Ist Sportabzeichen ohne Vorbereitung möglich?
Autor: Hartmut Neubauer
Kronach, Donnerstag, 29. August 2013
Ist es für einen Durchschnittssportler möglich, ohne gezielte Vorbereitung die Leistungsanforderungen für das Deutsche Sportabzeichen erfüllen? Ein Selbstversuch im Jubiläumsjahr zeigt, dass vor allem die höchste Stufe gar nicht so leicht zu schaffen ist.
Der kritische Blick in die Tabelle verursacht bei der ersten Durchsicht nur wenig Bauchschmerzen. 3000 Meter in 17:50 Minuten - das müsste auf jeden Fall zu schaffen sein. 7,50 Meter mit der sechs Kilogramm schweren Kugel und ein 50-Meter-Sprint in 9,0 Sekunden - beides schon geschafft, mit Leichtigkeit sogar, aber halt: Das war vor ungefähr 35 Jahren.
Doch wie sieht es im fortgeschrittenen Alter mit der Fitness aus? Beim Deutschen Sportabzeichen wird sie anhand von vier "motorischen Grundfähigkeiten" überprüft. Die Ausdauer sollte bei mir trotz reduzierter Laufeinheiten noch vorhanden sein. Was aber Kraft und Schnelligkeit betrifft, bin ich mir nicht mehr so sicher.
Schleuderball oder Weitsprung?
Erst recht nicht im Bereich der Koordination. Was nehme ich? Schleuderball oder Hochsprung - oder doch Zonenweitsprung? Was ist das überhaupt? Er besteht aus vier Einzelsprüngen, wobei je zweimal mit dem rechten und dem linken Fuß abgesprungen werden muss, lese ich nach. Und dass je nach Sprungweite Punkte vergeben werden.
Egal - die Entscheidung, mit der ich seit Monaten "schwanger gehe", steht: Ich möchte das Deutsche Sportabzeichen erwerben - zufälligerweise im Jubiläumsjahr, denn es wird heuer 100. Nach sieben Jahren steht also diesmal nicht ein Laufwettbewerb im Mittelpunkt, sondern ein ganz persönlicher Fitness-Check. Der soll Aufschluss darüber geben, wie es um die Leistungsfähigkeit meines mittlerweile knapp 55 Jahre alten Körpers bestellt ist.
Das Deutsche Sportabzeichen ist die höchste Auszeichnung außerhalb des Wettkampfsports. Vier Disziplinen müssen im Laufe eines Kalenderjahres absolviert werden - eigentlich Zeit genug, sich zielgerichtet vorzubereiten. Dass ich das aus den unterschiedlichsten Gründen nicht getan habe, macht sich schon beim ersten Treff am Kronacher Schulzentrum schmerzhaft bemerkbar.
Ausdauer zum Auftakt
3000 Meter und der 50-Meter-Lauf stehen unter Aufsicht von Sportabzeichen-Prüfer Hubertus Reich auf dem Programm. Und zwar mit der Maßgabe, zunächst den Ausdauerbereich abzuhaken, denn da sollten die Grundlagen bei allen Teilnehmern vorhanden sein.
Den Anforderungen stellen sich außer mir auch meine Töchter Jasmin und Julia, dazu Birgit Rodewald, eine langjährige Laufpartnerin aus gemeinsamen Marathon-Zeiten, sowie Hubertus Reich, Martin Hauck, Reinhard Weber und Timo Weber vom TVE Gehülz, die bereits im vergangenen Jahr das Sportabzeichen abgelegt haben, damals noch das Bayerische. Hubertus selbst hat die Berechtigung, die Prüfung abzunehmen.
Zeit reicht locker
Obwohl um 19 Uhr die Temperaturen noch an die 30-Grad-Marke reichen, machen wir uns (allerdings nicht komplett) ans Werk. Siebeneinhalb Runden auf der Bahn am Schulzentrum stehen auf dem Programm. Obwohl noch 54 Jahre alt, muss ich "nur" die etwas geringeren Anforderungen der Altersklasse 55-59 erfüllen. Der wiederholte Blick auf die Uhr zeigt, dass ich mir den Lauf gut eingeteilt habe. Nach 17:17 Minuten bin ich im Ziel. Das reicht bei weitem! Dass ich der Letzte der Gruppe bin, stört mich nicht (nach dem Motto "Ein kluges Pferd springt nicht höher als es muss").
Dann geht's weiter mit dem Sprint. Die Muskulatur ist locker, die 3000 Meter waren nicht zu anstrengend - was soll da schon auf den 50 Metern passieren, denke ich. Von wegen! Beim Sprint und beim Ausdauerlauf werden nämlich ganz unterschiedliche Muskelgruppen beansprucht. Das merke ich spätestens nach 35 Metern, als sich ein beidseitiges Ziehen in der Leistengegend bemerkbar macht. Also Tempo raus und sich über die Ziellinie retten.
Immerhin: 8,20 Sekunden gleich beim ersten Versuch - das reicht ebenfalls locker für Gold. Und das ist auch gut so, denn einen zweiten Versuch hätte es nicht gegeben. Auch nicht an den Tagen danach, denn die Adduktoren machen trotz Anwendung diverser Salben einige Probleme. Gut, dass der zweite Sportabzeichen-Tag zunächst um eine Woche und dann - wetterbedingt - nochmals um drei Tage verschoben wird.
Nicht alle auf Gold-Kurs
Auch bei meinen Mitstreitern läuft es recht gut - im wahrsten Sinne des Wortes. Über 3000 Meter unterbieten alle die Zeiten für die Stufe Gold. Über 50 Meter ist Hubertus Reich der Schnellste. Reinhard Weber (er absolviert den Sprint erst eine Woche später) und Martin Hauck schaffen ebenso "Gold" wie Birgit Rodewald. Jasmin und Julia Neubauer müssen 100 Meter laufen. Sie sind schnell, aber nicht schnell genug und müssen sich - vorerst - mit Silber begnügen.
Können sie sich noch steigern? Wie läuft's bei allen in puncto Kraft und Koordination? Und wie wird Timo Weber abschneiden, der zum Auftakt gefehlt hat? Der zweite und dritte Trainingstag werden Aufschluss geben (Fortsetzung folgt).