Druckartikel: Wenn das Ersparte weniger wird

Wenn das Ersparte weniger wird


Autor: Cindy Dötschel

Kronach, Montag, 13. Januar 2020

Im Oktober hat die VR Bank Fürstenfeldbruck Strafzinsen für ihre Neukunden eingeführt. Müssen die Kunden der Kronacher Banken um ihr Erspartes bangen?
Fotos: stock.adobe.com / Montage: Dagmar Klumb


"Whatever it takes" waren die drei Worte, mit denen Mario Draghis Rede auf einer Investorenkonferenz im Juli 2012 in die Geschichte einging. Der damalig Präsident der Europäischen Zentralbank versicherte, alles zu tun, um den Euro zu retten. "Seitdem setzt die EZB auf eine Niedrigzinspolitik", sagt Jürgen Möhrle, Generalbevollmächtigter bei der VR Bank Oberfranken Mitte.

Mittlerweile befinden sich die Zinsen sogar im negativen Bereich. "Wenn eine Bank Geld bei der EZB anlegt, wird seit September ein Strafzins von 0,5 Prozent fällig. Bei nur 10 000 Euro wären das auf das ganze Jahr gerechnet 50 Euro", erklärt Möhrle. Früher sei die Situation noch umgekehrt gewesen - Banken hätten für das Anlegen von Geld Zinsen bekommen. Mittlerweile müssen die ersten Banken Strafzinsen von ihren Kunden verlangen.

Keine Strafzinsen vorgesehen

Wie ein Sprecher des Genossenschaftsverbands Bayern bestätigte, berechnet die VR Bank Fürstenfeldbruck seit dem 1. Oktober 2019 für Neukunden ein Verwahrungsentgelt für Tages- und Festgeldkonten. Bestandskunden sind dem Sprecher zufolge nicht von der Neuregelung betroffen.

"Auf kurz- und mittelfristige Sicht schließe ich aus, dass unsere Kunden ebenfalls belastet werden müssen", betont Möhrle. Auf ewige Zeiten könne er die Einführung eines Strafzinses dennoch nicht ausschließen. Entscheidend dafür ist, dass es weiterhin Bargeld und verschiedene Banken gibt. "Sobald wir einen Strafzins einführen, werden die Kunden die Bank wechseln", schildert Möhrle die Situation. Das Bargeld könne bis zu einem gewissen Betrag ohne eine zusätzliche Versicherung in Schließfächern in der Bank aufbewahrt werden.

Im Fall, dass eine andere Bank in der Region unvermittelt einen Strafzins erheben würde, rechnet Möhrle mit einem Ansturm von Neukunden: "Wir werden definitiv nicht mit der Einführung eines Strafzinses anfangen. Im Fall, dass wir auf einmal viel Geld rein bekämen, müssten wir für die Neukunden allerdings Gebühren erheben." Auch Kunden der Sparkasse Kulmbach-Kronach haben keinen Grund zur Sorge. "Aktuell ist eine Einführung von Verwahrentgelten für Privatkunden bei der Sparkasse Kulmbach-Kronach nicht vorgesehen", sagt Marktvorstand Harry Weiß.

Trotz des Strafzinses bei der EZB sind Regionalbanken gezwungen, ihr Geld kurzzeitig bei der EZB anzulegen: "Wenn wir Überschüsse haben, beispielsweise nachdem ein Stromanbieter das Geld von allen Haushalten erhalten hat, müssen wir das Geld über Nacht anlegen". Längerfristige Anlagen scheiden dabei aus, weil das Geld zeitnah, unter anderem für die Zahlung der Gehälter, zur Verfügung stehen muss.

"Zinsen" als positives Wort

Möhrles Einstellung gegenüber der Einführung des Strafzinses ist eindeutig: "Der richtige Ausdruck wäre ,Verwahrentgelt‘, außerdem dürfte der Begriff gar nicht existieren", unterstreicht der 61-Jährige. Der Begriff "Zinsen" ist seiner Meinung nach ein positives Wort.

Früher waren sowohl die Zinsen als auch die Inflationsrate hoch. Heute sind beide Werte niedriger, die Situation hat sich insgesamt verschlechtert. "Bei einem Zinssatz von null Prozent und einer gleichzeitigen Inflationsrate von zwei Prozent ist das Geld nach einer Anlagezeit von 36 Jahren nur noch die Hälfte wert", weiß Möhrle.

Vor allem für die junge Generation hofft Möhrle, dass die Zinsen bald wieder steigen werden. "Sonst bleibt vom Ersparten kaum etwas für die Rente übrig", bedauert er. Die Zinsen einfach anzuheben, ist keine Option: "Die Folge wäre ein Finanzcrash, die Börsenkurse würden zusammenbrechen und Lebensversicherungen wären nichts mehr wert."

Günstigere Kredite sind nur eine Folge des Strafzinses

Die Gründe dafür, dass die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen drückt, sind wirtschaftlich. "Die geldpolitische Stimulierung der Wirtschaft ist derzeit erforderlich, weil Wachstum und Preisdruck im Euroraum gering sind", erklärt Stefan Ruhkamp, ein Pressesprecher der EZB, die momentane Situation.

Durch den negativen Einlagenzins für Banken wird zusammen mit anderen geldpolitischen Maßnahmen bewirkt, dass Unternehmen und private Haushalte günstig an Kredite kommen. "Das unterstützt Konsum und Investition und hat den Unternehmen im Euroraum geholfen, Millionen neuer Arbeitsplätze zu schaffen", berichtet Ruhkamp.

Eine Deflation verhindern

Dem Finanzexperten zufolge schafft die Geldpolitik so die Voraussetzung für eine stabile Wirtschaft und dafür, dass die Inflationsrate im Euroraum wieder nachhaltig auf das Niveau von knapp zwei Prozent steigt. "Eine Inflationsrate von und zugleich nahe zwei Prozent sieht die EZB im Einklang mit ihrem Preisstabilitätsauftrag."

Dass die EZB eine Inflationsrate von zwei Prozent anstrebt, erklärt Ruhkamp wie folgt: "Bei einer Inflationsrate von null Prozent wäre der Geldwert konstant. Sobald die null Prozent unterschritten werden, befinden wir uns allerdings in einer Deflation." Deshalb wird ein Abstand von zwei Prozent zur Nullrate angestrebt, denn bei einer Deflation wird die Wirtschaft ausgebremst: "Wer weiß, dass die Preise weiter fallen, schiebt Investitionen auf." Im Fall einer zu hohen Inflation könnten die Zinsen einfach so lange angehoben werden, bis die Wirtschaft ausgebremst wird. Bei einer Deflation dagegen würde sich die Regulierung deutlich schwieriger gestalten.

Freibetrag für Banken

Für die Banken ist der Strafzins eine Gewinneinbuße. "Die Profitabilität leidet und infolge kann es sein, dass weniger Kredite vergeben werden. Um diesen negativen Effekt zu verringern, haben wir den Banken einen Freibetrag eingeräumt", sagt Ruhkamp. Jede Bank muss eine Mindestreserve von einem Prozent aller Einlagen der Sparer bei der EZB halten. Der Freibetrag, für den die Banken keinen Strafzins zahlen müssen, beträgt das Sechsfache der jeweiligen Mindestreserve. cd

0,5 Prozent

Strafzinsen werden für Banken fällig, die ihr Geld bei der Europäischen Zentralbank anlegen.