"Die Würde der Frau ist unantastbar" - unter diesem Titel stand der Vortrag von Lea Ackermann in der Kronacher Synagoge.
Sie sind Opfer von Zwangsprostitution und Menschenhandel. Sie fliehen vor Gewalt in den Familien, aus arrangierten Ehen - und suchen Hilfe bei Schwester Lea Ackermann und der von ihr gegründeten Hilfsorganisation Solwodi: Seit mehr als 30 Jahren hilft die Ordensfrau Frauen in Not und versucht, ihnen ihr Würde zurückzugeben. Am Internationalen Frauentag war die Frauenrechtlerin nun zu Gast in der vollbesetzten Kronacher Synagoge. Begleitet wurde sie von Renate Hofmann, Leiterin der Solwodi- Beratungsstelle Bad Kissingen.
Lea Ackermann ist schon vom äußeren Erscheinungsbild nicht das, was man sich gemeinhin unter einer Ordensfrau vorstellt. Und auch ihre Hilfe für Frauen beim Ausstieg aus der Zwangsprostitution würde man sicherlich nicht auf Anhieb mit einer Nonne in Verbindung bringen. Die 79-Jährige mit ihrem freundlichen, gütigen Wesen wird auch schon mal lauter, wenn sie von den Schicksalen der bei ihr Hilfe suchenden Frauen berichtet - Frauen, die zur Prostitution gezwungen, verkauft, versklavt werden. Das Thema öffentlich zu machen - dafür setzt sie sich mit aller Kraft ein: vehement, couragiert, furchtlos nimmt sie dabei alle mit, die ihr zuhören. Dabei ist sie unbequem - gegenüber der Politik und auch der Kirche, in der noch immer die Männer das Sagen hätten.
"Ein Stück vom Paradies"
Immer spürbar ist ihr tiefer christlicher Glauben, der ihr Kraft gibt. Die aus einem Dorf nahe Saarbrücken stammende Schwester gehört dem Orden der "Missionsschwestern unserer lieben Frau von Afrika" - den "Weißen Schwestern" - an. Vor ihrem Eintritt in den Orden war sie eine erfolgreiche Bankerin. Doch sie wollte etwas anderes. Als sie 1985 in Diensten ihres Ordens nach Kenia kam, erschütterte sie die Situation vieler Frauen, die in der Prostitution den einzigen Ausweg aus ihrer Armut sahen. Sie gründete den Verein "Solwodi" (Solidarity with women in distress = Solidarität mit Frauen in Not) in Mombasa. Dieser half zunächst kenianischen Frauen beim Ausstieg aus der Zwangsprostitution. Mittlerweile gibt es die überparteiliche und überkonfessionelle Hilfsorganisation auch in Deutschland und wurde hier vor allem zur Anlaufstelle für Ausländerinnen, die durch Sextourismus, Menschenhandel und Heiratsvermittlung hierher kamen.
Die Trägerin des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse sprach über ihre Zeit als Missionsschwester in Afrika. "Kenia ist ein Stück vom Paradies - das Meer, die Korallenstädte", schwärmt sie. Ihre Stimme verändert sich schlagartig, als sie voller Abscheu über gewissenlose Freier spricht. "Meinst du, es macht Spaß, mit jedem Deppen abzuziehen und sich dabei Krankheiten zu holen?", habe sie von Prostituierten zu hören bekommen. "Die Touristen sind nur auf ein billiges Vergnügen aus und nutzen die Zwangslage der Frauen aus", erbost sie sich. Die oftmals hochtraumatisierten Frauen suchten die Fehler bei sich. "Sie wurden als Kind nicht ernst genommen, nie geliebt. Sie richten ihre Aggression gegen sich selbst", ist sie erschüttert.
In Kenia zählt Solwodi 34 Beratungsstellen. Den Frauen bietet man Ausbildungsplätze als Bäckerinnen, Schneiderinnen, Schumacherinnen, Seifenherstellerinnen und Friseurinnen und man ermöglicht ihnen den Schulbesuch. "Wir haben jedes Jahr mindestens 20 Abiturientinnen", ist sie stolz. Durch die Ausbildung stärke man Frauen, ihr Selbstbewusstsein. "Mit Frauen mit Bildung tut man nicht das Gleiche wie mit Analphabetinnen", zeigte sich die Schwester sicher.
Gesetz kritisiert
Die Zwangsprostitution gebe es auch bei uns, vor der Haustüre. So kämpft die Frauenrechtlerin auch in Deutschland gegen den verdeckten Mädchenhandel. Kinder und Frauen würden mit falschen Versprechungen hierher gelockt, wo sie in der Prostitution landeten. "Frauen, die Gewalt erleben, werden in unser Gesellschaft nicht so ernst genommen", bedauerte sie. Nach den Vorkommnissen in Köln sei ein großer Aufschrei durch Deutschland gegangen. Erst hinterher habe man davon gehört, dass Polizei anwesend gewesen sei und nicht oder nicht ausreichend eingegriffen habe.
Scharf verurteilte sie das Gesetz, das Prostitution in Deutschland als reguläres Gewerbe einstuft. Dieses legitimiere die Frau als Ware. "Das ist kein normaler Beruf", prangerte sie an. In Schweden sei die Prostitution verboten. Für ihre Forderung eines gesetzlichen Verbots des Kaufs sexueller Dienstleistungen habe sie bereits 28 000 Unterschriften gesammelt. Leider seien ihre mehrmaligen Versuche, die Liste an Bundesministerin Manuela Schwesig (SPD) zu übergeben daran gescheitert, weil diese keine Zeit dafür gefunden habe.
"Goldener Apfel" für Lea Ackermann
Begrüßt wurden die Gäste von der Vorsitzenden der Frauenliste Stadt und Landkreis Kronach, Silke Wolf-Mertensmeyer. "In manchen Ländern ist der Internationale Frauentag ein gesetzlicher Feiertag, bei uns im Landkreis findet heute eine Wahlveranstaltung mit Männern statt", warf sie in den Raum. Die Gleichstellung der Frau sei bei weitem noch nicht erreicht. So gebe es beispielsweise noch immer Lohnungerechtigkeiten, die Frauenquote müsse per Gesetz durchgesetzt werden, häusliche und sexuelle Gewalt seien alltäglich. Nunmehr stehe man vor der Herausforderung, dass Menschen anderer - oftmals männerbetonter - Kulturkreise mit anderen kulturellen Prägungen hilfesuchend zu uns ins Land kämen. Es gelte, das von unseren Müttern mühevoll erkämpfte Frauenbild zu erhalten und auszubauen. Sie bedachte zusammen mit Stadträtin Martina Zwosta und Kreisrätin Petra Zenkel-Schirmer (beide Frauenliste) - Ackermann mit dem "Goldenen Apfel". Die Auszeichnung wird von der Frauenliste an Persönlichkeiten verliehen, die sich in überragender Weise für Menschen, Tiere, Umwelt oder den Landkreis einsetzen.