Schüler beleidigt und unter Strom gesetzt: Lehrer aus Kronach vor Gericht
Autor: Friedwald Schedel
Kronach, Mittwoch, 08. Juli 2015
Der Vorwurf wiegt schwer: Ein ehemaliger Pädagoge ist vor dem Schöffengericht wegen Volksverhetzung angeklagt. Seine Ex-Schüler soll er als "Arier" oder Angehörige einer "minderwertige Rasse" bezeichnet und Strom durch ihre Körper geleitet haben. Am 22. Juli fällt das Urteil.
Die Einlassung des angeklagten Pädagogen, die er am Mittwoch zu Beginn der Verhandlung über seinen Verteidiger Josef Geiger verbreiten ließ, zerplatzte schon nach wenigen Minuten bei den Zeugenvernehmungen wie eine Seifenblase.
Während der Lehrer die Bezeichnungen "Arier" und "minderwertige Rasse" im Rahmen des Unterrichts und im Blick auf geschichtliche Hintergründe gebraucht haben will, sagten seine ehemaligen Schüler übereinstimmend aus, dass sie bei ihm gar keinen Sozialkunde- oder Geschichtsunterricht hatten, die Äußerungen im Fach Elektrotechnik gefallen seien - und zwar nicht im Zusammenhang, sondern zu verschiedenen Zeitpunkten.
Ermittlungen wegen Volksverhetzung
Staatsanwalt Michael Imhof hatte die Vorwürfe bereits am 1. Juli bei der auf drei Tage angesetzten Verhandlung vorgetragen: Der Lehrer, der inzwischen in den Ruhestand versetzt wurde, soll vor fast zweieinhalb Jahren zwei Schüler mit Ausdrücken bedacht haben, die Ermittlungen wegen Volksverhetzung in Gang setzten. Einen der jungen Männer, der sich aus einer Laune heraus die dunklen Haare blond färbte, soll der Lehrer als "Arier" bezeichnet haben. Einen anderen, der tschechischer Abstammung, aber in Deutschland geboren ist, soll der Lehrer laut Anklageschrift als "minderwertige Rasse, die nichts kann" tituliert haben. Der Staatsanwalt sah auf Grund seiner Ermittlungen den Vorwurf der Volksverhetzung für gegeben. Der Angeklagte habe in einer Weise, die geeignet sei, den öffentlichen Frieden zu stören, die Menschenwürde anderer angegriffen, so Imhof.
Licht in die Angelegenheit sollten die ehemaligen Schüler bringen, die als Zeugen geladen waren. Richterin Claudia Weilmünster hatte nahezu die ganze damalige Klasse einbestellt. Die jungen Männer kamen aus weitem Umland - auch aus umliegenden Landkreisen - zur Verhandlung nach Kronach und machten ihre Aussagen im Drei- bis Fünfminutentakt.
Der nun wieder dunkelhaarige junge Mann, der sich vor zweieinhalb Jahren, wie er bestätigte, "aus einer Laune heraus" die Haare blond färbte und daraufhin im Unterricht vom angeklagten Lehrer mehrfach als "Arier" bezeichnet wurde, sagte aus, dass er sich diese Bezeichnung verbeten habe. Der Angeklagte gab zu, dass "der Schüler gesagt hat, dass er so nicht bezeichnet werden möchte".
Weitere Beleidigungen
Der Ex-Schüler, der als Angehöriger einer "minderwertigen Rasse, die nichts kann" bezeichnet worden war, betonte, so wie der Lehrer das schildere, sei es auf keinen Fall gewesen. Er bestätigte die Formulierung aus der Anklageschrift. Ein weiterer ehemaliger Mitschüler konnte sich an den genauen Wortlaut der mehrfach gebrauchten Äußerungen erinnern. Der Pädagoge habe zu dem tschechisch-stämmigen jungen Mann gesagt: "Du kannst sowieso nichts. Du bist von einer minderwertigen Rasse!" Weitere Zeugen konnten sich an Formulierungen des Lehrers wie "unarisches Blut", "unreines Blut" und "Schlammblut" erinnern. Es sollen auch Beleidigungen wie "Dummkopf" oder "Blindgänger" gegenüber einem weiteren Schüler gefallen sein. Der jedoch hatte in seiner jovialen und erheiternden Art die Sprüche des Lehrers gar nicht ernst genommen.
Mit zunehmender Zahl an Zeugen nahm deren Erinnerungsvermögen an die fast zweieinhalb Jahre zurückliegenden Äußerungen ihres Lehrers ab. Richterin Weilmünster konfrontierte sie mit ihren bei der Polizei gemachten Aussagen, was ihnen ein bisschen auf die Sprünge half.
Vorwurf der Körperverletzung im Amt
Ein Zeuge, der weder am ersten noch am zweiten Verhandlungstag aussagen konnte, soll auf Wunsch der Verteidigung nun am 22. Juli vernommen werden. Dann geht es ab 9 Uhr im großen Sitzungssaal des Amtsgerichts Kronach nicht nur um den Anklagepunkt Volksverhetzung, sondern auch um den Vorwurf der Körperverletzung im Amt. Wie bereits am 1. Juli von zahlreichen jungen Zeugen geschildert, hatte der angeklagte Lehrer einen Stromversuch mit seinen Schülern gemacht. Um ihnen die Wirkung des Stroms spürbar zu machen, leitete er bis zu 42 Volt und bis zu elf Milliampere durch ihre Körper: von Daumen und Zeigefinger der linken Hand bis zur rechten Hand - und damit über das Herz.
Gerade das hatte ein Sachverständiger des Landeskriminalamts aus München heftig kritisiert. Das sei sehr gefährlich für die jungen Leute gewesen, weil sich der Lehrer nicht über den Gesundheitszustand der jungen Leute informiert habe. Und wenn doch, hätte der Strom niemals über das Herz geleitet werden dürfen. Die beiden Elektroden hätte man auch an Oberarm und Hand anlegen können.
Der Versuch ging gründlich schief
Der Schulleiter war bei der Verhandlung in der vergangenen Woche entsetzt über den Stromversuch des Lehrers. Die Gerätschaften, die der angeklagte Pädagoge verwendet habe, seien für ganz andere Einsätze gedacht.
Wie die Schüler als Zeugen schilderten, war dieser Versuch auch gründlich schief gegangen. Einige klagten hinterher über Kopfschmerzen und Schwindelgefühl, einer hatte sogar Verbrennungen an beiden Händen erlitten, erstattete Anzeige und brachte den Stein und damit die Ermittlungen ins Rollen.
Ob bei diesem Schüler, den der Lehrer angeblich "auf dem Kieker hatte", immer noch 42 Volt eingestellt waren oder sogar 250 Volt, wie der Sachverständige angesichts der Verletzungen vermutete, konnte am ersten Verhandlungstag nicht geklärt werden.