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Sexueller Missbrauch: Amtsgericht Kronach urteilt erst am 23. Februar


Autor: Hans Franz

Kronach, Freitag, 03. Februar 2017

Vor dem Amtsgericht Kronach muss sich ein 51-Jähriger wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verantworten.
Einer der Vorwürfe: exhibitionistische Handlung in drei Fällen Symbolfoto: Archiv


Nach einer fünfeinhalb Stunden dauernden Hauptverhandlung am Amtsgericht Kronach hieß das Fazit des Richters Hendrik Wich am Donnerstagabend kurz vor 19 Uhr: Die Sitzung wird unterbrochen und zu einem späteren Zeitpunkt fortgesetzt. Neuer und zugleich letztmöglicher Termin ist der 23. Februar um 10 Uhr. Damit muss ein in Kulmbach wohnender Mann sich noch knapp drei Wochen gedulden, um zu erfahren, wie das Urteil gegen ihn ausfallen wird. Der Angeklagte war im kaufmännischen Bereich tätig und ist zurzeit arbeitslos.
Beschuldigt wird der 51-Jährige, sexuelle Handlungen vor Kindern vorgenommen, und in einem Fall andere Personen durch exhibitionistische Handlungen belästigt zu haben. Hinzu kam, dass er des Weiteren versucht habe, sich eine jugendpornografische Schrift zu verschaffen. Der Anklageschrift, die von Staatsanwältin Julia Haderlein verlesen wurde, war zu entnehmen, dass diese Vorgehensweise strafbar sei. Sie wertet die Taten als exhibitionistische Handlung in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern und "Besitzverschaffung jugendpornografischer Schriften".
Gleich zu Beginn der Sitzung betonte der Verteidiger, Rechtsanwalt Alexander Schmidtgall, dass er Probleme mit der Tatbeschreibung habe. Erwähnt sei, dass die Taten nicht direkt am Körper vorgenommen wurden, sondern das Geschehen aus einer gewissen räumlichen Distanz erfolgte.
Die Handlungen liegen indes schon einige Jahre zurück. So sei die erste Tat zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt zwischen Juli 2010 und April 2011 erfolgt. Der Angegeklagte habe sich seinerzeit auf der Wohnzimmercouch der gemeinsam mit der 13-jährigen Stieftochter bewohnten Wohnung in einem Anwesen in Kronach aufgehalten. Dabei habe er seinen Unterkörper entblößt und vor den Augen des Mädchens an seinem Glied manipuliert. Der fast gleiche Sachverhalt wurde ihm in der Zeit vom April 2011 und April 2013 zur Last gelegt. Dabei sei ihm bewusst gewesen, dass die Geschädigte anwesend war und ihn beim Onanieren wahrgenommen habe. Ein dritter Fall sei im Frühjahr 2013 passiert, als der Angeschuldigte vor der geöffneten Zimmertür des Kinderzimmers erneut seinen Unterkörper entblößte und sich sexuell erregte. Die Anklage warf ihm vor, dies beabsichtigt getan und auch wahrgenommen zu haben, dass er beobachtet werde.
Der vierte Sachverhalt soll am 26.12.2012 über die Bühne gegangen sein. Von einem Laptop aus habe er unter der E-Mail-Adresse "John Zärtlich" die Geschädigte aufgefordert, Bilder von ihr mit nackten Körperteilen zu versenden. Dabei hatte er auch unmissverständliche sexuelle Aufforderungen geschrieben.


"Zusammengebrochen"

Als erste Zeugin erschien die heute 19-jährige Betroffene, deren Mutter mit dem Angeklagten verheiratet war. Die Zeugin wurde vom Richter nach den Vorgängen im einzelnen befragt; sie schilderte teilweise etwas kleinlaut und auch einmal weinend die Vorkommnisse. Da der Verteidiger mehrmals nachhakte und einmal wissen wollte, wie oft ihr Stiefvater auf dem Sofa gelegen habe, fuhr der Richter dazwischen: "Einen Zähler hat das Mädchen sicherlich nicht aufgestellt." Von der Betroffenen war letztlich zu erfahren, dass sie unter den Geschehnissen, die in ihr immer wieder hochgekommen seien, sehr zu leiden hatte - auch heute noch. Sie habe sich ausgenutzt gefühlt, sei in der Schule unkonzentriert gewesen und oftmals zusammengebrochen, sei bei Trainingsstunden in Panik ausgebrochen, habe Angstgefühle bekommen und könne gewisse Farbtöne nicht mehr sehen. Nicht zuletzt aufgrund dieser "unerträglichen Vorfälle" sei die Anzeige bei der Polizei erfolgt. "Ich möchte mit den Vorkommnissen künftig möglichst wenig zu tun haben und mein weiteres Leben mit der Sache nicht mehr belasten", sagte die Schülerin, die therapeutisch betreut wurde.
Dann wurde die Mutter der 19-Jährigen befragt. Die Zeugin hat sich inzwischen aufgrund der Vorfälle scheiden lassen und trägt wieder ihren Geburtsnamen. Auch sie leide sehr. So habe sie sich zum Beispiel mit ihrer Tochter nachts im Schlafzimmer eingeschlossen, als für einige Zeit der Angeklagte wegen zunächst erfolgloser Wohnungssuche noch mit im Haus war.
Von Polizeibeamten war unter anderem zu erfahren, dass auf den sichergestellten Datenträgern nicht nur WhatsApp-Nachrichten und E-Mail-Schriftverkehr gesichtet worden seien, sondern auch Videos, bei denen sich der Angeklagte in gewissen sexuellen Situationen selbst gefilmt habe.


Zweifel des Verteidigers

Im weiteren Verhandlungsverlauf ging der Rechtsanwalt immer wieder auf Anklagepunkte ein, die er nicht akzeptieren könne. Auch mit der Nebenklägerin lieferte er sich so manche Wortgefechte, die an Gerichtssendungen im Fernsehen erinnerten. Während der Richter zuvor noch die Aussagen der Geschädigten als "in glaubwürdiger Art geschildert" einstufte, zweifelte Alexander Schmidtgall deren Glaubwürdigkeit in einigen Punkten an. Dies deshalb, weil durch die bei der Kriminalpolizei gemachten Aussagen sein Mandant - er verhielt sich während der gesamten Verhandlung wortlos und sprach nur einige tuschelnde Worte mit seinem Rechtsanwalt - schwer belastet worden sei. In der nun stattgefundenen Hauptverhandlung will er Abweichungen festgestellt haben. Jetzt geht es in die nächste Runde, zu der auch zwei Beamte der Kripo Coburg geladen werden. Das Dubiose dabei: Einer dieser Beamten befindet sich bereits im Ruhestand.