Druckartikel: Wallenfels im Winter 1898

Wallenfels im Winter 1898


Autor: Gerd Fleischmann

Wallenfels, Freitag, 02. Februar 2018

Eine 120 Jahre alte Ansichtskarte zeigt die Flößerstadt in winterlicher Landschaft - eine postalische Rarität und ein Glücksfall für Heimatfreunde.
Vor 120 Jahren entstand diese aussagestarke Lithographie-Ansichtskarte vom ehemaligen Marktflecken Wallenfels in winterlicher Landschaft. Repro: Gerd Fleischmann


Vor 120 Jahren entstand bei der Firma August Heinecke aus Rudolstadt eine faszinierende Lithographie-Ansichtskarte von Wallenfels. Das Außergewöhnliche an diesem postalischen Dokument - farblich gut abgestimmt - ist die winterliche Landschaft, die der unbekannte Künstler meisterhaft dargestellt hat.


Wahre Kunstwerke

Mit erheblichem Zeitaufwand und einer bemerkenswerten Detailgenauigkeit hat der unbekannte Künstler ein einzigartiges Dokument von Wallenfels geschaffen. Und diese Darstellung zu dieser Jahreszeit hat absoluten Seltenheitswert. Denn winterliche Lithographie-Darstellungen sind äußerst selten. Interessant ist aber auch, dass erst zwei Jahre zuvor die Chromolithografie entwickelt wurde. Durch diese Erfindung konnte man nun bunte Postkarten herstellen, was einen bemerkenswerten Boom dieser Nachrichtenübermittlung zur Folge hatte. In jener Zeit entstanden wahre Kunstwerke, die heute hoch gehandelt werden und unter Sammlern sehr begehrt sind.

Von Wallenfels aus, das 1903 immerhin schon 1800 Einwohner zählte, wurde die Postkarte nach Bayreuth an den "Wohlgeborenen Herrn J. Schödel, Landgerichtsbeibote", verschickt. Aus diesem lieben Gruß ist ein bemerkenswertes Dokument der reichen Wallenfelser Ortsgeschichte geworden. Schließlich blickt das Flößerstädtchen, das 1998 seine erste urkundliche Erwähnung vor 750 Jahre feierte, auf eine wechselhafte Entwicklung mit vielen Höhen und Tiefen zurück.

Heute beherbergt die Kerngemeinde Wallenfels an die 2100 Einwohner. Dazu kommen noch nach der Gebietsreform in den 70er-Jahren unter anderem Neuengrün, Schnaid und Wolfersgrün.


Felder und Wiesen statt Wald

Die Postkarte von 1898 beweist allerdings recht deutlich, dass sich schon damals entlang der Wilden Rodach ein stattliches Gemeinwesen etabliert hat, das vor allem vom Wald, von der Flößerei und von seinen elf Mühlen gelebt hat. Über dem Ort thront majestätisch die katholische Pfarrkirche St. Thomas, von 1861 bis 1869 unter großen Opfern der Bevölkerung erbaut. Oberhalb des seinerzeitigen Marktfleckens befanden sich Felder und Wiesen. Heute wird Wallenfels von Wäldern umrahmt.

Die Einführung der Postkarte war gar nicht so selbstverständlich, wie das heute erscheinen mag. Es gab zunächst schwerwiegende juristische Bedenken. Man fürchtete, Postboten, Kinder oder das Dienstpersonal könnten die offenen Karten lesen.

Während des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 bewährte sich die Postkarte erstmals als bedeutsames Kontaktmittel zwischen Soldaten und Angehörigen. Bis Ende 1870 schickten die deutschen Soldaten mehr als drei Millionen Karten in die Heimat. Ab 1896 entstanden wahre Kunstwerke, die heute unter Heimatforschern sehr gefragt sind, bilden sie doch einen informativen Blick in die Vergangenheit der kommunalen Entwicklung.


Könner aus dem Frankenwald

Einer der ganz großen Könner bei der Postkartenherstellung im Frankenwald war der Kronacher Fotograf Johann Friedrich Schmidt, der im Jahre 1922 verstorben ist. Der Pionier der Bildreportage in heimischen Gefilden hinterließ ein reiches Erbe. Denn mit den uralten Postkarten erlebt man längst vergangene Zeiten durch die Brille der Zeitgenossen, denen alles bedeutsam und sehenswert erschien.

Wer sich in die Betrachtung dieser seltenen Ansichtskarten vertieft, wird die lärmende und vielfach hektische Gegenwart sicherlich ein bisschen vergessen. Eindrucksvoller und anschaulicher als es moderne Fotos vermögen, strömt aus den Lithographie-Ansichtskarten ein eigentümlicher Zauber, wie er in unserer nüchternen Welt abhanden gekommen ist. Die Wallenfelser Postkarte - in hervorragender Qualität 1898 entstanden - mit ihrer stimmungsvollen winterlichen Landschaft, ist für die Heimatfreunde und Geschichtsforscher ein Glücksfall.

Möglicherweise einige Monate vorher wurde eine Lithographie-Ansichtskarte, allerdings farblos, den Wallenfelsern angeboten. Markant erscheint vor allem die Schlosskapelle, im Jahre 1904 abgerissen. Ob farbig oder nicht: Die Heimatfreunde des Flößerstädtchens können sich über diese beiden wertvollen Zeitdokumente glücklich schätzen.