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Was bewirkt Schulz im Kreis Kronach?


Autor: Ronald Heck

LKR Kronach, Freitag, 10. Februar 2017

Martin Schulz' Kanzlerkandidatur sorgt für ein Stimmungshoch bei den Sozialdemokraten. Auf Parteieintritte kann der SPD-Kreisverband bislang nur hoffen.
Gibt es den Schulz-Effekt im Kreis Kronach? Thilo Moosmann vom SPD-Kreisverband hofft, dass mehr Menschen ein Parteibuch wollen.  Foto: Ronald Heck


"Die Sozis gehen wieder mit einem Grinsen durch die Stadt", sagt Thilo Moosmann vom SPD-Kreisverband Kronach. Dass Martin Schulz jetzt offiziell Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten ist, sei im Kreisvorstand durchweg positiv aufgenommen worden. Bundesweit bescherte Schulz der SPD einen deutlichen Mitgliederzuwachs. Doch merkt man den "Schulz-Effekt" auch im Landkreis?

Deutschlandweit gab es eine deutliche Eintrittswelle. Nachdem bekannt wurde, dass Schulz kandidiert, sind mehr als 1300 Menschen deutschlandweit in die SPD eingetreten. Nach Parteiangaben kommen "Hunderte" Eintritte bei den Landesverbänden dazu. Dennoch verharren die Mitgliederzahlen im Tief: 2016 gab es rund 436 000 SPD-Mitglieder, vor zehn Jahren noch 560 000.


Viele Online-Eintritte

In Oberfranken zählt die Partei 60 Neueintritte seit dem 1. Januar. "Das ist der Wahnsinn für die SPD", sagt Kreisgeschäftsführer Moosmann. 37 davon wurden seit der Nominierung von Schulz registriert. Über die Hälfte der neuen Mitglieder kommt aus Bamberg, gefolgt von Bayreuth. Alle 37 Neueintritte erfolgten online und es seien überwiegend Jüngere gewesen, die nach 1970 geboren sind. "Das hängt damit zusammen, dass das Unistädte sind", meint Moosmann.

Im Landkreis Kronach ist heuer bisher niemand neu in die SPD eingetreten. Der Kreisverband zählt aktuell 1098 Mitglieder. Online-Eintritte seien bei ihnen eher selten, sagt Moosmann: "Bei uns läuft das noch eher klassisch. Die Leute werden angesprochen, bekommen ein Formular in die Hand gedrückt und wir geben das dann weiter." Der Parteieintritt dauert dadurch länger.


Stetiger Mitgliederschwund

Er hofft, dass der Schulz-Effekt verspätet eintritt, rechnet aber nicht damit, dass er so deutlich wie in Bamberg ausfällt. Bisher hätten zwei Personen bei Ortsvereinen im Kreis Interesse an einem Parteieintritt signalisiert.
Grundsätzlich gehen auch bei der Kronacher SPD die Mitgliederzahlen zurück. 2016 gab es sechs Neueintritte und fünf Austritte. Aber der Kreisverband verzeichnete 20 Todesfälle. Diese negative Tendenz gibt es in ganz Oberfranken. Der Grund für den Rückgang liege auch daran, dass immer weniger Menschen bereit seien, sich langfristig politisch zu engagieren, meint der SPD-Kreisvorzitzende Ralf Pohl.

Zum Vergleich: Die CSU-Frankenwald zählte im Dezember 1304 Mitglieder. In den Jahren vor 2015 haben aber auch die Christsozialen im Kreis Kronach rund 50 Mitglieder verloren, erklärt der Landtagsabgeordnete Jürgen Baumgärtner (CSU). "Natürlich schlägt auch hier der demografische Faktor durch", sagt der CSU-Kreisvorsitzende. Auch Baumgärtner findet, dass es schwieriger wird, junge Leute für eine Parteimitgliedschaft zu begeistern. Durch den allgemeinen gesellschaftlichen Wandel werde die Bindung an die Parteien geringer.

 
Wende oder Strohfeuer?

In den neuesten Umfragen setzt die SPD mit Kanzlerkandidat Martin Schulz ihre Aufholjagd fort: Laut dem Meinungsforschungsinstitut Forsa kommen die Sozialdemokraten diese Woche auf 31 Prozent und liegen damit nur noch drei Prozent hinter der CDU/CSU. "Natürlich sind solche Umfragewerte immer auch mit Vorsicht zu genießen. Doch von diesem Schub können wir natürlich auch vor Ort profitieren", findet Thilo Moosmann.

Obwohl Schulz bislang nicht zu Neueintritten geführt hat, freut sich Ralf Pohl über den Kanzlerkandidaten. Von den Parteigenossen in der Region habe er sehr postive Resonanz bekommen. "Martin Schulz hat die Stimmung in der Partei merklich verbessert. Wir profitieren auf jeden Fall von diesem Schwung", sagt Ralf Pohl. "Der Schulz-Effekt, wenn es denn einen gibt, ist sicherlich nur ein Strohfeuer", entgegnet CSU-Mann Baumgärtner.
Thilo Moosmann hofft, dass Schulz auch konkret Einfluss auf den Wahlkampf der SPD in der Region nimmt: "Ganz pragmatisch: Kriegen wir den Martin Schulz und wo kriegen wir ihn hin? - Das wissen wir einfach noch nicht."
 


Kommentar: Schulz-Effekt verpufft

 

von Ronald Heck
Martin Schulz ist nicht der Heilsbringer für die SPD - in der lokalen Politik erst recht nicht. Er ist ohne Zweifel ein charismatischer Politiker, der Volksnähe und Aufbruchsstimmung verkörpert. Danach sehnen sich zurzeit viele Menschen, das zeigen die Umfragen. Doch der Hype verpufft angesichts des Mitgliederschwundes. Sowohl der SPD als auch der CSU sterben im Frankenwald schlicht die Mitglieder weg. Auch heute wollen sich (junge) Bürger politisch engagieren, doch die Volksparteien wirken zu altbacken und verkrustet. Eine Verjüngungskur stünde den Kreisverbänden jedenfalls gut zu Gesicht.