Druckartikel: Vor 100 Jahren wurden die Kinder "bewahrt"

Vor 100 Jahren wurden die Kinder "bewahrt"


Autor: Susanne Deuerling

Steinwiesen, Dienstag, 20. Mai 2014

Der Steinwiesener Kindergarten feiert sein rundes Jubiläum am 24. und 25. Mai. Sylvia Bayerkuhnlein erzählt über ihre Arbeit in den 60er-Jahren im Kindergarten.
Steinwiesener Kindergartenkinder im Jahr 1918 Fotos: Archiv/Heimatmuseum/Deuerling


100 Jahre Kindergartengeschichte sind hunderte von Einzelgeschichten. Es sind Schicksale, die mit einer Einrichtung verknüpft sind, die heute aus dem gesellschaftlichen Leben nicht mehr weg zu denken ist. Wie der heutige Kindergarten aussieht, hätte sich am 29. März 1914 niemand vorstellen können. Damals wurde auf Anregung von Pfarrer Konrad Herrmann ein "Verein zur Gründung einer Kleinkinder-Bewahranstalt" ins Leben gerufen, dem sofort 40 Mitglieder beitraten.

Am 1. Mai 1914 war es dann soweit, die "Kleinkinderbewahranstalt" nimmt ihre Arbeit auf. Eingezogen sind sie in das damalige Mädchenschulhaus, dem jetzigen Rathaus des Marktes Steinwiesen. Zu diesem Zweck wurde auch Schwester Maria Euthalia Fichtner von den armen Schulschwestern aus München nach Steinwiesen geschickt, um die Kinder zu betreuen.

Elektrisches Licht ab 1928

Ein Höhepunkt in den folgenden Jahren war im Sommer 1928 das elektrische Licht, das installiert wurde. Lange währte diese Freude nicht, musste die Kinderbewahranstalt doch umziehen. 1930 ging es in das heutige Anwesen Kirchplatz 3, dem alten Schulhaus, in dem der Zahnarzt Dr. Havelka ab den 70er Jahren lange Jahre seine Praxis hatte.

Auch von Seiten des Personals änderte sich viel. Am 26. März 1931 wurde der Kindergarten aus finanziellen Gründen von den Oberzeller Krankenschwestern übernommen, die seit 1929 eine Krankenstation im alten Schulhaus eingerichtet hatten. Doch dies waren alles unsichere Unterkunftsmöglichkeiten sowie für die Krankenschwestern als auch für den Kindergarten.

Da war es gut, dass das Haus, das heute von Bürgermeister Gerhard Wunder bewohnt wird, 1929 von der politischen Gemeinde Steinwiesen gekauft und am 15. Februar 1935 an die katholische Kirchenstiftung weiterverkauft wurde. Träger war damals der St. Vinzenzverein, der das Haus 1935/36 umbaute und so eine sichere Bleibe für die Kranken- und Pflegeschwestern sowie für den Kindergarten schuf.

Aus der Zeit des zweiten Weltkriegs ist nur bekannt, dass die Schwestern in all den Jahren still und segensreich wirkten.

Doch die Ansprüche der Menschen und die Vorschriften der Ämter wuchsen immer mehr, sodass die katholische Kirchenstiftung 1959 beschloss, am Fuße des Pfarrberges einen neuen modernen Kindergarten zu bauen. Unter Pfarrer Martin Bayer wurde am 19. Dezember 1959 Richtfest gefeiert und am 16. Oktober 1960 war die Einweihung. Die Kosten damals beliefen sich auf 180 000 DM, entspricht heute etwa 90 000 Euro.

Es war ein großräumiger Kindergarten mit kindgerechten Toiletten, Schlafsaal und einem großen Garten. Im Untergeschoss war die Pfarrbücherei untergebracht und das Haupthaus war das Schwesternwohnhaus mit Krankenstation.

Von 7 bis 17 Uhr

Sylvia Bayerkuhnlein war damals von 1964 bis 1967 als Kinderpflegerin dort tätig. Sie erinnert sich noch gerne an die Zeit zurück. "Zusammen mit Schwester Dietfrieda hatten wir zeitenweise 100 bis 120 Kinder zu betreuen. Schon ab 7 Uhr waren die Kinder da, bis 11 Uhr, Mittag wurde zuhause gegessen. Um 13 Uhr ging es weiter bis 17 Uhr", sagt "Tante Sylvia". Sie hatten sie alle gern, besonders die kleinen Jungs, die wollten ihre "Tante Sylvia" immer alle heiraten.

