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Sturzfluten, Gewitter und Hitzerekorde: Ein verrücktes Wetter-Jahr


Autor: Günter Flegel, Alexander Löffler, Marian Hamacher

LKR Kronach, Montag, 16. Januar 2017

In Kronach wird es, wie auf der ganzen Welt, im Durchschnitt immer wärmer. Dafür hatte Franken im vergangenen Jahr mit verheerenden Unwettern zu kämpfen.
Das Wetter im Jahr 2016 war sehr sprunghaft: Wolkenbrüche und Trockenperioden wechselten sich ab: Ende Juli rauschte das Wasser etwa wie ein reißender Fluss durch Eila.  Foto: Gerhard Hammerschmidt/Archiv


2016 reiht sich nahtlos in die Folge viel zu warmer Jahre ein. Nach 2014 und 2015 hat auch das gerade zu Ende gegangene Jahr weltweit einen neuen Temperaturrekord aufgestellt, wie aus Angaben des "Copernicus Climate Change Service" der Europäischen Union hervorgeht. Das beißt sich ein wenig mit dem subjektiven Empfinden gerade auch hierzulande: An den Sommer 2016 erinnert man sich kaum, als hätte er gar nicht stattgefunden, und die Bilder, die im Kopf geblieben sind, zeigen überflutete Ortschaften, etwa Simbach.

Auch in Obernzenn in Mittelfranken, im unterfränkischen Michelau im Steigerwald und in Oberhaid vor den Toren Bambergs, um nur die markantesten Beispiele zu nennen, fiel der Sommer für viele Menschen buchstäblich ins Wasser. Eine Serie von Gewittern mit räumlich eng begrenzten Sturzfluten vom Himmel machte 2016 auch in Franken zu einem Jahr der Wetterextreme, das nach einem ausgefallenen Winter schon im Februar mit Dauerregen und Stürmen einen unfreundlichen Start hinlegte und sogar vielen Narren den Spaß verdarb.


In Kronach wird's immer heißer

Im Kreis Kronach lag im Jahr 2016 die Durchschnittstemperatur bei 9 Grad Celsius. Das reicht nicht ganz an 2015 heran, da waren es im Jahresmittel genau 9,5 Grad. Zum Vergleich: Das vieljährige Mittel weist eine Lufttemperatur von 8,2 Grad Celsius auf.

Alle hier genannten Daten zum Klima stammen von der Wetterstation in Kronach Allern (bei Fischbach). Die Werte werden über das Messnetz des Deutschen Wetterdiensts (DWD) zur Verfügung gestellt. Sie sind auch im Internet unter der Adresse www.dwd.de/WESTE nach einer Registrierung kostenfrei abrufbar. Der wärmste Tag des vergangenen Jahres fiel überraschenderweise nicht auf einen Tag im August, sondern auf den 24. Juni - als die Temperaturanzeige des Thermometers auf 34,1 Grad kletterte. Im Jahr zuvor waren es am 7. August sogar stolze 38 Grad. Am kältesten war es in 2016 dagegen am 22. Januar mit minus 18,5 Grad (Vorjahr: 7. Februar mit minus 10,8 Grad).

Die Statistik für 2016 weist außerdem 56 Sommertage auf (exakt so viele wie 2015), also Tage, an denen Temperaturen von 25 Grad oder mehr erreicht wurden. Weiterhin gab es zwölf "heiße Tage" (rein auf die Temperaturen bezogen, die hierfür über 30 Grad erreichen müssen; andere Faktoren, die zu "heißen Tagen" führen können, lassen die Wetterstation in Kronach völlig kalt). Zudem waren da 101 Frosttage, an denen mindestens 0 Grad auf dem Thermometer abzulesen waren.

Den Minus-Rekord von 2016 hat das neue Jahr übrigens schon am 6. Januar eingestellt, als minus 21,6 Grad angezeigt wurden. Einen Tag später fiel die Temperatur sogar noch einmal um 0,1 Grad mehr.


Extreme Regenereignisse

Auffallend am Wettergeschehen im Jahr 2016 war seine Sprunghaftigkeit: Wolkenbrüche wechselten sich mit Trockenperioden ab, stürmische Tage mit wochenlangem Hochdruck-Einerlei wie zuletzt im November und Dezember mit Einheitsgrau. Und auch bei der räumlichen Verteilung, selbst im kleinen Maßstab, wirkt das ganze Jahr wie ein einziger April: Bei den extremen Regenereignissen im Mai und im Juni fielen bisweilen an einem Ort bis zu 100 Liter Regen auf den Quadratmeter, während es in Nachbarorten, nur ein paar Kilometer entfernt, lediglich tröpfelte.

"Die Wetterextreme nehmen zu." Diese Feststellung des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Offenbach ist Feststellung und Prognose zugleich. Denn alle Rechenmodelle zum Klimawandel kommen zu dem Schluss, dass das an sich wenig aufregende Wetter in Mitteleuropa mit der Erwärmung der Atmosphäre sehr viel turbulenter werden dürfte.

