"Schwarz ist der Ozean"
Autor: Heike Schülein
Kronach, Montag, 05. März 2018
In Sachen "Fluchtursachen" erläuterte Serge Palasie wie Sklavenhandel, Kolonialismus und volle Flüchtlingsboote miteinander in Bezug stehen.
"Das Boot ist voll" - Oft wird zwischen "guten und schlechten" Geflüchteten unterschieden. Wer aus Afrika flieht, dem hafte - so Serge Palasie vom "Eine Welt Netz NRW"- oft der negative Ruf eines "Wirtschaftsflüchtlings" an. "Wir unterstellen damit diesen Menschen, dass sie sich bei uns in ein gemachtes Nest auf Kosten der Allgemeinheit setzen wollen, während sie selbst ihr Nest nicht gemacht haben", prangerte der Fachpromotor Flucht, Migration und Entwicklung an.
Auf Einladung vom Arbeitskreis Asyl Kronach und der KAB stellte der die von ihm konzipierte Ausstellung "Schwarz ist der Ozean - Was haben volle Flüchtlingsboote vor Europas Küsten mit der Geschichte von Sklavenhandel und Kolonialismus zu tun?" vor.
In sehr interessanter und spannender Art und Weise gelang es ihm dabei, den zahlreichen Besuchern im evangelischen Gemeindehaus das komplexe Thema Flucht näher zu bringen. Die Ausstellung schlägt einen weiten Bogen von den aktuellen Flucht-Bewegungen bis zur Geschichte Europas und Afrikas der letzten 500 Jahre. Basierend auf dem Zyklus "L'océan noir" des togolesisch-französischen Malers William Adjéte Wilson, der die historischen Etappen in bunten Stoffbildern festgehalten hat, werden auf sechs Roll-Bildern die Beziehungen von Europa zu Afrika kurz und prägnant zusammengefasst: von den ersten Kontakten portugiesischer Seefahrer, bei denen in der Folge Millionen Afrikaner nach Amerika verschleppt wurden, um dort in Sklavenarbeit Rohstoffe wie Zucker und Baumwolle für Europa anzubauen - bis zur kolonialen Zerstückelung des afrikanischen Kontinents im 19. Jahrhundert und den Ursachen für Flucht und Exil heute. "Man kann die Gegenwart kaum verstehen, wenn man die Geschichte nicht kennt", zeigte sich Palasie sicher, dass die Flucht nach Europa und viele Probleme in Afrika untrennbar mit einem halben Jahrtausend afro-europäischer beziehungsweise transaltantischer Geschichte zusammenhängen. Die Ausstellung wolle dazu beitragen, den oft oberflächlichen Diskussionen mehr Tiefe zu verleihen - und zwar ohne einseitige und wenig zielführende historische Schuldzuweisungen. Politiker im globalen Norden erkannten - so Palasie - nicht an, dass direkte Zusammenhänge zwischen den transatlantischen Sklavenhandel und der heutigen Abwehr von Migration bestehen. Die historischen Ursachen der bestehenden Ungleichheit zwischen Nord und Süd liegen im Falle Westafrikas in der Kolonialzeit und dem bereits zuvor einsetzenden Sklavenhandel.