Sie hatte meistens eine Gruppe mit 40 Kindern, früh wurde gespielt, um 9 Uhr aufgeräumt und dann gab es jeden Tag was anderes, einmal wurden Geschichten vorgelesen, über Gott gesprochen und Lieder gelernt.

Es gab auch Märchenstunden und Gedichte wurden für Festtage auswendig gelernt. Beim Malen übte man auch schon mal das Schreiben, an einer extra Vorrichtung das Binden der Schnürsenkel, aber alles im spielerischen Rahmen.

"Stolz waren wir auf unseren großen Garten mit dem Klettergerüst und dem Sandkasten. Spazieren gingen wir gerne zum Pfarrberg hinauf, da konnten sich die Kinder austoben", erzählt die ehemalige Betreuerin.

Es war schön arbeiten damals zusammen mit der Kindergartenschwester, die nie die Chefin spielte. Viel Arbeit hatten die beiden zu bewältigen. Wenn die Kinder weg waren, kam das Putzen und Aufräumen. Am Samstag wurde der ganze Kindergarten gründlich sauber gemacht und die kleinen Tische hübsch dekoriert.

"Schwester Dietfrieda legte sehr großen Wert auf Sauberkeit. Und dabei hatten wir am Samstag noch die Kinder der Geschäftsleute bei uns, bis die Geschäfte geschlossen haben", sagt Sylvia Bayerkuhnlein. "Bei uns haben die Kleinsten am Nachmittag noch geschlafen, gab extra kleine Bettchen", weiß sie noch zu berichten.

Die Kinder kamen mit drei Jahren in den Kindergarten und die Kosten lagen bei 8,50 DM im Monat (rund 4,25 Euro), beim zweiten Kind weniger und das dritte Kind war frei.

Schwestern gingen 1975

Am 24. Juni 1975 endete auch die Ära der Kranken- und Kindergartenschwestern. Nach 75 Jahren verließen sie Steinwiesen und gingen zurück ins Mutterhaus nach Oberzell.

Seit dieser Zeit ist die Einrichtung mit weltlichen Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen besetzt, steht aber nach wie vor unter kirchlicher Trägerschaft. Lange war es ruhig in und um den Kindergarten St. Marien. Unter der Regie des damaligen Pfarrers Geistlichen Rat Hans Böhlein und des Architekten Jörg Detsch wurden 1995 die Planungen für einen neuen Kindergarten begonnen.

Gut 2,3 Millionen DM haben Kirche, Gemeinde und der Freistaat Bayern für den Nachwuchs in Steinwiesen aufgewendet. Am 19. Oktober 1997 wurde der Kindergarten vom damaligen Domvikar Prälat Alois Albrecht eingeweiht.

Zweite Ebene eingebaut

Um mehr Platz zu haben, wurde im Herbst 2003 eine zweite Ebene in die drei Gruppenräume eingebaut. Kleinkindgruppe und Krippengruppe waren ab 2008 die Schlagworte und nach vielen intensiven Verhandlungen wurde am 9. Dezember 2011 die Einweihung des Anbaus mit Schlaf- und Wickelräumen für die Krippengruppe durch Pfarrer Richard Reis erfolgen.

Als vorläufig letzter Akt im Steinwiesener Kindergarten wird die Einweihung der neuen Gruppenräume für die "Ameisen" am 15. Juni 2013 angesehen.

Es war ein langer Weg von 1914 bis ins Jahr 2014, viel wurde geschaffen und geändert. Aber eines ist immer noch geblieben - Kinder, die gerne spielen und (hoffentlich) auch gerne in "ihren" Kindergarten gehen.

Das Festprogramm am 25. Mai

9.45 Uhr
Kirchenparade ab Gasthof "Goldener Anker"; 10 Uhr Festgottesdienst, anschließend Kirchenparade zur Kulturhalle, Frühschoppen mit dem Musikverein Steinwiesen; 11 bis 13 Uhr Der Kindergarten für Besichtigungen geöffnet; 12 Uhr Mittagessen in der Kulturhalle; ab 13 Uhr Korbflechten für Kinder, Kuscheltierbastelabenteuer, AOK bietet Fruchtspieße usw. an; 13.30 Uhr Zaubervorstellung von Charly Heppt; 15 Uhr Aufführung der Kindergartenkinder zum Thema "Früher & Heute".