Vor Wiedereröffnung: Mit diesen Problemen haben zwei Mitwitzer Wirtinnen zu kämpfen
Autor: Bastian Sünkel
Mitwitz, Freitag, 15. Mai 2020
Ab Montag öffnen die Biergärten, doch die Wirte stehen vor einem Berg Fragen. Im oberfränkischen Mitwitz sperrt das Hotel Wasserschloss die Terrasse auf, der Steinerne Löwe bleibt geschlossen. Die Wirtinnen berichten von den Hindernissen
Annette Meusel klappt nicht gern ihre Stühle hoch. "Ich mag die Botschaft einfach nicht", sagt die Inhaberin des Steinernen Löwen in Mitwitz. Die Botschaft versteht in Franken ein jeder: Stühle stehen auf ihren Beinen - der Biergarten ist geöffnet. Stühle lehnen am Tischrand - kein biergartenseliges Rumhocken.
Die Wirtin hat deshalb einen Kompromiss für sich und ihre Familie gefunden. Drinnen in der Stube liegen Decken auf den Tischen, und alles sieht so aus, als warte sie nur noch auf ihre Gäste. Doch der Anblick täuscht. Annette Meusel und ihr Mann haben ausgemessen, Stühle gerückt und sich dann dazu entschieden, den Biergarten am Montag noch nicht zu öffnen. "Der Aufwand wäre einfach enorm", erklärt die Wirtin, während sie einen Stuhl auf die Beine stellt und aus dem Corona-Alltag ihrer Gastro-Familie berichtet.
Da gab es zum Beispiel den 1. Mai, sagt die Wirtin. Ein gelbes Rechteck aus Kaiserhof-Kästen erinnert noch daran. Sie habe damit gerechnet, dass am Tag der Arbeit ein paar Gäste an ihrem Wirtshaus vorbeiwandern werden und hat improvisiert. Die Kästen dienten als Absperrungen, von der Gemeinde erhielt sie ein paar Einbahnstraßenschilder und mit "Abstand halten!"-Zurufen an ihre Gäste war das Bier-To-Go immerhin an diesem Tag im Steinernen Löwen gesichert. "Das sah aus wie ein Parcour", so beschreibt die Wirtin ihren Hinterhof. Einige Gäste hätten sogar beim Anstehen Fitnessübungen gemacht. Auch an Mariä Himmelfahrt will sie für die Vatertagswanderer wieder Kästen stapeln und verrücken und die Schilder noch einmal aufstellen - doch im Biergarten auf der anderen Seite des Hauses werden die Stühle vorerst weiter hochgeklappt und unbesetzt bleiben.
Normalerweise passen bis zu 120 Gäste in den Außenbereich vor den Gasthof mit dem roten Fachwerk. Coronamaßnahmen-bereinigt sind es noch 35 Plätze, zählt Annette Meusel zwischen den Biertischen. Wenn jemand allein kommt, darf bereits keine weitere Person an den Tisch. Sie rechnet damit, dass bis zu 25 Gäste im Biergarten realistisch sind - doch dann beginnt für sie, ihre Familie und die Servicekräfte erst die Arbeit.
Bis Donnerstagnachmittag hat der Bayerische Hotel- und Gaststättenverband noch keinen Leitfaden für die Außenbewirtung in Corona-Zeiten herausgegeben. Gerade der Gastronomieverband und die Staatsregierung stehen im Blickfeld des krisengeschüttelten Wirtschaftssektors - und die Wirte haben Fragen. Annette Meusel fragt sich zum Beispiel, welches Personal sie für den unterbesetzten Biergarten benötigt. Jemanden, der die Plätze zuweist und von den Gästen die Namen notiert? Toilettenservice, eine Klofrau? Auch auf dem stillen Örtchen muss Ordnung herrschen und desinfiziert werden. Genauso wie die Tische und Stühle, sobald sich eine Gruppe verabschiedet. Wer kontrolliert das?
Kurzum: Annette Meusels Biergarten bleibt geschlossen bis Aufwand und Ertrag in einem tragbaren Verhältnis stehen. Solange, sagt sie, komme ihre Familie über die Runden. Das Gasthaus sei in Familienhand, sie müsse keine Miete zahlen, und auch das Abholen der Speisen zu Mittag und am Abend habe sich gut eingespielt. "Das hält uns über Wasser."
Den freien Tag habe der Steinerne Löwe abgeschafft, und die Familie arbeitet in Minimalbesetzung, sie selbst normalerweise acht Stunden am Tag. "Wir müssen uns trotzdem durchkämpfen", sagt Annette Meusel. Ihre Stammgäste haben auf die Entscheidung unterschiedlich reagiert, berichtet die Wirtin. Einige haben es akzeptiert, andere nicht. Das halte sich die Waage. Für sie geht durch die Maßnahmen ein entscheidender Biergarten-Faktor verloren: "Die Geselligkeit fehlt." Die ende schon dann, wenn die Kartrunde nicht mehr aus einem Maßkrug trinken darf.