Thüringen ist die Hochburg des "Rechts-Rock"
Autor: Heike Schülein
Kronach, Mittwoch, 13. Dezember 2017
Bei der zweiten Demokratie-Konferenz beleuchtete Pea Doubek die Entwicklung rechter Strukturen in Südthüringen und die Bedeutung von Musikfestivals.
Die knapp 3000 Einwohner zählende südthüringische Kleinstadt Themar machte heuer bundesweit auf sich aufmerksam, als sich 6000 Neonazis zum"Rock gegen Überfremdung" versammelten. "6000 Neonazis aus ganz Europa - da wurde sogar mir anders", sagt Pea Doubek. Die Beraterin bei der "Mobilen Beratung in Thüringen (MOBIT) für Demokratie - gegen Rechtextremismus" informierte im vhs-Haus über "Rechts-Rock" in Thüringen - Rechtsextreme Großevents in Südthüringen und demokratischer Protest". Sie folgte damit einer Einladung der "Partnerschaft für Demokratie Landkreis Kronach".
Junge Menschen als Zielgruppe
Laut Doubek existiert neben dem organisierten "politischen"Rechtsextremismus eine facettenreiche subkulturelle Erscheinungsform, der"Rechts-Rock". "Thüringen ist das "Rechts-Rock"-Konzertland Nummer Eins",verdeutlichte sie. "Rechts-Rock" sei mehr als nur Musik. Mit dieser gezielt eingesetzten Vermittlungsform gelinge es Neonazis, junge Menschen zu erreichen und für ihre Ideologie empfänglich zu machen. Die Zahl solcher Konzerte und Openairs in Thüringen habe sich immer weiter gesteigert. Alleine in diesem Juli fanden drei solche Veranstaltungen statt: "Rock für Deutschland" in Gera sowie jeweils in Themar "Rock für Identität" und - mit dem weitaus größten Zuspruch - "Rock gegen Überfremdung". "Videoaufnahmen belegen, dass dabei um 21.32 Uhr die Neonazis zu Hunderten den Hitlergruß machten", stellte Doubek heraus, die sich seit dem Jahr 2000 mit der Thematik beschäftigt und seit 2006 für MOBIT als Beraterin fungiert.
Viele Szene-Immobilien
Eine strafrechtliche Verfolgung seitens der Polizei erfolgte nicht. Es gab 51 Ermittlungsverfahren jedoch zu Straftaten im Vorfeld - insbesondere wegen des Mitführens verbotenen Propagandamaterials wie Hakenkreuze. Eingesetzt waren 900 Beamte im Schichtsystem. "Das ist gegen 6000 sicherlich auch angetrunkene Neonazis bestimmt nicht einfach", meinte sie. Die Dichte solcher Events in Südthüringen habe verschiedene Gründe. Maßgeblich liege es daran, dass hier viele Immobilien der Szene im Privatbesitz stehen und "Freiräume" seien. Von den 2016 abgehaltenen 54 neonazistischen Konzerten und Openairs fanden 42 in szeneeigenen Immobilien statt. Die Organisatoren seien jahrelange aktive Konzertveranstalter und teilweise auch im Versandgeschäft mit Tonträgern und Szene-Bekleidung. "Der Eintritt bei ,Rock gegen Überfremdung' kostete 35 Euro, bei 60 000 Besuchern 210 000 Euro - ohne den Verkauf an Ständen", verdeutlichte sie. Organisator war Tommy Frenck, der im Kloster Veßra das Gasthaus "Goldener Löwe" als Treffpunkt der Szene betreibt. Er und Patrick Schröder, Betreiber des rechten "Radio FSN", seien die beiden Hauptakteure der rechten Szene Thüringens.
Gegen die Veranstaltungen in Themar habe sich starker Widerspruch geregt. Der Bürgermeister habe Einsprüche bei Behörden eingelegt und auch das Landratsamt sei aktiv geworden. Das Verwaltungsgericht erlaubte jedoch die Veranstaltung wegen des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit. "Man kann das nicht ganz unterbinden. Aber man kann versuchen, es den Leuten möglichst schwerzumachen", appellierte sie. Auch zivilgesellschaftliche Gegenproteste gab es - so eine öffentliche Stadtratsitzung, Mal- und Plakataktionen, Friedensgebete und auch eine Gegendemonstration mit etwa 500 Personen. Um etwas gegen die Szene auszurichten, brauche es ihrer Meinung nach einen Dreiklang: Die Polizei müsse jede Straftat - Stichwort Hitlergruß - verfolgen. Die Verwaltung sollte kreativer werden bei der Ausschöpfung vorhandener Möglichkeiten und die Zivilgesellschaft müsse endlich ihren A...hochbekommen. "Wir brauchen ein Problembewusstsein. Das wird das dickste zu bohrende Brett sein", zeigte sie sich sicher.
Erst an diesem Tag habe sie erfahren, dass erneut für Juni 2018 ein "Rechts-Rock"-Konzert wahrscheinlich wieder in Themar angemeldet sei. Die Versammlungsfreiheit sei - so die Juristin Stephanie Meisner - ein hohes Gut, begründet aus der deutschen Geschichte. "Kein noch so findiges Landratsamt wird im Rahmen der Legalität daran etwas ändern können", erklärte sie. Der eigentliche Knackpunkt sei die Gesellschaft. Viele fürchteten negative Konsequenzen, hätten Angst und knickten ein.
Kein Schutz von der Polizei
Ingo Cesaro erzählte, dass er mit seiner Ehefrau an vielen Gegenprotesten teilnehme - mit dem Pfefferspray in der Tasche. Ein Linker brauche - seiner Erfahrung nach - von der Polizei keinen Schutz zu erwarten. Heinz Hausmann wollte wissen, ob die Welt in Franken bezüglich der rechten Szene noch einigermaßen in Ordnung sei. Man könne dies, so die Referentin, nicht pauschalieren,aber so ausgeprägt wie in Südthüringen sei diese nicht. "Dass wir hier gar kein Problem damit haben, stimmt sicherlich nicht", meinte Thilo Moosmann.Es gebe einzelne bekannte Nazis. Seiner Meinung nach versuchten diese eine Neugründung, nachdem vorherige Initiativen den Bach runtergegangen seien.Vernachlässigen dürfe man sie auf keinem Fall.Die sehr interessanten Ausführungen hätten weitaus mehr Zuspruch verdient gehabt, insbesondere von Vertretern des öffentlichen Lebens oder Verbänden.Dafür hatte eine Gruppe junger Leute rege das Gespräch mit der Referentin gesucht und will mit ihr in Kontakt bleiben.
Eingangs hatte Sabine Nachtrab die Demokratie-Partnerschaft erläutert. Sie verwies auf die Fördermöglichkeiten von Projekten durch das Bundesprogramm "Demokratieleben". Handlungsschwerpunkte 2018 sind die Präventionsarbeit gegen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus, die Gewaltprävention sowie die Landtagswahl 2018 in Bayern.