Druckartikel: Über Hainer Windrädern braut sich Ärger zusammen

Über Hainer Windrädern braut sich Ärger zusammen


Autor: Marco Meißner

Hain, Mittwoch, 20. Sept. 2017

Helmut Schiffner gibt seinen Kampf gegen den Windpark Hain-Ost nicht auf. Dabei geht er auch mit dem Bauernverband scharf ins Gericht - doch der wehrt sich.
Der Windpark Hain-Ost sorgt für Ärger zwischen Kritiker Helmut Schiffner und der Spitze des Bauernverband-Kreisverbands. Foto: Marco Meißner


Helmut Schiffner hat lange gekämpft, um die Windkraftanlagen auf dem Rainberg zu verhindern. Vergeblich. Die Windräder wirbeln längst. Doch Schiffner geht die Puste nicht aus. Seine vor Kurzem eingereichte Petition an den Landtag soll kein laues Lüftchen sein, sondern einen heftigen Orkan auslösen, der die Anlagen wieder vom Berg bläst.

"Es gibt Petitionen, die erfolgreich sind. Andernfalls bräuchte es ja diesen Ausschuss nicht", unterstreicht das Sprachrohr der Windpark-Kritiker, dass er sein Vorgehen keineswegs als ein verzweifeltes, letztes Aufbäumen sieht. Mut macht ihm, dass die beteiligten Institutionen zwischenzeitlich geäußert haben, dass die Unterlagen für den Windpark wohl doch nicht rechtzeitig komplett eingereicht worden sind.

"Auf nichts haben sich die Leute mehr verlassen, als dass alles mit rechten Dingen zugeht", betont Schiffner. Dieses Vertrauen sei missbraucht worden. "Selbst Windkraftbefürworter sagen mir: ,So geht's nicht!‘" Der Hainer sieht sich selbst übrigens als Unterstützer einer Energiewende, "aber nicht durch Windräder bei Wohngebieten".


Andere Planung?

Die Tatsache, dass die Windkraftanlagen inzwischen stehen - laut Schiffner in einer überdimensionierten Form, die so nie geplant gewesen sei -, ist der eine Dorn, der dem Kritiker im Auge steckt. Doch ganz offen spricht er noch zwei weitere Dinge an, die ihn auf die Palme bringen: die vermeintliche Einflussnahme eines Verbandes und die Position der Behörden.

"Offensichtlich sind jetzt die richtigen Fragen gestellt worden", meint Schiffner mit Blick auf Landratsamt und Innenministerium. "Nicht, dass wir das nicht schon früher getan hätten, aber vielleicht haben die Petitionen (derzeit gibt es zwei; Anm. d. Red.) jetzt zu einer Auskunftspflicht geführt." Zuvor seien die Skeptiker des Projekts nur sehr spärlich mit Informationen versorgt worden.

Vor allem ärgert Schiffner, dass nach langem Hin und Her festgestellt worden sei, dass die Planungsunterlagen bis zum Stichtag für die 10-H-Regelung (zehnfache Räderhöhe als Abstand zur Wohnbebauung) nicht komplett gewesen seien. Nachdem dies eingeräumt worden sei, wolle das Ministerium nun aber keine Grundlage für einen so genannten Vertrauensschutz darin sehen. Vielmehr berufe es sich darauf, dass in diesem Fall nach geltendem Recht entschieden worden sei. Für Schiffner ein Unding. Schließlich hätten sich die Gegner auf ein Greifen der 10-H-Regelung verlassen, da die Unterlagen zum Stichtag nicht, wie nach Schiffners Ansicht notwendig, komplett gewesen seien.


Scharfe Vorwürfe

Im Landratsamt habe Klaus Löffler (CSU) das Thema geerbt, erinnert Schiffner daran, dass der jetzige Landrat die ursprünglichen Weichenstellungen nicht getroffen habe. Auch Löfflers Behörde behandelt er mit eher milden Worten. Er habe die zuständigen Leute im Landratsamt im Laufe des Verfahrens angesprochen; diese seien offenbar mit Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe konfrontiert worden, falls der Windpark zu Fall gekommen wäre. "Da ist ein Angstszenario aufgebaut worden", stellt der Hainer fest. Dabei sei dies rechtlich nicht haltbar. Seiner Meinung nach darf ein Schadenersatz nämlich nicht mit spekulativen Gewinnen in ferner Zukunft verknüpft werden. Das Landratsamt weist auf unsere Nachfrage jedoch energisch zurück, unter Druck gesetzt worden zu sein.

