Rechnen geht in der Lucas-Cranach-Schule in Kronach auch auf Englisch
Autor: Dominic Buckreus
Kronach, Freitag, 04. November 2016
Die Lucas-Cranach-Grundschule Kronach ist eine Modellschule für zweisprachigen Fachunterricht. Nach dem ersten Jahr zieht die Rektorin Anita Neder Bilanz.
Lesen, Schreiben, Rechnen - das steht normalerweise auf dem Stundenplan von bayerischen Grundschülern. Natürlich auch Musik, Kunst und der Heimat- und Sachkundeunterricht. Doch nun werden diese Fächer auch auf Englisch unterrichtet - und das sogar in der Lucas-Cranach-Grundschule in Kronach. Ist das nicht zu viel für unsere Kinder?
"Die Rückmeldungen sind durchwegs positiv. Wir haben noch nichts Negatives von Eltern oder Lehrern gehört", sagt Rektorin Anita Neder. Seit dem vergangenen Schuljahr ist ihre Schule eine von 21 Modellschulen für die "Bilinguale Grundschule Englisch" - der Erstversuch in Bayern für diese Art Unterricht, die möglicherweise bald bayernweit eingeführt werden könnte (siehe Infokasten).
Jeden Tag Englisch
Das Ziel sei es, dass die Kinder bereits frühzeitig den Rhythmus der englischen Sprache einüben, erklärt Neder. "Wir bauen in den Fachunterricht zweisprachige Sequenzen ein. Der Lehrer unterstützt dabei das Gesagte durch Gestik und Mimik." Konkret heißt das: Die Kinder haben möglichst jeden Tag eine solche Lerneinheit in englischer Sprache. Zunächst in den Fächern Kunst, Musik und Sport, in höheren Jahrgangsstufen auch in Mathematik und Heimat- und Sachkunde. "Wichtig ist, dass die Schüler konsequent täglich Englisch hören", erläutert Neder. Mindestens eine solche Einheit haben die Schüler in der Regel pro Tag - später dann auch mehr. Dabei handelt es sich allerdings nicht um den klassischen Englisch-Unterricht, wie man ihn aus höheren Klassen kennt. "Vokabeln oder Grammatik pauken gehört nicht dazu", sagt die Rektorin. Aber einzelne Satzstrukturen müssten die Grundschüler schon können.
Die Hemmschwelle sinkt
Das alles funktioniere in der bilingualen Klasse - mittlerweile die zweite Jahrgangsstufe - gut, meint sie: "Die Schüler sind in diesem Alter sehr offen für die Sprache." Tatsächlich sind Kinder schon sehr früh in der Lage, eine Fremdsprache zu lernen. "Es gibt da ein gewisses Zeitfenster und das möchten wir einfach nutzen", erklärt Neder. Dieses Fenster öffne sich bereits mit fünf Jahren, später wird es zunehmend schwieriger, neue Sprachen zu lernen. "Die Kinder reden in diesem Alter einfach darauf los. Die Hemmschwelle, die sich bei Jugendlichen oft aufbaut, ist bei ihnen nicht da", sagt die Grundschulrektorin.
Eltern müssen richtig begründen
Die Entscheidung, ob ein Kind diesen zweisprachigen Zweig belegt, liegt zunächst bei den Eltern. Sie müssen zur Anmeldung ein Motivationsschreiben einreichen, in dem sie ihre Entscheidung begründen. "Oft sind es Eltern, die viel unterwegs beziehungsweise auf Reisen sind oder die Verwandte in einem englischsprachigen Land haben", erzählt Neder. Die Begründung der Eltern ist ausschlaggebend dafür, ob ein Kind ausgewählt wird. Dabei werde kein Unterschied zwischen der sozialen Herkunft gemacht, betont die Rektorin: "Es sollte immer ein Querschnitt in der Klasse sein." Auch ein Migrationshintergrund solle kein Ausschlusskritierum sein.
Für die jeweilige Lehrkraft sei ein vertieftes Englisch-Studium Grundvoraussetzung: "Der Lehrer muss perfekt Englisch sprechen können", betont Neder. Neben der Sprache lernen die künftigen Grundschullehrer im Studium auch noch die jeweiligen Schulfächer, sodass sie auch nicht fachfremd unterrichten müssen. Außerdem gehen die Lehrer drei- bis viermal im Jahr auf spezielle Fortbildungen.
