Silvia Bär bringt die Zeitungen mit dem Fahrrad
Autor: Friedwald Schedel
Kronach, Montag, 29. Dezember 2014
Silvia Bär aus Friesen ist sechs Nächte pro Woche unterwegs, um 160 Zeitungen in ihrem Heimatort und in Kronach zuzustellen.
Es ist stockfinster, der Nieselregen peitscht durch die Nacht. Silvia Bär kneift die Augen zu und strampelt mit dem Fahrrad von Friesen nach Kronach. In kaum einem Haus brennt Licht, denn es ist kurz vor 3 Uhr. Gleich nimmt Silvia Bär in Kronach ein Paket an Zeitungen in Empfang, um die druckfrische Ausgabe des Fränkischen Tags an die Abonnenten rund um den Kronacher Kreuzberg zu verteilen.
Dann radelt sie nach Friesen zurück, denn auch dort gilt es von Montag bis Samstag Zeitungen zuzustellen. Bei jeder Jahreszeit, ob es eine laue Sommernacht ist oder eine regnerische und kalte Dezembernacht wie zurzeit. Um halb sieben in der Früh sind die 160 Zeitungen, die die Zustellerin "an den Mann bringen" muss, in den Briefkästen und Zeitungsboxen. Die Abonnenten können die neuesten Nachrichten in aller Ruhe beim Frühstück lesen.
Weite Wege
Bisher wurde die Zeitungszustellerin aus Friesen - so wie die anderen Zusteller auch - nach Stückzahl bezahlt. Bei den oft weiten Wegen zu jedem einzelnen Haus ihres Zustellbezirks kam da kein hoher Betrag pro Stunde zusammen. "Die Wege sind manchmal wirklich weit, bis ich die nächste Zeitung abgeben kann. Auch wenn es mit dem Fahrrad etwas schneller als zu Fuß geht", sagt sie. Ab Januar erhält sie Stundenlohn. Das empfindet Silvia Bär als sehr positiv. Schließlich macht sie ihren Job zu einer Zeit, in der die meisten Menschen noch schlafen. Angst hat sie nicht, mitten in der Nacht allein auf Tour zu gehen. Gefürchtet hat sie sich nur einmal, als ein polizeibekannter Mann in Kronach hinter ihr her lief. Einer ihrer Bekannten, der auch sehr früh zur Arbeit geht, eilte ihr zu Hilfe. Da hat sie erst einmal eine Pause einlegen müssen und erst später die weiteren Zeitungen zu den Haushalten gebracht.
Nach Birnbaum gebracht
Silvia Bär ist ein sehr hilfsbereiter Mensch. Bei ihren Touren in den frühen Morgenstunden ist sie schon über manche "Alkoholleiche" gestolpert. Gut erinnern kann sie sich an einen Mann, der regungslos auf dem Radweg bei Kronach lag. Der war auf dem Heimweg vom Freischießen nach Birnbaum, aber am Stadtrand von Kronach versagten seine Kräfte. Da Silvia Bär an diesem Morgen mit dem Auto unterwegs war, fuhr sie den Betrunkenen heim nach Birnbaum.
"Meist nehm ich ja das Fahrrad, ganz selten mal das Auto", sagt die Friesenerin. Insofern hatte der Zecher also an diesem Tag sehr viel Glück.
Der Mindestlohn
Gesetz Zum 1. Januar 2015 tritt das von der Bundesregierung beschlossene Tarifautonomie stärkungsgesetz ("Mindestlohn"-Gesetz) in Kraft. Laut repräsentativen Umfragen befürworten fast 80 Prozent der Bevölkerung einen gesetzlichen Mindestlohn. Dieser wurde nun mit 8,50 Euro festgelegt.
Branchen Das "Mindestlohn"-Gesetz wirkt sich auf verschiedene Branchen und Bereiche aus. Betroffen ist zum Beispiel die Zustellung der Zeitung, die Fahrt mit dem Taxi, der Besuch beim Friseur oder die Gastronomie. Wir informieren in einer kurzen Serie über die Auswirkungen für den Kreis Kronach. Die in Kronach ansässigen Taxiunternehmen lehnten eine Stellungnahme dazu ab.
Zeitungszustellung Im Verbreitungsgebiet der Mediengruppe Oberfranken mit den Zeitungstiteln "Fränkischer Tag", "Bayerische Rundschau", "Coburger Tageblatt", "Saale-Zeitung" und "Die Kitzinger" stellen täglich rund 2000 Frauen und Männer mehr als 100.000 Zeitungen zu. Die Zusteller erbringen ihre Dienstleistung an mehr als 300 Erscheinungstagen pro Jahr. Je nach Verbreitungsgebiet und Größe des Zustellbezirks beginnen sie ihren Dienst mitten in der Nacht, um eine pünktliche Zustellung zu gewährleisten.
Vergütung Bisher erhielten die Zusteller einen Stücklohn. Sie wurden pro zugestellter Zeitungsausgabe entlohnt. Künftig wird die Arbeit der Zusteller nach den Vorgaben des "Mindestlohn"-Gesetzes nach Stunden entlohnt.
Kosten Durch das "Mindestlohn"-Gesetz verteuert sich die Zustellung der Zeitung pro Erscheinungstag um etwa acht bis zehn Cent.
Fortsetzung In den nächsten Tagen informieren wir Sie über die Auswirkungen des "Mindestlohn"-Gesetzes auf Friseure und Gastronomen.