In den aktuellen Diskussionen über Migrationen blendeten die Nutznießer die geschichtlichen Aspekte gerne aus. In der größten Zwangsmigration der Geschichte seien im Zuge des Dreieck-Handels zwölf Millionen Menschen aus Afrika in die Amerikas gelangt. Hier hätten sie als "menschlicher Treibstoff" überhaupt erst die Herausbildung des transatlantischen Raums ermöglicht. Was auf der einen Seite die Entwicklung beschleunigt habe, habe sie auf der anderen Seite verlangsamt. "Man muss handeln und wir tun es nicht", klagte Barbara Heinlein vom Arbeitskreis Asyl an. Um an die Rohstoffe zu kommen, lasse man Kriege in Syrien zu oder ziehe man in Afghanistan willkürliche Grenzen. Auch die Rüstungsenergie verdiene viel Geld mit Waffen. Dass diese Menschen eine Zukunft wollten und flüchteten, sei doch vorhersehbar gewesen. "Wie viele werden noch kommen oder auf der Flucht ertrinken?", fragte sie. Bereits jetzt ertrinke alle drei Stunden ein Mensch im Mittelmeer. Dass wir nicht aus der Geschichte gelernt hätten, sei eine Katastrophe. Sie wünschte sich eine Welt, in der alle Menschen zufrieden leben könnten und sich nicht alles um Wachstum und Geld drehe. Peter Witton und Hinrich Ruyter meinten, dass die Gier wohl in der Genetik des Menschen begründet liege. "Unser Reichtum beruht auf der Armut der Dritten Welt", klagte Witton an, während Ruyter die kaum zu bewältigende Kluft zwischen den Nichtmächtigen und Mächtigen anprangerte. "Das ist desillusionierend", meinte er.
Der Promotor schloss sich dem an. Flucht bleibe noch lange ein Thema entwicklungspolitischer Arbeit. Einerseits tätige die EU Absichtserklärungen zur Überwindung von Fluchtursachen. Andererseits sichere man seine eigene Vormachtstellung - Stichwort Freihandelsabkommen - und konserviere damit die historisch gewachsene Rollenverteilung. Als Historiker frage er sich manchmal, ob er überhaupt etwas erreichen könne. "Insgesamt gesehen ist es wenig. Aber jeder kleine Fortschritt ist besser als nichts.
Unter dem Strich macht es schon Sinn", meinte er und verwies auf Hoffnungsschimmer. Immerhin befänden sich viele der am schnellsten wachsenden Volksökonomen in Afrika. Auch die 17 Weltnachhaltigkeitsziele gäben Anlass zu Hoffnung. Hinzu komme die Weltdekade für Menschen afrikanischer Abstammung, die bis 2024 unter den Schlagworten Anerkennung, Gerechtigkeit und Entwicklung läuft. "Steter Tropfen höhlt den Stein", hoffte KAB-Diözesansekretärin Maria Gerstner und berichtete beispielsweise vom großen Interesse einer zehnten Klasse der RS 1 beim Besuch der Ausstellung. Dies mache Mut für die Zukunft. "Die Erde ist rund. Alles was wir tun, kommt zurück", zeigte sie sich sicher. Im Anschluss nutzten die Besucher ausgiebig die Möglichkeit zum persönlichen Gespräch mit dem Referenten. Solafa aus Syrien hatte leckere landestypische Spezialtäten gezaubert. Einige Flüchtlinge musizierten, trommelten und sangen Lieder aus ihrer Heimat.
Das Eine Welt Netz NRW...
...ist seit 1991 das Landesnetzwerk entwicklungspolitischer Vereine und Engagierter in Nordrhein-Westfalen. Arbeitsschwerpunkte sind die Unterstützung und Beratung im Eine-Welt-Engagement, internationale Freiwilligendienste und Reverse-Programme, Bildungs- und Öffentlichkeitsprojekte, die Vernetzung, Service und Fortbildungen zur Eine Welt-Arbeit in NRW als auch die politische Interessenvertretung der Zivilgesellschaft.
Weitere Termine...
... der Veranstaltungsreihe: 20. März: "Arbeit statt Warten - Warum arbeiten viele Flüchtlinge nicht?" - Podiumsdiskussion mit Vertretern aus der Wirtschaft, den Kammern und der Politik, Moderation: Lars Hofmann / Ulrike Mahr, Beginn: 19 Uhr: Vortragsraum der Kreisbibliothek Kronach, 7. April: "Begegnungstag für Weltbürgerinnen" - Tanz/Entspannung und Kreativität mit Frauen aus unterschiedlichen Kulturen, Beginn: 10 Uhr: Gemeindehaus an der Christuskirche Kronach. Gefördert wird die Reihe vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms "Demokratie leben!", vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration sowie vom Landkreis Kronach.