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Sexueller Kindesmissbrauch: Trau dich, deine Grenzen zu zeigen


Autor: Lisa Kieslinger

Kronach, Dienstag, 23. Mai 2017

Sexueller Kindesmissbrauch - ein Thema, das auch im Landkreis präsent ist: Die Initiative "Trau Dich!" rüttelt mit seinem Theaterstück auf.


Alina ist acht Jahre alt. Ihre Familie ist eine echt glückliche Familie - und bald wird es noch besser, denn Alinas große Schwester Maya heiratet Dennis - ihren Märchenprinz wie er vom Rest der Familie immer genannt wird. Auch Alina mag ihn gerne, schließlich spielt der 20-Jährige immer mit ihr, als wäre er selbst noch ein Kind.

Doch ein Familienpicknick ändert alles: Alina holt gemeinsam mit Dennis den Schokokuchen, den die Familie im Auto vergessen hat. Auf einmal fasst Dennis Alina auf den Oberschenkel und zwischen die Beine. Die Achtjährige will etwas sagen. Doch kann nicht. "Hör mal zu, Alina. Das hier bleibt unser Geheimnis. Du darfst es niemandem sagen", redet Dennis der Achtjährigen ein. Zurück bei den anderen verteilt Dennis den Schokoladenkuchen - als wäre nichts gewesen. Für Alina ist plötzlich alles anders.




So endet eine Szene im interaktiven Theaterstück "Trau Dich!", das vor insgesamt 400 Grundschülern aus dem Landkreis Kronach aufgeführt wird. Das Theater ist das zentrale Element der gleichnamigen bundesweiten Initiative zur Prävention des sexuellen Kindesmissbrauchs vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Das Stück erzählt vier Geschichten von Kindern, die mit einer schwierigen Situation konfrontiert wurden, und bietet gleichzeitig Lösungen an.

Ziel ist es, Kinder zwischen acht und zwölf Jahren über ihre Rechte aufzuklären, ihr Selbstbewusstsein zu stärken und sie zu informieren, wo sie im Notfall Hilfe finden. Bei der Entwicklung des Theaterstücks war es den Schauspielern der deutsch-schweizerischen Theatergruppe "Kompanie Kopfstand" besonders wichtig, einen Bezug zur Realität hinzubekommen. Dafür arbeiteten sie eng mit einer Berliner Schule zusammen.


Situation im Landkreis Kronach

Für das Jahr 2015 weist die Polizeiliche Kriminalstatistik für Bayern 1837 Opfer von sexuellem Kindesmissbrauch aus. "Leider gibt es solche Fälle auch bei uns im Landkreis", sagt Anke Pertsch vom Kreisjugendamt. Und die Dunkelziffer sei sehr hoch. Wie viele Fälle es genau sind, könne sie nicht sagen. "Prävention ist nicht nur ein einzelnes Projekt, sondern eine ganze Haltung", sagt sie.

Christian Krauß ist bei der Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Familien im Landkreis Kronach tätig. Im Durchschnitt gebe es dort jährlich 20 Beratungen im Bereich des sexuellen Missbrauchs - allein im Kreis Kronach. "Und diese 20 ist nur ein Bruchteil, schließlich trauen sich viele Opfer gar nicht, Hilfe zu suchen", erklärt Anni Schuhmann-Demetz von der Notruf- und Beratungsstelle für gewaltbetroffene Frauen und Kinder aus Coburg. Sie ist mit ihrer Kollegin auch für die Kreise Kronach und Lichtenfels zuständig.


Viele Opfer trauen sich nicht, Hilfe zu suchen

Sexueller Missbrauch geschehe oft im sozialen Nahraum. Nicht immer sind es die Opfer selbst, die bei den Beratungsstellen anrufen. "Oft sind es Lehrer oder auch der Hausarzt, der die Familie schon lange kennt und uns kontaktiert", erklärt Schuhmann-Demetz.

Für Kinder sind oft die Lehrer erste Ansprechpartner. "Oft erkennen die Lehrer aber auch die Anzeichen von sexuellem Missbrauch als erstes", sind sich Roswitha Zenk, Schulleiterin der Grundschule Steinwiesen, und Carmen Nüchterlein, Beratungslehrerin an der Lucas-Cranach-Grundschule, einig. In den letzten Jahren sei in Sachen Prävention viel geschehen. Auch im neuen Lehrplan nehme dieses Thema einen großen Platz ein.


Eltern werden sensibilisiert

Neben den Kindern und Lehrern gibt es noch eine weitere Gruppe, auf die die Initiative abzielt: die Eltern. Zu dem Theaterstück gehören auch Elternabende, um die Erwachsenen für das Thema und die Anzeichen von sexueller Gewalt zu sensibilisieren. Bei einer Umfrage der Schauspieler vor dem Theaterstück zeigt sich, dass die Schüler ihren Eltern und ihren besten Freunden vertrauen und diesen auch Geheimnisse anvertrauen würden. Im Fall der achtjährigen Alina, die sich im Theaterstück immer weiter zurückzieht, ist es ihre große Schwester, die als erste von dem sexuellen Übergriff ihres Verlobten auf ihre kleine Schwester erfährt. Die Achtjährige hat es einfach nicht mehr ausgehalten, das schlimme Geheimnis mit sich herumzutragen. Und genau das ist das wichtige und die Quintessenz des Theaterstücks: "Trau dich, etwas zu sagen. Du bist stark."



Wo finde ich Hilfe?

Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Familien
Zielgrupppen: Mädchen, Jungen, Frauen, Männer, Weibliche Jugendliche (14-18 Jahre), Männliche Jugendliche (14-18 Jahre), Angehörige / Bezugspersonen, Fachkräfte, Übergriffige Kinder / Jugendliche

Adresse: Klosterstraße 3, 96317 Kronach
Telefon: 09261/93730
E-Mail: info@eb-kronach.de


BRK Mehrgenerationenhaus Kronach
Zielgruppen: Mädchen, Jungen, Frauen, Männer, Weibliche Jugendliche (14-18 Jahre), Männliche Jugendliche (14-18 Jahre), Angehörige / Bezugspersonen, Übergriffige Kinder / Jugendliche

Adresse: Friesener Str. 46, 96317 Kronach
Telefon: 09261/607215
E-Mail: s.scherbel@kvkronach.brk.de

Beratungsstelle für Kinder und Eltern im Jugendamt in Kronach
Telefon: 09261/678342

Notruf- und Beratungsstelle für gewaltbetroffene Frauen und Kinder

Adresse: Hindenburgstraße 1, 96450 Coburg
Telefon: 09561/ 90155
E-Mail: info@notrufstelle-coburg.de

Die Nummer gegen Kummer - das Kinder- und Jugendtelefon: 116111

Infos Alle weiteren Informationen rund um die Initiative und Beratungsstellen finden Sie unter www.trau-dich.de