Druckartikel: Schuldiskussion schreckt Pressig auf

Schuldiskussion schreckt Pressig auf


Autor: Marco Meißner, Alexander Löffler

Pressig, Donnerstag, 28. April 2016

Der Pressiger Rat macht sich angesichts der von der SPD geforderten Gemeinschaftsschule im Norden Sorgen, dass die Mittelschule darunter leiden könnte.
Brächte eine Gemeinschaftsschule im nördlichen Landkreis die Pressiger Mittelschule wirklich in Gefahr? Foto: Archiv


In Pressig sind sie stolz auf den Schulverbund Oberer Frankenwald mit den Mittelschulen in Pressig und Windheim. Doch seit Montag zittert Bürgermeister Hans Pietz (FW) um die 2011 geschlossene Kooperation, um die Zukunft der örtlichen Schule und um die von ihm erhoffte Wirtschaftsschule.

Bei einer SPD-Veranstaltung am Wochenende wurden denkbare Negativfolgen für die beiden Schulen in Windheim und Pressig angesprochen, falls eine neue Gemeinschaftsschule entstehen sollte. Pietz reagierte umgehend mit einem Warnruf in der Kreistagssitzung am Montag und legte am Donnerstag einen offenen Brief an den Landtagsabgeordneten Jürgen Baumgärtner (CSU) nach. "Ein Aufgehen der Mittelschule Pressig in eine Gemeinschaftsschule oder ähnlichem wird es mit uns niemals geben!", heißt es in dem Schreiben.

"Unser jetziges Schulsystem ist im Landkreis gut etabliert", erklärt der Bürgermeister auf unsere Nachfrage. "Das sollten wir nicht auf den Kopf stellen." Wie in seinem Brief so weist er auch am Telefon auf die gute Zusammenarbeit der beiden Schulen mit Industrie, Handel und Gewerbe hin. Er hebt zudem die gute und wohnortnahe Ausbildung der Schüler hervor. Daher lehne der Markt Pressig jegliche Vorstöße ab, die den Schulstandort Schwächen könnten. Unterstützung erfährt er dabei aus den Reihen aller Fraktionen im Marktgemeinderat; unterschrieben haben den Brief neben ihm auch die Fraktionssprecher Klaus Dressel (CSU), Arno Hoffmann (FW) - und sogar Wolfgang Förtsch (SPD).

Pietz unterstreicht, dass diese Reaktion aus Pressig nichts mit dem Landratswahlkampf zu tun habe. Es gehe vielmehr darum, kein falsches Signal nach München zu senden. Wenn dort Gerede über Auflösungserscheinungen in Pressig die Runde machen sollte, dann könnte seiner Meinung nach die angedachte Wirtschaftsschule gleich wieder vom Tisch sein. "In den Ministerien wird schließlich auch Zeitung gelesen. Da kann schnell ein falscher Eindruck entstehen."

Pietz hält es zwar für legitim, dass sich ein Landratskandidat wie Norbert Gräbner (SPD) Gedanken über die Einführung einer Gemeinschaftsschule macht, aber diese Gedanken dürfen seiner Ansicht nach bestehende Einrichtungen nicht schädigen. Deshalb wollten die Pressiger Ratsmitglieder klar zum Ausdruck bringen: "Wir stehen zu unseren Schulen, wollen sie weiterentwickeln und nicht irgendwo in irgendwas aufgehen lassen."


"Reaktion notwendig"

Der Adressat von Pietz' Brief, Jürgen Baumgärtner, hält diese Reaktion nicht nur für nachvollziehbar, sondern sogar für dringend erforderlich. "Ich verstehe Hans Pietz, wenn er am Montag früh ins Rathaus kommt und Zeitung liest", stellt er zum Appell des Bürgermeisters an die Politik fest. Pietz sei sicher aus allen Wolken gefallen, als er die Aussagen bei der SPD-Veranstaltung gelesen habe.