Eine treibende Kraft beim Aufbau eines solchen Szenarios - auch gegenüber der Bevölkerung vor Ort - sieht Schiffner im Bauernverband und dessen Spitze auf Kreisebene. Auf seiner Facebook-Seite "Wind gerne - aber mit Abstand" wird er sehr deutlich. Er fordert einen Abbau der Räder, sonst "müsste man ja befürchten, dass es künftig heißt: In Neapel regiert die Cosa Nostra - in Kronach der Bauernverband!" Und er fragt sich: "Was soll ich denn noch bei einer Wahl, wenn am Ende eh der Bauernverband ohne Diskussion bestimmt, was im Landkreis Kronach passiert?!"

Es gebe viele Gerüchte darüber, was hinter den Kulissen gelaufen sei. Die engen Maschen dieser Aussagen - inzwischen seien sie längst Dorfgespräch - lassen für Schiffner nur den Schluss zu, dass im Kern auch Wahrheiten stecken müssen. Da sei die Rede von einer sechsstelligen Zahlung an einen BBV-Funktionär für seine "Bemühungen", von Drohungen gegen Mitglieder und Grundstücksbesitzer, die von Vorverträgen Abstand nehmen wollten, und von Ortsausschüssen, die nach dem Gutdünken des Bauernverbands zusammengestellt wurden.

Ein Zugehen auf die Projektgegner habe es seitens des Verbandes "null" gegeben. "Man hat ganz massiv die Vorgabe umgangen, die Bevölkerung vor Ort mit einzubeziehen. Der BBV hat sich aufgeführt wie die Axt im Walde", so Schiffner. Gerade vor dem Hintergrund der Nationalpark-Diskussion, wo der BBV als Verfechter des Frankenwaldes aufgetreten ist, kann Schiffner die Unterstützung einer aus seiner Sicht Verwüstung eines großen Waldabschnittes aus kommerziellen Gründen nicht nachvollziehen. "Da war der Wald Wurst, 150 Jahre alte Eichen waren Wurst und die Gesundheit der Leute war Wurst!"



Bauernverbands-Spitze antwortet auf "Vorwürfe am Rande der Legalität"

Ein beinahe allmächtiger Bauernverband (BBV). Funktionäre, die sich die Taschen voller Geld stopfen. Projekte, die im stillen Kämmerlein ausgehandelt werden. Für BBV-Kreisobmann Erwin Schwarz und seinen Stellvertreter Klaus Siegelin ist das Bild, das Windpark-Kritiker Helmut Schiffner von ihnen und ihrem Verband zeichnet eine Frechheit. Im Gespräch mit unserer Zeitung klopfen sie die einzelnen Vorwürfe ab.

Durch den Windpark Hain-Ost wurde ein Waldgebiet zunichte gemacht.
Klaus Siegelin, der das Projekt mit weiteren Anliegern auf den Weg gebracht hat, hält den Zugangsweg zu den Windkraftanlagen nicht für eine Verwüstung der Natur. Vielmehr sei ein solcher Zugang von den Waldbesitzern seit langem gewünscht und früher schon vom Forstamt angestrebt worden. "Wir haben von Anfang an herausgestellt: Egal wie viele Räder kommen werden, wir wollen einen Waldweg von Wildenberg bis Gärtenroth", erklärt der Landwirt. "Wenn ich ein Waldgebiet erschließe, dann mache ich es doch nicht kaputt!", unterstreicht Erwin Schwarz. Bisher sei es völlig unmöglich gewesen, dieses Gebiet mit modernem Gerät zu bewirtschaften. Und was den Flächenverbrauch betrifft, seien die 2,5 Hektar für alle Räder weniger als die Fläche für den neuen Hagebaumarkt in Kronach.

