Druckartikel: "Was wollen die Russen essen?"

"Was wollen die Russen essen?"


Autor: red

LKR Kronach, Sonntag, 10. August 2014

Der von der russischen Regierung verhängte Importstopp für bestimmte Lebensmittel könnte sich auch für die Landwirte im Kreis Kronach negativ bemerkbar machen. Kreisobmann Erwin Schwarz denkt auch an die Betroffenen.
BBV-Kreisobmann Erwin Schwarz (links) tauscht sich mit seinen Kollegen im Landkreis auch über die möglichen Auswirkungen der russischen Maßnahmen aus.


Der russische Präsident hat Ernst gemacht und die Sanktionen der USA und der EU gegen sein Land nun mit einer Gegenmaßnahme beantwortet, die nicht nur für globales Aufsehen sorgt, sondern auch im Landkreis Kronach mit Interesse verfolgt wird und Fragen aufwirft.
Erwin Schwarz aus Burggrub ist seit zwei Jahren Kreisobmann des bayerischen Bauernverbandes (BBV) für den Landkreis Kronach. In dieser Funktion unterstützt er die ca. 800 landwirtschaftlichen Betriebe im Landkreis bei der Öffentlichkeitsarbeit und vertritt sie bei der politischen Meinungsbildung. Da er selbst einen Milchviehbetrieb mit ca. 180 Milchkühen hat und darüber hinaus auch Vorstandsmitglied bei den Milchwerken Oberfranken West ist, kann er einschätzen, wie sich die russischen Sanktionen auswirken könnten.
"Als die Zeiten noch einigermaßen unproblematisch waren, gingen schätzungsweise zehn Prozent unseres Milchabsatzes nach Russland", erzählt

der 53-Jährige. "Aber seit ein paar Jahren, in denen sich das Verhältnis Putins zu Deutschland und auch zu Bayern ein bisschen verschlechtert hat, geht da eigentlich fast gar nichts mehr." Mit sehr viel Willkür, so Schwarz weiter, die sich hauptsächlich in extremen Exportauflagen widerspiegelte, seien letztendlich die Lieferbeziehungen fast zum Stillstand gekommen. Weiterhin wurden vor allem Schweinefleisch und Zuchtvieh exportiert. Getreide werde eigentlich gar nicht exportiert, so Schwarz.

Stabile Gesamtsituation

Was bedeutet nun also Putins Maßnahme für die einheimischen Landwirte? Erwin Schwarz hält nichts von Panikmache. "Alle Produkte, die bisher nach Russland gegangen sind, brauchen möglichst schnell neue Absatzmärkte. Das wird nicht so einfach sein, weswegen aufgrund des größeren Angebots die Preise fallen werden. Das ist letztendlich auch das, was die Landwirte direkt treffen wird." Erwin Schwarz kann nicht in die Zukunft blicken, aber er ist erfahren genug, um beim Milchpreis einen möglichen Rückgang von fünf bis sieben, beim Fleisch möglicherweise zehn Prozent zu prognostizieren. Dass sich daraus Existenz gefährdendes Potenzial ergebe, glaubt er eher nicht. "In der Landwirtschaft", so erklärt er, "sollte man immer so das Mittel über drei bis fünf Jahre im Blick behalten. Speziell die vergangenen beiden Jahre mit sehr guten Preisen für Milch, Getreide und Fleisch waren da enorm wichtig. Und wie in anderen Industrien auch, sollte sich damit ein schlechteres Jahr eigentlich wegstecken lassen." Außerdem seien viele Betriebe von ihrem landwirtschaftlichen Spektrum her so gut aufgestellt, dass dies gut aufgefangen werden könne.
Neben der Frage, ob die Folgen des Importstopps für die Region vielleicht doch gravierender sein könnten, als er dies im Moment vermutet, beschäftigt Erwin Schwarz noch etwas anderes: "Unter dem Strich, wenn man einfach mal alles Übrige außer Acht lässt, muss man sich doch fragen: Was will Putin seinen Landsleuten denn in Zukunft zu essen geben? Mir tun die Menschen dort wirklich sehr leid. Glaubt er den wirklich, er könne jetzt innerhalb von ein paar Wochen oder Monaten in Russland eine florierende Fleisch-, Zuchtvieh- oder Milchwirtschaft aufbauen?"

Strenger Winter steht bevor

Schwarz glaubt, dass das nicht möglich sein wird und in wenigen Monaten muss vor allen Dingen in Russland wieder mit einem strengen Winter gerechnet werden, der die dann auftretenden Notsituationen bei der Versorgung mit Lebensmitteln noch einmal verschärfen dürfte. "Putin hat sich bewusst für Getreide, Fleisch und Milch entschieden. In der Landwirtschaft hast du eben feste Produktionszyklen, die du nicht einfach mal mit Kurzarbeit oder Ausstellungen reduzieren kannst. Da muss es immer weitergehen und deswegen glaubt er auch, uns da am ehesten und härtesten treffen zu können. Wenn er für seinen Kurs weiterhin Unterstützung haben will, muss er der Bevölkerung vor allen Dingen eines geben - und das sind Lebensmittel! Wenn er das über einen gewissen Zeitraum nicht mehr schafft, kann sein Plan auch nach hinten losgehen und das Pulverfass, auf dem er meiner Meinung nach sitzt, explodieren."