Es wird mehr Stürme und Gewitter geben, mehr Trockenperioden und Hitzewellen, aber auch mehr Unwetter mit extremen Regenfällen oder auch mal Schneemassen.Nach seiner ersten Bilanz des Jahres 2016 könnte man den DWD fast in "Deutscher Unwetterdienst" umbenennen, denn die amtlichen Wetterfrösche haben in den vergangenen zwölf Monaten in Deutschland 30 000 Mal vor Unwettern gewarnt!


Verbessertes Warnsystem

Insbesondere die katastrophalen Ereignisse im Mai und Juni machten die Notwendigkeit offenkundig, Wettergefahren noch präziser und kleinräumiger vorher zu sagen. Seit Mitte 2016 gibt der DWD seine Unwetterwarnungen nicht mehr nur für Landkreise, sondern für 10 000 deutsche Gemeinden heraus.

Der Präsident des Deutschen Wetterdienstes, Gerhard Adrian, bezeichnet das verbesserte Warnsystem als Meilenstein. "Die Qualität der Unwetterwarnungen wird damit deutlich verbessert", sagt er. Damit sei man auf dem aktuellsten Stand des technisch und wissenschaftlich Möglichen. "Präziser geht es derzeit nicht", ergänzt Hans-Joachim Koppert, Leiter der Wettervorhersage beim DWD.

Neben der Unterteilung in Gemeinden erstellt der Wetterdienst Unwetterwarnungen für besonders gefährdete Bereiche, etwa Autobahnen, Bahnstrecken oder Stromtrassen; der DWD will auch ein genaueres Warnsystem für Flüsse und Bäche entwickeln. Selbst diese Maßnahmen garantieren laut Adrian aber noch keine zu einhundert Prozent verlässliche Vorhersage. "Wir können das Klima nur aufmerksam beobachten. Es mit hundertprozentiger Sicherheit vorauszusagen, ist und bleibt unmöglich." Was für Unwetter im "Kleinen" gilt, bestätigt sich erst recht beim Blick auf die Großwetterlagen. Der bisherige Verlauf des Winters 2016/17 hat einmal mehr die meisten "Propheten" verhöhnt, denn vom Jahrhundertwinter mit eisigen Temperaturen und Schneebergen ist bislang wenig zu sehen, gleiches gilt für die Neuauflage des Frühlings-Winters 2015/16, der weniger den Winterdiensten als vielmehr den Pollen-Geplagten zu schaffen machte.

All die Königskerzen, der Hundertjährige Kalender und auch die "seriösen" Langfrist-Vorhersagen des amerikanischen Wetterdienstes NOAA lagen bisher weit daneben, wobei man der NOAA zugestehen muss, dass die Prognosen aus den USA ebenso unberechenbar sind wie das Wetter selbst: Bis etwa September wurde ein zu milder Dezember vorhergesagt, im Oktober/November kippte die Prognose eher Richtung Eiszeit ... Ähnliches machte der Januar durch: Bislang immer deutlich zu warm erwartet, soll er nun laut NOAA eher normal bis leicht unterkühlt ausfallen. Naja: Morgen wird wieder neu vorhergesagt.


Zwischen den Stühlen

Für die deutschen Wetter-Propheten sind langfristige Vorhersagen, von wem sie auch kommen, grundsätzlich Kaffeesatzleserei, jedenfalls so weit sie sich auf Mitteleuropa beziehen. Während in den stets warmen Tropen oder in den immer eisigen Polarregionen Temperatursprünge von ein paar Grad rauf oder runter nichts am grundsätzlichen Wettercharakter verändern, ist in Deutschland schon ein Grad mehr oder weniger ein Quantensprung: Hitzewelle im Sommer, Kälteschock im Winter. Dass Mitteleuropa wettertechnisch zwischen den Stühlen sitzt, liegt an siner geografischen Lage: Mild-feuchtes Atlantikwetter aus dem Westen trifft auf Kontinentalklima im Osten, das im Sommer heiß und im Winter eisig ist. Die Alpen als Barriere zum warmen Mittelmeer sind noch eine weitere Besonderheit. Welche der Luftmassen angezapft wird, ist davon abhängig, wo sich jeweils die großen Drucksysteme befinden.

Der mitteleuropäische Klassiker ist Azoren-Hoch mit Island-Tief. Bei dieser Konstellation werden Tiefausläufer mit feuchter Luft vom Atlantik ins Land geschaufelt; der Winter ist dann wenig winterlich, der Sommer wechselhaft und eher unterkühlt. Als eine Folge des Klimawandels ist dieses klassische Muster offenbar seltener geworden.

Zuletzt haben sich wochenlang Hochdruckgebiete über Mitteleuropa festgesetzt. Für die heftigen Regen- oder auch Schneeereignisse der letzten Jahre war meist eine Luftmassengrenze verantwortlich, der Zusammenstoß feucht-milder mit kalt-trockener Luft direkt über Europa.