Der Bauernverband hat die Kritiker in der Diskussion ausgeschlossen.
Es habe in den Mitteilungsblättern gestanden und es sei in den Zeitungen zu lesen gewesen, dass es frühzeitig eine Informationsveranstaltung gegeben habe. Alles sei ganz öffentlich abgelaufen, stellt Siegelin fest. Als vor Ort die Suche nach Personen begonnen habe, die das Projekt für die Bevölkerung federführend begleiten wollen, hätten sich nur er und eine weitere Grundstückseigentümerin zu Wort gemeldet. Schwarz fügt hinzu, dass das Vorhaben ja schon lange vor der Realisierung in der Öffentlichkeit diskutiert worden sei. "Warum geht dann keiner zu seinem Gemeinderat und sagt, ,ich habe was dagegen‘, bevor das Projekt genehmigt wird?" Siegelin legt Wert darauf, dass jeder, der sich aktiv um Informationen gekümmert habe, Auskunft von ihm erhalten habe. Bei Abstimmungen in der Frühphase habe niemand gegen das Projekt gestimmt. Im weiteren Prozess sei der Bauernverband dann gar nicht mehr eingebunden gewesen.

Der BBV hat ein Drohszenario für den Fall aufgebaut, dass der Windpark abgelehnt wird.
"Ich habe mich zum Thema Windpark mit niemandem eingelassen, weil ich gar nicht betroffen bin", sagt Schwarz. Und in laufende Bauvorhaben mische er sich gegenüber einer Behörde prinzipiell nicht ein. Siegelin betont, dass er die zuständige Person im Landratsamt bis vor Kurzem nicht einmal gekannt habe. Auch gegenüber den Verbandsmitgliedern und der Bevölkerung habe niemand Druck ausgeübt. Eine Spaltung in der Bürgerschaft machen aber auch die beiden BBV-Vertreter aus. Doch sie sehen Schiffner als Quelle dieser Entwicklung. "Wenn ich ständig die Leute aufhetze, dann kriege ich auch so eine Spaltung hin", sagt Siegelin.
Die BBV-Kreisspitze hat die Bevölkerung auf Spur gebracht und dafür abkassiert.
Für Schwarz sind das unzumutbare Aussagen am Rande der Legalität. "Die Vorwürfe, die Schiffner macht, sind allesamt aus der Luft gegriffen." Bislang habe man den Kritiker einfach reden lassen, weil die beiden BBV-Funktionäre mittlerweile genervt von der ihrer Ansicht nach unsachlichen Dauerdebatte sind. Doch Siegelin stellt auch fest, dass man sich inzwischen über rechtliche Schritte Gedanken macht. Das Verhalten des Kritikers sei rufschädigend.

Die Windräder sind überdimensioniert.
Schwarz widerspricht der Behauptung, anfangs sei in viel kleineren Dimensionen gedacht worden. Es sei immer von einer Gesamthöhe der Anlagen von 200 Metern ausgegangen worden. "Und wenn beispielsweise von einer Gemeinde ein Industriegebiet ausgewiesen wird, dann wundere ich mich nachher doch auch nicht, wenn dort Industriehallen errichtet werden." Wenn ein solches Projekt also grundsätzlich nicht gewünscht war, dann hätte nach Ansicht von Schwarz auch die Politik früher Flagge zeigen müssen, statt die Ausweisung von Windkraftflächen hinzunehmen.




Das sagt das Landratsamt zur aktuellen Situation

Im Zuge der Petitionen zum Windpark in Hain stellten sich verschiedene Fragen zum Vorgehen der Behörde. Pressesprecher Bernd Graf vom Landratsamt antwortet auf unsere Fragen hierzu.

