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Reichsbürger in Kronach: Wenig Gefahr, dafür viel Ärger


Autor: Marian Hamacher

LKR Kronach, Freitag, 18. November 2016

Die Bewegung hat auch im Landkreis Anhänger. Derzeit forscht das Landratsamt nach Personen aus diesem Umfeld.
Sogenannte Reichsbürger pochen auf eigene Dokumente, wie diesen Reisepass. Die Polizeigewerkschaft schlägt deshalb jetzt vor, Reichsbürgern sogar den Führerschein wegzunehmen. Foto: Patrick Seeger/dpa


Diskutiert wird über die sogenannten "Reichsbürger" noch immer - auch knapp einen Monat nach den tödlichen Schüssen von Georgensgmünd (Landkreis Roth) auf einen Polizisten. Denn der mutmaßliche Schütze Wolfgang P. (49) soll dieser Gruppierung angehören, die den Staat, vor allem aber dessen Gesetze ablehnt.

Die Vollstreckungsbeamten des Kronacher Amtsgerichts kennen die Bewegung bereits seit Langem: Reichsbürger verweigern die Annahme von Schreiben, erkennen die Bundesrepublik und deshalb auch sämtliche Behörden nicht an. "Die gibt es ja leider überall. Wir würden auf einer Insel der Glückseligkeit leben, wenn wir im Landkreis mit denen nichts zu tun haben würden", erzählt Amtsgerichtsdirektor Jürgen Fehn. "Über meinen Schreibtisch kommt da das Übliche. Die legen ihre aus dem Internet heruntergeladene, sogenannte AGB vor und drohen den Gerichtsvollziehern, sie vor einem ihrer Gerichte auf mehrere Millionen zu verklagen."


"Versuchte Erpressungen"

Eine Währung werde dann aber nicht genannt - schließlich wird auch der Euro als Zahlungsmittel nicht anerkannt. "Die Schreiben werden dann in einem Sammelordner abgeheftet", so Fehn.

Auch beim persönlichen Kontakt bekommen die Gerichtsvollzieher solche Drohungen zu hören. "Das sind dann versuchte Erpressungen", betont der Direktor des Amtsgerichts. Als Jugendrichter hat er im Gerichtssaal aber bisher ebenso wenig direkten Kontakt zu "Reichsbürgern" gehabt, wie Stefan Weckwerth. "Da klopfe ich dreimal auf Holz", sagt der Kronacher Hauptgerichtsvollzieher. "Ich habe zwar einige schwierige Charaktere, aber keine ,Reichsbürger‘." Ein oder zwei seiner Kollegen hätten aus dieser Gruppierung aber "welche in ihrem Bestand".
Eine sonderlich gefährliche Situation habe es aber noch nicht gegeben. "Man kriegt hauptsächlich blöde Antworten, weil sie den Staat ablehnen", sagt Weckwerth.

Anklagepunkte sind demnach meist "Beleidigung" oder "versuchte Erpressung". Zuletzt beschäftigte ein Reichsbürger das Amtsgericht vor einigen Wochen, als er nicht vor Gericht erschien. "Der Grund war aber wohl ein Fehler seines Anwalts, weil ein Termin falsch eingetragen war", sagt Fehn. Es komme allerdings immer wieder vor, dass sich Reichsbürger weigern, die Ladung vor Gericht wahrzunehmen. In einem solchen Fall werde dann gegen ihn ein Sitzungshaftbefehl erlassen. Schlage der Versuch fehl, die geladene Person von der Polizei abholen zu lassen, könne als Ordnungsmittel auch eine Untersuchungshaft verhängt werden. Nach dem Beginn der U-Haft werde dann ein Verhandlungstermin festgesetzt.


Überprüfungen laufen

Soweit kam es in Kronach bislang nicht, dennoch ist man in der Lucas-Cranach-Stadt gewarnt, in der die Sicherheitsvorkehrungen entsprechend verschärft wurden - wie in ganz Bayern. Dessen Innenminister Joachim Herrmann (CSU), forderte zuletzt, "Reichsbürgern" ihre Erlaubnisse für Waffen und Kampfhunde zu entziehen. Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) in Bayern forderte sogar einen Führerscheinentzug für Anhänger der Bewegung. "Wenn jemand die Rechtsordnung ablehnt, darf er auch keine auf dieser Rechtsordnung beruhenden Erlaubnisscheine besitzen", sagte der bayerische DPolG-Chef Hermann Benker.

Aufgrund einer ministeriellen Anordnung forschen derzeit auch die Kreisverwaltungsbehörden nach "amtsbekannten Personen, die eine Nähe zur Reichsbürgerbewegung aufweisen", teilt der Sprecher des Landratsamts, Bernd Graf, schriftlich mit. "Dazu werden unter anderem Unterlagen des für den Vollzug des Staatsangehörigkeitsrechts zuständigen Sachgebiets überprüft."

Zudem seien die Landkreisgemeinden um entsprechende Recherchen gebeten worden - insbesondere im Bereich ihrer Meldebehörden. "Sollte ein auf diesem Weg ermittelter Bürger im legalen Waffenbesitz sein, ist das ein Fall für die Waffenbehörde des Landratsamts", erklärt Graf. "Denn Nähe zur Reichsbürgerbewegung stellt die Zuverlässigkeit im Sinne des Waffenrechts infrage." Sollten Erkenntnisse zu Reichsbürgern gewonnen werden, müsse das Landratsamt diese an das Polizeipräsidium Oberfranken übermitteln. Zusätzlich werde auch bei den Mitarbeitern der öffentlichen Verwaltung überprüft, ob es Hinweise zu einer Nähe zu den Reichsbürgern gibt.

In Bayern wohnen nach Schätzungen des Verfassungsschutzes rund 500 "Reichsbürger". Der Kreis der rechtsextremistisch orientierten "Reichsbürger" im Freistaat wird auf 30 bis 40 Personen beziffert.