Druckartikel: Raum mit besonderem Charme

Raum mit besonderem Charme


Autor: Lisa Kieslinger

Steinwiesen, Mittwoch, 25. Mai 2016

Im Gasthof "Zum goldenen Anker" in Steinwiesen darf seit fünf Jahren geheiratet werden. Die Idee kam von einem Pärchen, das hier Urlaub gemacht hat.
Das Herzstück des Raumes: Der Tisch, an dem getraut wird.  Fotos: Lisa


Die Augen von Margrita Baaser leuchten, während sie aus dem Nähkästchen plaudert. In ihren 39 Jahren als Standesbeamtin im Rathaus in Steinwiesen hat sie schon einiges erlebt. Ein Hund bei der Zeremonie, eine Zusammenarbeit mit einem Gebärden-Dolmetscher oder auch eine Hochzeit mit 18 verschiedenen Nationalitäten. "Man erinnert sich wahnsinnig gerne daran zurück. Jede Hochzeit war auf ihre Art und Weise wunderschön", sagt sie.

In den vielen Jahren hat Margrita Baaser auch die Veränderungen in der Hochzeitslandschaft miterlebt. "Früher gingen die Brautpaare nach der standesamtlichen Trauung am Samstag gleich weiter in die Kirche." Heute würden viele gar ganz auf die kirchliche Trauung verzichten. "Dadurch spielt sich seit einigen Jahren alles im Rathaus ab", meint die Standesbeamtin.



Der Platz reicht nicht mehr aus

Das Trauzimmer im Rathaus reicht dafür oft schon gar nicht mehr aus. "Die Brautpaare kommen nicht wie früher nur mit Trauzeugen und Eltern, sondern bringen die ganze Gesellschaft mit", erzählt die Standesbeamtin. Dafür müsse sie dann oft den großen Sitzungssaal herrichten, damit auch wirklich alle rein passen. Viele Brautpaare, die Margrita Baaser getraut hat, waren keine Einheimischen, sondern nutzten ihren Urlaub für die Eheschließung. "Gerade die von außerhalb möchten etwas Besonderes haben." Und da müsse eine jede Gemeinde heutzutage auch mitziehen. Für Steinwiesen war eine Trauung im Rodachtal-Express im Gespräch. Doch vom Landratsamt ist das nicht genehmigt worden.

Ein Paar aus Sinsheim kam dann mit einer Idee um die Ecke, die auch das Landratsamt sofort überzeugte. Die beiden haben Wurzeln in Nordhalben und haben viele Jahre ihren Urlaub im Gasthof "Zum goldenen Anker" in Steinwiesen verbracht. "Sie haben damals zu mir gesagt: Wir würden gerne hier heiraten. Aber nur im Gasthof ,Zum goldenen Anker‘", erzählt die Standesbeamtin. Auch die Wirtin, Edite Maria Kolb-de Souza-Leo, war von der Idee des Paares direkt begeistert.


Umbau war gerade im Gange

Zu dieser Zeit wurde gerade der Gasthof rundum erneuert. Warum also nicht ein Trauzimmer einrichten? "Der Architekt hat diesen Raum nach historischen Vorgaben renoviert", erzählt Wirtin Edite Maria Kolb-de Souza-Leo. Die Decken wurden wieder angehoben und die alten Fenster bewusst erhalten: Der Raum solle schließlich seinen besonderen Charme behalten. Die Farbe habe der Architekt extra aus Öl und Eigelb gemischt. "Ich weiß noch, wie er immer in die Küche kam und nach noch einem Eigelb gefragt hat", erinnert sich die Wirtin.

Alte Stühle, ein Sofa und ein Sekretär waren noch von den Eltern vorhanden und machen die Atmosphäre in dem Raum perfekt. "Die Brautpaare fühlen sich hier immer gleich geborgen", meint die Standesbeamtin. Direkt an das Trauzimmer schließt sich ein großer Balkon an. "Wir hatten schon viele Hochzeiten, wo ein Teil der Gesellschaft durch die offenen Fenster die Zeremonie verfolgt hat", erzählt die Wirtin des Gasthofes. Und das spricht besonders Brautpaare mit großer Gesellschaft an, denn auch in das Grimmezimmer passen nur bis zu 25 Gäste.
Nach der offiziellen Widmung durch das Landratsamt fand im Jahr 2011 die erste Trauung statt. Und natürlich war dieser Termin direkt für das Paar aus Sinsheim reserviert. Insgesamt wurden bis jetzt sieben Paare in dem Grimmezimmer im Gasthof "Zum goldenen Anker" verheiratet. Die meisten davon haben Edite Maria Kolb-de Souza-Leo und Margrita Baaser persönlich gekannt.

"Ich bin bei den Trauungen immer genauso aufgeregt wie die Braut - vielleicht sogar noch mehr", meint die Wirtin und lacht. Tränen sind bei den beiden Frauen während der bis jetzt sieben Hochzeiten im Grimmezimmer auch schon einige geflossen. Da machen sie kein Geheimnis daraus.


Feiern im ehemaligen Stall

Die Paare, die im Gasthof die letzten Jahre geheiratet haben, sind auch zur Feier danach dort geblieben. Im Hinterhof befindet sich ein wahres Schmuckstück. Früher war es mal der Stall, doch jetzt ist davon überhaupt nichts mehr zu erahnen. Gewölbte Decken, Säulen und Sandstein versprühen beim Betreten ein ganz besonderes Flair.

Platz ist für 64 Leute. Und alles barrierefrei: "Besonders wegen der Hochzeiten haben wir das gemacht. Schließlich sollen Oma und Opa mitfeiern können, auch wenn sie nicht mehr so gut zu Fuß sind", meint die Wirtin.