Sie haben die Lizenz zum Schwärzen
Autor: Heike Schülein
Kronach, Sonntag, 29. Dezember 2019
Autofahrer, Fußgänger, Radfahrer: Sie alle haben schlechte Karten, am "Tag der unschuldigen Kinder" wieder "sauber" nach Hause zu kommen. Denn in Birnbaum und Neufang treiben die Pfefferer ihr Unwesen.
Alljährlich am 28. Dezember, dem "Tag der unschuldigen Kinder", zieht in Birnbaum und Neufang ein Pfeffera-Zug von Haus zu Haus. Am Samstag war es wieder soweit: In beiden Orten pfefferten jeweils an die 20 junge Burschen die Damenwelt.
Birnbaum- Es ist 9 Uhr am Samstagmorgen, als ein seltsam anmutender Zug die Hauptstraße in Birnbaum entlang zieht. Tänzer sind ebenso dabei wie Jäger sowie Korb- und Stock-Träger als auch ein Wagenzieher, Scherenschleifer und Schlotfeger. Für die Musik sorgen Florian auf dem Akkordeon, Michael mit dem Tamburin sowie Kevin mit dem Waschbrett. Dann gibt es noch "Dr. med." Sebastian Münzel, Kassier Julian sowie André und Johannes mit der "Lizenz" zum Pfeffern.
"Halt", ruft es wie aus einem Mund, als sich ein Auto nähert. Die Burschen verstellen die Fahrbahn. Sich ihrer ausweglosen Lage bewusst, lässt die Fahrerin ihre Autoscheibe herunter -wissend, was auf sie zukommt. Der Schlotfeger reibt sich schon einmal die Hände - und zwar mit Ruß. Er beugt sich ins Auto und streicht Doris Hofmann genüsslich mit beiden Händen über die Wangen. Nach einem Tänzchen in Ehren und etwas Geld in die Kasse, wird noch gemeinsam ein Schnäpschen getrunken. Schon ziehen die Pfeffera weiter; liegt doch vor ihnen noch jede Menge Arbeit...
Die Birnbaumerin bleibt nicht die einzige "Angeschwärzte" an diesem Tag. Autofahrer, Fußgänger, Radfahrer: Sie alle haben schlechte Karten, wieder "sauber" nach Hause zu kommen. Gepfeffert werden indes nur die Frauen. Hierfür werden sie zunächst vom Doktor "untersucht", der auch eine Medizin verschreibt - beispielweise ein Glas Rotwein, ein warmes Bad oder eine Massage durch den Ehemann. Anschließend erhalten die Frauen einige sanfte Schläge mit dem Pfefferstrauß - zusammengebundene Zweige - auf die Beinrückseiten. Man spricht dabei auch von Fitzeln.
Wie lange es diesen Brauch in Birnbaum schon gibt, wissen die Burschen nicht. Sicher sind es bereits einige Jahrzehnte, wobei früher wohl insbesondere bei den Bauerfamilien gepfeffert wurde. "Die Leute hatten ja damals kein Geld. Von den Bauern gab es etwas Getreide, das die Pfeffera wieder verkauft haben, um zu etwas Geld zu kommen. Daher spricht man auch heute noch vom Pfefferhafer", erzählen die Pfeffera, die dem Birnbaumer Burschenverein angehören. Die Mitgliedschaft erlischt mit der Heirat. Bis dahin dürfen diese pfeffern, was durchaus eine Ehre darstellt.
Begleitet von den Musikern, werden zwischen den einzelnen Häusern einige Lieder angestimmt. Obwohl sie keinesfalls zu überhören sind, öffnet sich nicht jede Haustür. Meist hängt in diesem Fall jedoch ein Geldkuvert an der Tür und eine kleine Aufmerksamkeit steht davor. Doch die meisten Hausbewohner freuen sich auf den alljährlichen Besuch.
Auf dem Tisch stehen Gläser bereit, Hochprozentiges und Nichtalkoholisches sowie Knabbereien oder ein Imbiss. Da die Burschen bis etwa 18 Uhr unterwegs sind, muss mit den Kräften "gehaushaltet" werden.