Welche Relevanz hatte der 10-H-Stichtag beziehungsweise die Vollständigkeit der Unterlagen bis zu diesem Datum auf die Entscheidung über das Projekt?
Bernd Graf: Mit Gesetz vom 21. November 2014 hat der Bayerische Gesetzgeber in den Artikeln 82 bis 84 der Bayerischen Bauordnung (BayBO) die so genannte 10-H-Regelung implementiert. Windkraftanlagen sind demnach nur dann im Sinne des Paragrafen 35, Absatz 1, Nummer 5, Baugesetzbuch, privilegiert, wenn sie einen Abstand zur angrenzenden Wohnbebauung einhalten, der mindestens das Zehnfache der Anlagenhöhe beträgt. Wegen dieser fundamentalen bauplanungsrechtlichen Änderung wurde mit Blick auf die im Vertrauen auf die bis dahin gültige Rechtslage getätigten Investitionen die Stichtagsregelung des Artikels 83, Satz 3, BayBO, geschaffen.
Nach der Stichtagsregelung findet die 10-H-Regelung - in diesem Sinne auch die Erläuterungen der Anwendungshinweise zur 10-H-Regelung - keine Anwendung, soweit vor Ablauf des 4. Februar 2014 bei der zuständigen Behörde ein vollständiger Antrag auf Genehmigung von Windkraftanlagen eingegangen ist. Anders verhält es sich indes mit Anträgen auf Windkraftanlagen, die bereits vor Inkrafttreten des 10-H-Gesetzes genehmigt (21. November 2014) wurden.
Die Stichtagsregelung kommt in diesem Fall selbst dann nicht zur Anwendung, wenn Vorhaben nach dem 4. Februar 2014, aber vor dem Datum des Inkrafttretens am 21. November 2014 genehmigt worden sind (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 25. August 2015 - 22 CS 15.1683).
Der Antrag für die hier in Rede stehenden Windkraftanlagen ist am 29. September 2014, also weit vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur 10-H-Regelung am 21. November 2014, genehmigt worden. Mithin war die Stichtagsregelung nicht anwendbar und die alte Rechtslage maßgeblich. Die Frage, ob der Antrag zum 4. Februar 2014 vollständig oder unvollständig war, ist daher nicht entscheidungserheblich und kann daher im Ergebnis dahinstehen. Die erteilte Genehmigung ist inzwischen auch bestandskräftig.

Helmut Schiffner sprach von seinem Eindruck, dass Landratsamt könnte unter Druck gestanden haben. Er ging dabei auf Gespräche mit Vertretern der Behörde ein, die von Schadenersatzansprüchen in Millionenhöhe gesprochen haben sollen. Wurde solcher Druck, beispielsweise von Seiten des Betreibers oder des Bauernverbandes, auf das Amt ausgeübt?
Das Landratsamt Kronach ist von niemandem unter Druck gesetzt worden. Das Landratsamt lässt sich auch nicht unter Druck setzen. Von Geldflüssen, die in der aktuellen Debatte angedeutet worden sind, haben wir keine Kenntnis. Schadenersatzansprüche seitens des Betreibers wurden dem Landratsamt zu keiner Zeit angedroht.

Helmut Schiffner zweifelt für den Landkreis wie auch für die Privatleute vor Ort einen Schadenersatz in Millionenhöhe an, weil sich dieser wesentlich auf Gewinnausfälle beziehen würde. Seiner Ansicht nach dürften solche spekulativen Werte jedoch nicht in einen Schadenersatz einbezogen werden. Ist das aus Landkreissicht eine korrekte Einschätzung?
Nachdem von möglichen Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Landratsamt Kronach nie die Rede war, erübrigt sich eine Beantwortung dieser Frage. Das Landratsamt Kronach beteiligt sich nicht an dieser Diskussion. Wenn Herr Schiffner diese Frage geklärt haben will, kann er sich einen juristischen Beistand nehmen, der diese Frage für ihn klärt.

Bemängelt wurde von Helmut Schiffner generell die Information und Beteiligung der Projektgegner durch die Behörden. Wie sieht das Landratsamt diese Situation?
Eine obligatorische Öffentlichkeitsbeteiligung ist im Immissionsschutzgesetz für dieses Verfahren nicht vorgesehen. Der Bayerische Windkrafterlass empfiehlt den betroffenen Städten, Märkten und Gemeinden, rechtzeitig eine freiwillige Bürgerinformation über das anstehende Projekt anzubieten. Ob die beiden hier beteiligten Kommunen dieser Empfehlung gefolgt sind, ist nicht Gegenstand der landratsamtlichen Erörterung.