Landkreis Kronach: Fränkische Traditionsbäckerei schließt - nicht nur wegen Corona-Pandemie
Autor: Gerd Fleischmann
Reitsch, Dienstag, 08. Sept. 2020
Sie hat es sich reiflich überlegt: Monika Gartner wird ihre Bäckerei noch im diesen Monat schließen. Ihre Kunden werden nicht nur die beliebten Semmeln vermissen, sondern auch ein Stück Heimat.
Die Reitscher Bäckerei Scherbel - in den letzten Jahren besser bekannt als "Moni's Backstübchen" - macht in der Engelsgasse 3 dicht. Der letzte Verkaufstag ist am Samstag, den 26. September. Damit endet eine über einhundertjährige Bäckertradition im Stockheimer Gemeindeteil.
Nach reiflicher Überlegung hat sich die 51-jährige Bäckerin Monika Gartner, geborene Scherbel, zu diesem drastischen Schritt entschlossen. Mehrere Gründe haben zur Geschäftsaufgabe geführt. Ein Grund war unter anderem die Corona-Pandemie. Schließlich ist mit dem Bäckereibetrieb eine enorme Arbeitsbelastung verbunden. Zum Arbeitsalltag zählte bisher eine 15-Stunden-Schicht. Ein solcher Einsatz zehrt an der Substanz, ist sich Gartner bewusst. Deshalb hat sie schweren Herzens die Reißleine gezogen, um demnächst in einem normalen Arbeitsalltag mit acht Stunden zu starten.
Amaranth begeistert die Kunden
Viele Kunden aus der Großgemeinde Stockheim sowie aus dem Landkreis Kronach werden diese anheimelnde Bäckerei vermissen. Schließlich setzt Gartner auf traditionelle Backkunst. Ihren Beruf übt sie mit großer Leidenschaft aus - vor allem dann, wenn es um Amaranth geht. Das Power-Korn aus Mittelamerika - einst Hauptnahrungsmittel der Inkas und Azteken - fand bis dato begeisterte Anhänger aus dem Kreis der Kundschaft.
Nicht von ungefähr sind ihre Körner- und Bauernsemmeln begehrt. Besonders hat sich der "Reitscher Körnerfreak" über die künstlerische Anerkennung der achtjährigen Zoe Hader aus Stockheim mit Gemäldeeinlagen gefreut: "Moni hat die besten Semmeln auf der ganz Welt", schreibt das Mädchen begeistert. Gerne sind vor allem die Kinder bei der "Moni" ein- und ausgegangen, denn es gab immer wieder Leckereien als Zugabe.
Von Kindesbeinen an dabei
Vor sieben Jahren entschloss sich Gartner, das Erbe ihrer Eltern weiterzuführen. Letztlich war sie immer in der Bäckerei ihres Vaters Hans Scherbel eingebunden - von Kindheitstagen an. "Ich war diejenige von uns drei Geschwistern, die ihr Zimmer über der Backstube hatte, und ich bin sehr oft runter zu meinem Vater und habe zugesehen oder mitgeholfen", erinnert sie sich. So war es nicht verwunderlich, dass sich Gartner für eine Bäckereilehre entschied. "Ich habe in Steinbach am Wald bei den Fiedlers gelernt, es war eine schöne Zeit und wir haben heute immer noch Verbindung", schwärmt sie.
Im November 2013 hat sie sich entschieden, den früheren Kolonialwarenladen und die Bäckerei in vierter Generation zu übernehmen. Als "Körnerfreak" setzte sie vor allem auf die unterschiedlichsten Körnerbrötchen. Ihre Devise zum Start in die Selbstständigkeit: "Ich verwende keine Fertigmischungen, stelle keine Massenware her und möchte mich mit meinem Angebot abheben." Und auch süße Teilchen hat Gartner bisher gebacken, und zwar solche, in denen man die Füllung nicht suchen musste. Die Bestätigung bekam sie von begeisterten Rückmeldungen.
Eine Ära geht zu Ende
Mit dem 26. September schließt in Reitsch eine Bäckerei mit Tradition und Charme, in der das Persönliche - auch der Plausch mit den Kunden - im Vordergrund stand. Und bei ihr wurde auch noch ausgeliefert, wenn jemand, der nicht mobil war, Brot oder Brötchen brauchte. Mit dem Ende der Bäckerei endet eine besondere Zeit, die geprägt ist von Individualität und Menschlichkeit. "Moni´s Backstübchen" ist, und darüber sind sich viele treue Kunden einig, so etwas wie ein Stück Heimat gewesen.