Laut dem Abgeordneten darf die Mittelschule in Pressig nämlich nicht isoliert betrachtet werden. "An der Schule hängt auch das Mittelzentrum", verweist er auf Verbindungen in vielen Bereich des Alltags. Er nennt beispielsweise die Ansiedlung von Betrieben oder den Halt des Zuges. "Pressig will eine Stärkung der Mittelschule. Daher war die Reaktion des Bürgermeisters notwendig. Wenn man das Thema unkommentiert stehen lässt, könnten Zweifel aufkommen", meint Baumgärtner.

Für die Landratswahl sei die jetzige Situation mit einer klaren Kante zwischen der CSU und ihrem Ziel Wirtschaftsschule in Pressig sowie der SPD und deren Thema Gemeinschaftsschule in Steinbach am Wald eigentlich gut, ergänzt der Abgeordnete. Der Wähler könne jetzt genau beurteilen, was er lieber haben möchte.

Der Abgeordnete räumt allerdings ein, dass er ein Zurückrudern Gräbners in Sachen Pressig nicht ausschließt. Wenngleich er sich fragt, wie ohne die seiner Information nach 243 Pressiger Schüler bei nur 179 Schülern in den acht Windheimer Klassen eine neue Schule etabliert werden könnte - unabhängig davon, dass eine Gemeinschaftsschule politisch nicht durchsetzbar sei und ihm der Bau einer neuen Schule auf Kosten einer bereits bestehenden nicht plausibel erscheint.

"Ich habe nie daran gedacht, etwas gewaltsam aufzulösen", geht SPD-Landratskandidat Norbert Gräbner auf den Brief von Bürgermeister Pietz ein. Gräbner betont, die Pressiger Schüler könnten mit in die Gemeinschaftsschule, sie müssten aber nicht: "Es war eine Kann-Formulierung", unterstreicht Gräbner seine Worte. Warum Pietz nun mit so einem Brief reagiert, versteht der Landratskandidat nicht ganz, vermutet aber, dass es die Pressiger durch den gemeinsamen Schulverband mit Windheim falsch verstanden haben könnten.


Gräbner hält an Ziel fest

Trotz der Querelen hält Gräbner weiter an einer Gemeinschaftsschule fest: "Du hast damit alle Optionen und die Chance, eine Schule im nördlichen Landkreis zu etablieren, ohne die Gymnasien und Realschulen in Kronach zu gefährden." Laut Gräbner hat die vom Landratsamt in Auftrag gegebene Potenzialanalyse ergeben, dass nur eine Gemeinschaftsschule Sinn mache. Die dafür erforderlichen 240 Schüler könnten laut Analyse bis 2030 sichergestellt werden. Bis dahin liege das vorhandene Potenzial sogar bei 300 Schülern. "Und dazu braucht es noch nicht einmal die aus Pressig", verdeutlicht Gräbner. Laut einer Simulation resultierten die 300 Schüler zum einen aus den Kindern, welche die Mittelschule Windheim besuchen und zum anderen aus einem Teil der Schüler des gesamten Oberen Frankenwaldes, die angesichts des Angebotes einer Gemeinschaftsschule nicht nach Kronach gehen würden. Der Anteil wäre laut Gräbner wiederum so klein, dass die Schulen in Kronach in ihrem Bestand nicht gefährdet wären.


Unterschiedliche Sichtweisen

Gräbner ist überzeugt von dem Konzept Gemeinschaftsschule: "Die Schule wäre einfach eine Bereicherung für den nördlichen Landkreis." Dass kürzlich der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Kreistagsfraktion, Timo Ehrhardt, eine private Gemeinschaftsschule abgelehnt hat, will Gräbner nicht überbewerten. "Er kann natürlich seine Meinung äußern, aber die kann man auch ändern", betont Norbert Gräbner und verweist darauf, dass alles genau durchgespielt werden müsse. Jedenfalls sieht Gräbner in der Äußerung Ehrhardts ebenso wenig mangelnde Rückendeckung wie in der Tatsache, dass der Brief auch vom Pressiger SPD-Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Förtsch unterzeichnet wurde. "Er sieht das aus der Pressiger Sicht", zeigt Gräbner ein gewisses Verständnis, geht jedoch davon aus, dass Förtsch nicht alle Informationen zur Gemeinschaftsschule vorliegen.