Seltenes Dokument der Teilung in Reichenbach
Autor: Heike Schülein
Reichenbach, Montag, 30. März 2020
Die Schule in Reichenbach besitzt ein bemerkenswertes Wandbild, das nun einem Rückbau zum Opfer fallen soll.
Ein 1964 von Hubert Weber geschaffenes Wandbild markiert die innerdeutsche Grenze zwischen Reichenbach und Lehesten. Im dortigen Schieferbruch arbeitende Schieferbrücher aus Reichenbach und Umgebung konnten diese Grenze von 1955 bis 1961 überqueren. Dann schloss sich der Eiserne Vorhang auch dort für Jahrzehnte. Zu finden ist Webers historisch interessante Wachsglättemalerei im Treppenhaus im obersten Stockwerk der alten Reichenbacher Volksschule.
"In den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg wurden öffentliche Gebäude zusätzlich mit Kunst am Bau verschönert. Sie war damals staatlich verordnet. So musste ein bestimmter Prozentsatz der Baukosten dafür verwendet werden", erklärt Kreisheimatpfleger Robert Wachter. Solche Kunstwerke fand man bei nahezu jedem öffentlichen Gebäude, zumeist als Mosaiken, Sgraffiti, Wandgemälde und Brunnen. Hierzu zählten Rathäuser und Krankenhäuser sowie vor allem auch Schulen. Schulreformen und sinkende Schülerzahlen machten viele von ihnen jedoch überflüssig. Die Gebäude aber standen nicht leer. Vereine nahmen sich ihrer an, schufen Vereinszimmer, Jugendtreffs oder Orte der Einkehr bei Dorffesten.
"Gebaut einstmals mit Steuergeldern, im nördlichen Oberfranken oftmals durch die Zonenrandförderung, sind sie heute im Visier geförderter "Rückbaubestrebungen", erläutert Wachter. Einer dieser "Kandidaten" ist die 1963/64 erbaute Schule in Reichenbach. Eine erste Abbruchforderung staatlicher Fördergeber konnte durch Interventionen, unter anderem der Kreisheimatpflege, zwar abgewendet werden, doch soll - staatlicherseits gewünscht - das Raumvolumen reduziert werden. So standen von Anfang an Überlegungen zu einem Abbruch des obersten Stockwerks im Raum. Ausgerechnet hier befindet sich aber im recht repräsentativen Treppenhaus das Wandbild in Enkaustik-Technik vom namhaften Lichtenfelser Maler Hubert Weber - bekannt als "der Maler ohne Hände", da er im Krieg beide Arme verloren hatte. "Solche regionalgeschichtlichen Darstellungen der deutsch-deutschen Grenze sind äußerst selten in diesem Oeuvre", stellt der Kreisheimatpfleger die Bedeutung dieser sowohl aus künstlerischen, als auch aus ortsgeschichtlichen und historischen Gründen sehr beachtenswerten Rarität heraus.
Zur Arbeit nach Lehesten
Seit Generationen arbeiteten viele Reichenbacher in den Schieferbrüchen des benachbarten Ortes Lehesten in Thüringen. 1961 wurde mit dem Bau der Berliner Mauer die nach Kriegsende gezogene Grenze zwischen BRD und DDR auf einmal völlig undurchdringlich, auch zwischen Reichenbach und Lehesten. Genau diese einschneidenden Eindrücke der deutsch-deutschen Teilung präsentiert das große Wandgemälde auf 4,7 m x 3,2 m in der Reichenbacher Schule.
Deutlich durchtrennt die Bildkomposition mittig eine dunkle zackige Linie, die diese Grenze symbolisiert. Bemerkenswert ist außerdem die Darstellung eines historischen Grenzsteines in der unteren Bildmitte.
Während in der rechten Bildhälfte jene Schieferbrüche bei Lehesten mit ihren Arbeitern dargestellt werden, erscheint stark vereinfacht in der linken Bildhälfte der Ort Reichenbach, in der sich Arbeiter mit Aufbauarbeiten beschäftigen. Eine Frau mit Kind weist von hier hinüber nach Thüringen beziehungsweise in die damalige DDR. Reichenbach identifiziert sich auch mit dem Kirchturm seiner 1979 abgerissenen katholischen Kirche.
"Stoff für Mutmaßungen bietet die Tatsache, dass über dem Westen, dem Ort Reichenbach, die Sonne ihre Strahlen sendet, während im Ostern nur ein roter Klecks erkennbar ist, der vielfache Auslegungen zulässt", so der Kreisheimatpfleger. Der reiche Waldbestand des thüringisch-fränkischen Schiefergebirges wird mit stilisierten Nadelbäumen vorgeführt. Haptisch sind zusätzlich im Gemälde echte Bruchsteine eingelassen; auf der Thüringer Bildhälfte wohl Schieferstücke aus Lehesten.