Satire - Wo sind die Grenzen?
Autor: Corinna Igler
Kronach, Donnerstag, 08. Januar 2015
Wie weit darf Satire gehen? Und wie weit die Reaktion darauf? Darüber haben wir nach dem Anschlag auf ein französisches Satiremagazin mit Dekan Dotzauer und Dekanin Richter geredet.
Auch in der Religion gehört Humor dazu. Das sagt Dekan Michael Dotzauer.
Erschrocken war der Geistliche, der seine Pfarrei in Wilhelmsthal verlassen und für ein Jahr nach Frankreich gehen wird, deshalb über die Anschläge auf das französische Satiremagazin Charlie Hebdo. Erschrocken darüber, "dass so etwas passieren kann - und insbesondere, dass es im Namen der Religion geschieht".
Doch auch wenn Humor in der Religion erlaubt sein müsse, dürfe er Gefühle nicht verletzen. Da sei für ihn die Grenze erreicht, so Dotzauer.
Schmunzeln könne der Geistliche dann über Satire, die sich auf Religion bezieht, "wenn diese auch angebracht ist". Beispielsweise, wenn es um das Bodenpersonal der Kirche gehe. "Wenn es aber um Jesus Christus oder Gott geht, dann schmerzt mich das schon sehr. Wenn zum Beispiel ein Kruzifix als Klopapierhalter missbraucht wird, tut das weh", sagt Dotzauer.
Er könne verstehen, dass sich Muslime durch die satirische Darstellung ihrer Religion beziehungsweise ihres Propheten Mohammed verletzt fühlten. Doch trotz allem sei das kein Grund für Gewalt.
Genauso sieht das die evangelische Dekanin Dorothea Richter. "Man muss die Frage andersherum stellen", sagt sie. Nicht, wie weit Satire gehen darf. Sondern, mit welchen Mitteln man sich wehren darf. Und dabei steht für sie eines ganz klar fest: Gewalt gehört nicht dazu. "Es müssen gewaltlose Mittel, gerichtliche Mittel sein. Dass man seinen Zorn durch Mord ausdrückt, ist jenseits aller Möglichkeiten."
Schriftlich protestiert
Man könne sich wehren, aber der Rechtsstaat gebe dabei andere Mittel vor als Gewalt. Auch für sie selbst war bereits mal die Schmerzgrenze erreicht. Das war in ihrer Studienzeit, als eine Fachschaft auf der Uni-Zeitung mit einem Spruch titelte, den die Dekanin lieber gar nicht mehr nennen möchte. "Das hat mich und die Kollegen sehr aufgeregt. Da war die Schmerzgrenze überschritten. Aber wir haben schriftlich protestiert und mit der Fachschaft gesprochen."
Ähnliche Gedanken hat Dotzauer: "Ich weiß nicht genau, wie die Rechtslage in Frankreich dazu ist, aber man hätte besser darauf reagieren sollen, indem man vielleicht rechtliche Schritte eingeleitet hätte. Das wäre der legale Weg, um zu zeigen, wir sind mit dieser Darstellung nicht einverstanden."
Auch wenn sie es bedauern, sagen beide Kirchenvertreter, dass sie mit so einer Reaktion wie am Mittwoch in Paris fast schon gerechnet hätten. "Es gab ja leider schon Beispiele", so Richter. Und Dotzauer erklärt: "Ich kenne das Satiremagazin selbst nur aus Artikeln anderer Zeitungen. Wenn man aber verfolgt, wie dort der Islam präsentiert wurde, musste man fast befürchten, dass mal etwas passiert." Doch wie beide schon betonten: Erschreckend sei die Art und Weise der Reaktion.
Klar unterscheiden
Dennoch sind sie überzeugt, dass nicht alle Muslime so reagieren. Nicht nur, weil sich bereits Muslimverbände von dem Anschlag deutlich distanziert haben. "Man muss da ganz klar unterscheiden", sagt Dorothea Richter. Durch ihre Tätigkeit im gesamten Dekanatsbezirk Kronach-Ludwigsstadt wisse sie, dass gerade im nördlichen Landkreis viele Muslime leben und dort auch gut integriert seien. "Wir dürfen auf keinen Fall alle Muslime damit in Verbindung bringen."
Dotzauer, der bald nach Frankreich ziehen wird, ist gespannt, wie man in der Öffentlichkeit in Frankreich nun mit dem Vorfall umgeht, "inwieweit Sicherheitsvorkehrungen verschärft werden und was das für die Pressefreiheit von Journalisten bedeutet, inwieweit diese sich trauen werden, weiter über den Islam zu berichten".
Kontakt zu Kollegen aus seiner Säkulargemeinschaft in Frankreich hatte er nach dem Anschlag noch nicht. Doch auch hierzulande werde der Anschlag sicherlich Thema bei dem nächsten Seelsorgertreffen im Dekanat sein.