikum Obermain in Kutzenberg unter 09547/812226. vs