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Volle Auftragsbücher im Handwerk


Autor: Veronika Schadeck

Kronach, Montag, 01. August 2016

HWK-Hauptgeschäftsführer Thomas Koller und Kreis-Handwerksmeister Heinrich Schneider informierten über die aktuelle Situation im Handwerk.
HWK-Hauptgeschäftsführer Thomas Koller (links) und Kreis-Handwerksmeister Heinrich Schneider blicken optimistisch in die Zukunft des Handwerks.  Foto: Marian Hamacher


Das Handwerk ist krisensicher aufgestellt. Mitarbeiter sind gesucht. Der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für Oberfranken, Thomas Koller, und Kreishandwerksmeister Heinrich Schneider blicken optimistisch nach vorne. Im Interview sprechen beide auch über Azubis, Digitalisierung und Flüchtlinge im Handwerk.

Wie ist das Handwerk im Landkreis Kronach aufgestellt?
Thomas Koller: Im Landkreis Kronach gibt es 1155 Handwerksbetriebe mit 5700 Beschäftigten in 130 verschiedenen Handwerksberufen.

Wie ist die aktuelle Auftragslage?
Thomas Koller: Es herrscht eine positive Stimmung im Bezirk Coburg/Kronach/Lichtenfels.

54 Prozent der Handwerksbetriebe sprechen von einer guten Auftragslage, 37 Prozent halten diese für befriedigend und nur 8,5 Prozent bezeichnen diese als schlecht.
Heinrich Schneider: Vor allem im Bau- und Metallbereich gibt es volle Auftragsbücher. Manche Aufträge können erst 2017 in Angriff genommen werden. Und auch im Kfz- und im Nahrungsmittelbereich kann man von einer soliden Auftragslage sprechen.
Koller: Nachgelassen hat es im Friseurhandwerk. Hier findet ein großer Konkurrenzkampf statt.

Worauf führen Sie die gute Auftragslage zurück?
Koller: Dafür gibt es drei Gründe, nämlich die gute Konjunktur in Deutschland, das niedrige Zinsniveau und die Energiewende. Jeder Hausbesitzer beziehungsweise Gewerbetreibende legt auf Energieeffizienz an seinen Gebäuden Wert.

Wie sieht es denn mit Fachkräften beziehungsweise mit dem Nachwuchs aus. Überall wird geklagt, dass sich nicht genügend Bewerber für Ausbildungsplätze melden?
Heinrich Schneider: Fachkräfte und Auszubildende zu finden, ist in der Tat schwierig. 2016 konnten wir im Landkreis Kronach insgesamt lediglich 27 junge Menschen freisprechen. Letztes Jahr waren es immerhin noch 50 und vor einigen Jahren waren es um die 200.
Thomas Koller: Der Kampf um die besten Köpfe hat nicht zuletzt aufgrund der demografischen Entwicklung begonnen. Im Jahre 2007 haben in Oberfranken 11 970 Heranwachsende die Schule verlassen, aktuell liegen wir bei 11 080. Im Jahre 2015 werden es nur noch 8840 Schüler sein.

Was macht das Handwerk, um junge Leute für das Handwerk zu begeistern?
Thomas Koller: Es laufen seitens des Handwerks seit sechs Jahren bundesweit Werbekampagnen, die von den Mitgliedern - diese sind in 53 Handwerkskammern integriert - finanziert werden. Es gibt vier Bildungszentren in Oberfranken, in denen Berufsmessen des Handwerks stattfinden. Zudem werden Handwerkspaten an Schulen eingesetzt.
Heinrich Schneider: In den letzten Jahren ist zudem die Ausbildungsvergütung deutlich gestiegen.

Sind diese Anstrengungen ausreichend?
Thomas Koller: Diese Maßnahmen tragen jedenfalls dazu bei, den Jugendlichen das Handwerk näher zu bringen und schmackhafter zu machen.
Heinrich Schneider: Man muss den potenziellen Bewerbern ins Bewusstsein rücken, dass man im Handwerk durchaus Karriere machen kann. Beispielsweise vom Lehrling, über den Gesellen zum Meister oder Techniker. Oder man kann parallel zur Lehre auch sein Abitur machen und danach studieren.
Warum lohnt es sich, einen Handwerksberuf zu ergreifen?
Thomas Koller: Es gibt Berechnungen, wonach ein Handwerksmeister in seinem Leben 1,9 Millionen Euro verdient, ein Hochschulabsolvent zwei Millionen. Also der Unterschied ist minimal.

Wie ist denn Situation bei den Bewerbern?
Thomas Koller: Der Anteil an Realschülern und Abiturienten steigt. So kamen einst ein Drittel der Lehrlinge aus Realschulen und nur 4,5 Prozent waren Gymnasiasten. Diese Zahlen haben sich jetzt dahingehend geändert, dass etwa die Hälfte der Bewerber Mittlere Reife und zehn Prozent ein Fachabitur beziehungsweise Abitur vorweisen können.

Welche Rolle können Asylbewerber vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels spielen?
Thomas Koller: Flüchtlinge werden dieses Problem nicht lösen. Aber: Die Handwerkskammer Oberfranken leistet ihren Beitrag zur Integration. So wurden zwei Mitarbeiter bei der Handwerkskammer Oberfranken eingestellt. Sie stehen mit den Betrieben in Kontakt und versuchen, junge Flüchtlinge in Ausbildung zu bringen.

Welche Herausforderungen hat das Handwerk in den nächsten Jahren zudem zu bewältigen?
Thomas Koller: Da ist beispielsweise die Digitalisierung. Es werden dadurch aus unserer Sicht neue Arbeitsplätze entstehen. Es wird darum gehend, digitale Vernetzung und Datenaustausch in den Handwerksalltag zu integrieren. Stolz sind wir übrigens, dass in Bayreuth eines von vier in Deutschland etablierten Kompetenzzentren für "Digitales Handwerk" geschaffen wurde.
Heinrich Schneider: Eine weitere Herausforderung sind die Unternehmensnachfolgen. Rund jeder fünfter Inhaber im oberfränkischen Handwerk möchte in den nächsten fünf Jahren seinen Betrieb schließen oder übergeben. Nicht immer ist ein Nachfolger vorhanden.
Thomas Koller: Es muss nun vor allem Rechtssicherheit in Bezug auf die Erbschaftssteuer geschaffen werden. Es müssen Betriebsvermögen von kleinen und mittleren Betrieben im Erbfall verschont werden, damit das Unternehmen weitergeführt werden kann.

Wie schaut denn Ihrer Meinung nach die Zukunft des Handwerks aus?
Thomas Koller: In Oberfranken gibt es 16 000 Handwerksbetriebe. Etwa 1000 Betriebe werden pro Jahr geschlossen, es werden aber auch in etwa gleicher Anzahl neue Handwerksbetriebe gegründet. Es findet ein Strukturwandel innerhalb des Handwerks statt.

Was ist denn das Schöne an Ihrem Beruf?
Thomas Koller: Die Vielfalt. Fast stündlich gibt es irgendetwas Neues. Und natürlich der Umgang mit Menschen.
Heinrich Schneider: Es ist ein ehrenamtlicher Job, der einfach viel Spaß macht. Es herrscht auch ein gutes Miteinander innerhalb der Handwerkskammer und man ist immer auf dem neuesten Stand.