Deutschunterricht leidet nicht
Begleitet wird der Modellversuch auch wissenschaftlich. Die Universität Eichstätt-Ingolstadt befragt dazu regelmäßig Eltern, Kinder und Lehrer, dazu prüft sie die Sprachkenntnisse der Schüler. Damit werde klar, wie effektiv der Unterricht ist und wo noch nachgebessert werden muss, sagt Neder. "Die Schüler kommen mit anderen Vorkenntnissen in die höheren Schulen", meint Anita Neder. Die häufige Kritik, diese Art Unterricht würde die Deutschkenntnisse mindern, weist sie zurück: "Das geht problemlos nebeneinander. Das Englische darf nie zu Lasten der anderen Fächer unterrichtet werden."
Die Schüler kommen im Gymnasium viel schneller voran
Der Englischunterricht in der Grundschule betrifft natürlich auch die weiterführenden Schulen und deren Lehrer. So wie Matthias Schneider, Englischlehrer am Frankenwald-Gymnasium.
Erfahrungen hat er bisher nur mit dem regulären Englischunterricht gemacht, der ab der dritten Klasse stattfindet, denn Übertritte aus dem bilingualen Unterricht gab es noch nicht. Er hält die bisherige Methode ab der dritten Jahrgangsstufe für sinnvoll ("Es ist ein gutes Zusatzangebot"), warnt aber gleich vor zu viel Euphorie für den bilingualen Unterricht: "Ich würde aber nicht sagen, dass es ein Allheilmittel ist. Es muss nicht für alle verpflichtend sein."
Bessere Startvoraussetzungen
Seiner Erfahrung nach seien die Startvoraussetzungen für die Schüler besser, wenn sie dann ab der fünften Klasse in den Englischunterricht einsteigen, sagt Schneider. "Eigentlich fangen sie bei unserem Lehrplan wieder bei Null an." Doch viele Inhalte hätten die Schüler dort bereits gelernt, sodass der Stoff nun schneller vermittelt werden könne. Als Beispiel nennt er die Farbenlehre: "Früher habe ich dafür anderthalb Stunden gebraucht. Heute geht das in zwei Minuten."Das Problem seien lediglich die unterschiedlichen Strukturen, denn in der Grundschule werde der Stoff noch spielerisch vermittelt, während im Gymnasium dann Grammatik gelehrt werde.
Freude wecken
Wäre es daher sinnvoll, dies auch schon in der Grundschule zu unterrichten? Da ist der Englischlehrer eher vorsichtig und würde nur ganz niedrig ansetzen: "Das Wichtigste ist, die Freude bei den Schülern zu wecken." Grundsätzlich stehe er dem Modell des bilingualen Englischunterrichts ab der ersten Klasse positiv gegenüber: "Ich finde den Ansatz gut, es werden ja dabei auch die Sinnesorgane für die Sprache geschärft." Er glaubt, dass die Leistungen der Schüler dadurch sogar noch besser werden könnten. Auch viele seiner Kollegen am Frankenwald-Gymnasium stehen diesem Schulmodell zumeist offen gegenüber, sagt er.
Die Bilinguale Modellschule
Englisch wird an bayerischen Grundschulen seit 2000 ab der dritten Klasse unterrichtet.
Der Modellversuch "Lernen in zwei Sprachen - Bilinguale Grundschule Englisch" wurde im vergangenen Schuljahr in Bayern eingeführt. Von der ersten Klasse an wird die Fremdsprache in Teilen des Fachunterrichts verwendet.
21 Grundschulen nehmen in Bayern daran teil. Darunter auch die Lucas-Cranach-Grundschule Kronach.
Das freiwillige Angebot kann nur mit Zustimmung der Eltern und der Schule wahrgenommen werden.
Unterstützt wird der Modellversuch vom Bayerischen Kultusministerium, der Stiftung Bildungspakt Bayern und der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw). Die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt begleitet den Versuch wissenschaftlich.