Druckartikel: Stellenabbau bei Dr. Schneider in Neuses - Warum die IG Metall vom Verhalten des Betriebsrats irritiert ist

Stellenabbau bei Dr. Schneider in Neuses - Warum die IG Metall vom Verhalten des Betriebsrats irritiert ist


Autor: Marian Hamacher

Kronach, Freitag, 22. Februar 2019

Der Automobilzulieferer Dr. Schneider wird an seinem Stammsitz in Neuses 60 Mitarbeitern betriebsbedingt kündigen. Die Gewerkschaft IG Metall Coburg zeigt sich vom Verhalten des Betriebsrats irritiert.
Fast die Hälfte des Gesamtumsatzes macht Dr. Schneider mit Ausströmern, also Belüftungsanlagen fürs Auto - unter anderem für Audi und VW. Die Krise seiner Großkunden hat sich offenbar nun auch auf den Zulieferer ausgewirkt. Foto: Archiv/Matthias Litzlfelder


Nun also 60. In den vergangenen Tagen machten so einige Zahlen im Landkreis die Runde. Mal war von 40 Stellen die Rede, die Dr. Schneider abbauen wolle, mal von 250, teilweise sogar von 500. Zu den Spekulationen äußern wollte sich der Automobilzulieferer unserer Redaktion gegenüber bislang nicht. Die in der FT-Anfrage genannten Inhalte würden "nicht der Realität entsprechen", hieß es aus dem Unternehmen.

So ganz an der Realität vorbei gingen die Spekulationen dann aber offenbar doch nicht. Am Freitagmittag teilte Dr. Schneider schließlich mit, dass am Stammsitz in Neuses rund 60 Mitarbeitern aus dem "indirekten Bereich" betriebsbedingt gekündigt wird. Am Standort in Tschirn sei zudem "in Teilbereichen" bereits Kurzarbeit eingeführt worden.

"Wir bedauern diese Maßnahme außerordentlich", sagt Parag Shah, der Vorsitzende der Geschäftsführung. "Wir sind uns sicher, im guten Miteinander Lösungen zu finden, die im beiderseitigen Interesse liegen sowie die Zukunft unseres Unternehmens sichern." Nur so könnten die Arbeitsplätze insbesondere an den deutschen Standorten nachhaltig gewährleistet und die Weiterbeschäftigung der mehr als 4000 Mitarbeiter sichergestellt werden.

Oberste Priorität habe es, die 60 Arbeitsstellen sozialverträglich abzubauen. Was das bedeutet? "Wahrscheinlich, dass man versucht, die Unternehmensentscheidung durch Abfindungen für den Einzelnen erträglicher zu gestalten", vermutet Jürgen Apfel, der Geschäftsführer der für Dr. Schneider zuständigen IG Metall-Geschäftsstelle Coburg.

Es sind zahlreiche Fragen, die die Entscheidung von Dr. Schneider zur Folge hat. Von der Presseabteilung des Unternehmens wollte unsere Redaktion etwa wissen, was unter "indirekter Bereich" zu verstehen ist? Also welche Abteilungen am Stammsitz von den Kündigungen betroffen sind? Steht womöglich schon fest, von welchen Mitarbeitern man sich trennen möchte und wissen diese bereits Bescheid? "Unsere Mitarbeiter wurden bereits informiert", lautet die knappe schriftliche Antwort. Weitere Fragen würden nicht beantwortet werden können, "da wir zum aktuellen Zeitpunkt keine weiteren Informationen veröffentlichen werden".

Umfassende Marktanalyse

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Die Kündigungen und die Kurzarbeit "unumgänglich" mache das "sehr unruhige und schwer planbare Marktumfeld", heißt es in der Pressemitteilung des Familienunternehmens. Weltweit sehe sich die Automobilindustrie vielfältigen Herausforderungen konfrontiert. Etwa habe der Handelsstreit zwischen China und den USA dafür gesorgt, dass sich Kunden mit dem Kauf neuer Autos zurückhalten. Auch das neue Messverfahren zur Bestimmung der Abgasemissionen "WLTP 2" hat laut Dr. Schneider "teilweise erhebliche Abrufrückgänge zur Folge" gehabt. Der anstehende Brexit mache es im Markt in den kommenden Monaten zudem nicht einfacher.

Auf Basis einer umfassenden Marktanalyse habe man in den vergangenen Monaten daher ein langfristig angelegtes Zukunftskonzept entwickelt, heißt es in der Pressemitteilung. Um Dr. Schneider für die Zukunft robust und sicher aufstellen sowie die Wettbewerbsfähigkeit weiterhin gewährleisten zu können, gebe es zu den Kündigungen keine Alternative.

"Eine schwierige Situation"

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Eine Entscheidung, die Heino Zimmer als "gerade noch erträglich" beurteilt. "Denn eigentlich möchte ich keinen einzigen Kollegen missen", sagt der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende von Dr. Schneider.

Auf kurzfristige Probleme hätte das Unternehmen mit Sicherheit ohne derartige Maßnahmen reagieren können, ist er überzeugt. "Aber das ist ja nun leider nicht mehr nur kurzfristig. Die Lage mit dem Diesel-Mist verbessert sich ja nicht", verweist er auf den von VW im September 2015 ausgelösten Abgasskandal. Neben Audi gehört der Wolfsburger Konzern zu den Großkunden des Automobilzulieferers. "In ganz Deutschland stehen Autos auf Halden und warten auf einen Abnehmer. Es ist wirklich eine schwierige Situation."

Aus der Presse erfahren

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Der Betriebsrat sei bereits im Vorfeld über die Pläne der Geschäftsführung informiert gewesen. "Auch bei den Endgesprächen waren wir dabei, als dann feststand, wie viele es betrifft", erklärt der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende. Nun sei er "ganz glücklich mit der Tatsache, dass die Pressemitteilung offiziell raus ist und die Gespräche vom Tisch sind".

Und wie geht es nun weiter? Wie sehen die nächsten Schritte aus, die auf den Betriebsrat zukommen? Dazu könne er derzeit noch nichts sagen, erklärt Zimmer und verweist auf noch folgende offizielle Mitteilungen des Unternehmens.

Einen ganzen Katalog an Fragen hat auch Jürgen Apfel. Unter anderem würde er gerne verstehen, weshalb Personal im indirekten Bereich und nicht in der Produktion abgebaut wird, wenn als Begründung angegeben wird, dass die Auftragssituation zurückgegangen ist. "Besonders schwierig macht es für uns, dass wir von den Kündigungen und der Kurzarbeit nur aus der Presse erfahren haben", sagt er. "Vom Betriebsrat hätten wir uns schon eine Information im Vorfeld erwünscht, damit wir uns auf die ganze Geschichte einstellen können. Das müssen wir jetzt quasi nachholen."