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Teamtraining unter realen Bedingungen


Autor: Heike Schülein

Lauenstein, Sonntag, 21. Juni 2015

Am Samstag fand ein thüringisch-fränkischer Trauma-Tag statt. Durch eine reibungslose Zusammenarbeit der Einsatzkräfte soll eine noch schnellere Versorgung Schwerverletzter erreicht werden.
Das bei Holzfällarbeiten verunglückte Opfer wird in einem Bergrettungssack transportiert. Foto: Heike Schülein


Hilflos liegt der Jugendliche im abschüssigen Gelände in einem Waldgrundstück nahe Lauenstein. Eine Gliedmaße ist abgetrennt, er blutet stark. Sein rechter Oberschenkel ist amputiert und blutet stark. In seinem Gesicht wie auch an den Unterarmen finden sich Abschürfungen. Seine blasse Haut ist schweißig und kalt, seine Atemfrequenz überhöht. Es ist ein Bild des Schreckens, das sich den alarmierten Einsatzkräften am Unfallort bietet.
Um 10.12 Uhr geht der Notruf in der Rettungsleitstelle ein. Als die Einsatzkräfte um 10.30 Uhr am Unfallort eintreffen, erfahren sie, dass der Junge bei Arbeiten mit der Kettensäge im abschüssigen Gelände ausrutschte und mehrere Meter in die Tiefe stürzte.

Vor oder während des Sturzes hatte er sich mit der noch laufenden Kettensäge am rechten Bein schwer verletzt.

Die Bergwacht Rennsteig in Steinbach am Wald übernimmt gemeinsam mit anderen Einsatzkräften die Erstversorgung, die Bergung sowie den Transport des Verunfallten mittels Bergrettungssack bis zur anschließenden Übergabe an den Landrettungsdienst. Von hier aus wird der Junge ins Krankenhaus nach Jena geflogen.
Glücklicherweise handelt es sich bei diesem Horror-Szenario nur um eine Übung beim thüringisch-fränkischen Trauma-Tag unter dem Motto "Treat first what kills first" (erst behandeln, was zuerst zum Tod führt).
Durch die Fortbildung sollten die Teilnehmer in die Lage versetzt werden, auch bei schwierigen äußeren Bedingungen koordiniert zu handeln, um damit die Voraussetzungen für ein optimales Behandlungsergebnis zu schaffen.

Bereits 2014 fand eine gemeinsame Übung statt. "Das war aber in kleinerer Runde, erst einmal zum Testen. Heuer wollten wir das größer aufziehen", erzählt Stephan Breidt, Sprecher der Thüringen-Klinik Georgius Agricola. Auch dieses Mal wurden verschiedene Szenarien inszeniert. Dass solche schweren Unfälle gerade in unserem waldreichen Gebiet öfters vorkommen, bestätigt Ralf Schmidt seitens der Bergwacht Rennsteig, die sich ebenfalls an der Fortbildung beteiligte. Er ist von der Sinnhaftigkeit der Kooperationsveranstaltung überzeugt. Die Koordination und Kommunikation der einzelnen Schnittstellen sei enorm wichtig.

So sieht es auch Breidt. Beim Trauma-Tag komme daher dem Teamtraining unter Realbedingungen entscheidende Bedeutung zu, da auf alle Glieder der Rettungskette Verlass sein müsse. Dies beginne bereits mit dem Lotsen der alarmierten Einsatzkräfte in ein nicht leicht zu findendes Gebiet wie in Lauenstein. Die Fortbildung fand zusammen mit Anästhesisten und Unfallchirurgen, die Notfalldienste fahren, der Thüringen-Kliniken statt. Diese beobachteten die Erstversorgung und gaben den Einsatzkräften auch eine Rückmeldung, was gut gelaufen ist und was man noch verbessern könnte.

Für die Hauptorganisation zeichneten Rettungsassistent Sascha Heidrich und Notfallsanitäter Andreas Schubert vom DRK-Rettungsdienst Saalfeld verantwortlich. Schubert würdigte den hohen Ausbildungsstand und die Motivation der Teilnehmer. Basis dieses Tages sei die Schwerverletztenversorgung, die lediglich 0,5 bis fünf Prozent aller Einsätze ausmache. Gerade weil diese nicht so häufig vorkomme, sei es so wichtig, die entsprechenden Algorithmen zu erlernen, zu erarbeiten und abzuspulen. "Das ist ein Teamspiel, wir sind keine Einzelkämpfer", betont er.

Allen Teilnehmern galt sein Dank ebenso wie den Sponsoren und Gönnern. Ohne sie hätte der sechs Monate für die Vorbereitung und Planung in Anspruch genommene Trauma-Tag in dieser Form nicht stattfinden können. Solche Gemeinschaftsveranstaltungen will man von nun an zu verschiedenen Themen zwei Mal im Jahr etablieren.

Eingangs hatte ein Skilltraining in Kooperation mit den vor Ort befindlichen Ausstellern und Ärzten stattgefunden. Dabei zeigte beispielsweise Dr. Hermann Schaedel, Chefarzt für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie an der Thüringen-Klinik, wie Luftröhrenschnitte durchgeführt werden.
Danach ging es zum Training der Einsatzszenarien über. Abschließend erfolgten die Einsatznachbesprechung und die Ausgabe der Zertifikate.


Laut Stephan Breidt sei es enorm wichtig, dass im Falle eines Herzstillstandes sofort eine Herzdruckmassage bis zum Eintreffen der Einsatzkräfte durchgeführt werde. Eine Mund-zu-Mund-Beatmung sei nach neueren Erkenntnissen nicht mehr unbedingt nötig. Die Herzdruckmassage bewirke, dass das Gehirn des Patienten mit Sauerstoff versorgt werde. Dabei solle man an Musik denken. Beispielsweise helfe "Stayin' Alive" oder die Werbemusik "Bonduelle, ist das famose ...", den richtigen Rhythmus zu finden. Angst davor, dem Patienten eine Rippe zu brechen, müsse man nicht haben. Eine gebrochene Rippe könne man heilen...