Rainer Detsch: "Auf mein Team bin ich stolz."
Autor: Marian Hamacher
Stockheim, Freitag, 27. Januar 2017
Der Stockheimer Bürgermeister hat keinen Gegenkandidaten. Weshalb sich der Weg zum Wahllokal dennoch lohnt, erklärt er im Interview.
Ins Amt kam er mit einem Paukenschlag: Als am 13. Februar 2011 die Ergebnisse der Stockheimer Bürgermeister-Wahl veröffentlicht wurden, waren nicht wenige überrascht, dass es der Kandidat der Freien Wähler war, der die Mehrheit der Stimmen erhielt - schließlich war Rainer Detschs Gegenkandidat der langjährige Bürgermeister Albert Rubel (CSU), der sich nach 24 Jahren noch einmal wählen lassen wollte.
Dass nun er es ist, der seinen Schreibtisch räumen muss, muss Detsch allerdings nicht befürchten. Wenn sich der 58-Jährige am 5. Februar zur Wiederwahl stellt, wird sein Name der einzige auf der Liste sein.
Zeit ist ja immer relativ: Wie weit ist dieser 13. Februar 2011 heute für Sie weg? Fühlt es sich nach mehr oder weniger als sechs Jahren an?
Rainer Detsch: Sowohl als auch. Auf der einen Seite frage ich mich schon, wo die sechs Jahre geblieben sind. Die sind wirklich ratzfatz vorbei gewesen. Wenn ich allerdings Revue passieren lasse, was in diesen sechs Jahren alles passiert ist, was wir alles bewegt haben, was in Stockheim alles passiert ist? Da muss man schon zufrieden sein. Es ist aber auch alles so schnell vergangen, weil es eine sehr ausgefüllte Zeit war. Eine 70- oder 80-Stunden-Woche ist ja normal. Aber man sieht auch die Ergebnisse und die spornen immer wieder neu an. Ein Projekt folgt dem anderen - und wenn das Projekt steht und erfolgreich umgesetzt ist, kommen schon wieder neue Ideen, neue Möglichkeiten, neue Chancen. Das Potenzial in Stockheim ist groß. Da sind dann auch die 70 oder 80 Stunden in der Woche manchmal zu wenig.
Wo sehen Sie für Stockheim denn das größte Potenzial?
Vor allem im Engagement der Bürger, in den Vereinen, der Kirche, den Sozialverbänden und in der positiven Entwicklung Stockheims insgesamt. Wenn ich die Angebote der Grundversorgung sehe, unsere gemeindlichen Einrichtungen, das Einkaufszentrum in zentraler Lage in Stockheim, unseren Einzelhandel und die Gastronomie in unseren Ortschaften, unsere starken Betriebe, dann denke ich, dass wir schon gut aufgestellt sind.
Geht das präziser?
Wir haben schon jetzt eine gute Wohnqualität und Infrastruktur. Die medizinische Versorgung ist zufriedenstellend. Wir haben Ärzte vor Ort, Physiotherapeuten und eine Apotheke. Wir haben ein Seniorenheim, eine Tagespflege, Kindertagesstätten mit ausreichend Plätzen und eine Grundschule mit breitem Betreuungsangebot. Es ist alles da, was die Grundversorgung anbetrifft. Sicherlich sind wir auch durch die Lage im südlichen Haßlachtal mit den kurzen Wegen - auch in die Kreisstadt - bevorteilt. Dazu kommt die gute Anbindung mit der Bahn. Mit dem Franken-Thüringen-Express kann man in relativ kurzer Taktung ohne Umstieg bis nach Nürnberg fahren.
In die andere Richtung ist aber noch etwas Luft nach oben, oder?
In den Norden gibt es sicherlich noch Nachholbedarf, was die Bahnstrecke nach Thüringen angeht und weiter nach Berlin. Aber ansonsten fühlen wir uns sicher nicht abgehängt und können mit einer guten Verkehrsanbindung auch werben.
Das klingt optimistisch.
Ich halte wenig davon, wenn immer nur gejammert wird. Wir müssen unsere Region nicht schlecht reden. Wir nehmen eine gute Entwicklung. Die Grundstimmung ist gut, wir fühlen uns wohl und leben gerne hier. Den Optimismus nehme ich aus der Überzeugung, dass wir viel zu bieten haben. Wir haben ein sehr ausgeprägtes ehrenamtliches Engagement, haben eine kulturelle Vielfalt in unseren Vereinen und verfügen über ein attraktives Ortsbild, eine Gemeinde mit dörflichem Charme und städtischen Angeboten. Die Aufgabe bleibt natürlich, weiter daran zu arbeiten, die Entwicklung voran zu treiben, Potenziale zu erkennen und weiter zu entwickeln. Da gilt es auch Prioritäten zu setzen und zu überlegen, wo man Unterstützung und Unterstützer braucht. Und es gilt, Gelegenheiten zu schaffen, Menschen in Projekten mitzunehmen, neues Bürgerengagement zu entwickeln und Kräfte zu bündeln. Das Organisieren und Begleiten solcher Prozesse ist eine äußerst interessante, wichtige und letztlich auch sehr erfüllende Aufgabe.
Was schätzen Sie, welche Themen in ihrer zweiten Amtszeit wichtig werden?
Zentrale Aufgabenfelder sind für mich der weitere Ausbau einer bedarfsgerechten Kinderbetreuung. Da sind wir schon gut unterwegs. Dazu eine starke Grundschule, mit einer qualifizierten Nachmittagsbetreuung. Aktuell ist es so, dass die Hälfte der Kinder in der Nachmittagsbetreuung bleibt. Der Bedarf ist also groß und wird wohl noch steigen. Dem stellen wir uns. Dann wollen wir natürlich ein solider Gewerbestandort mit sicheren Arbeitsplätzen bleiben - mit Potential auch im Dienstleistungsbereich. Wir verfügen über ein breites kulturelles und soziales Leben, auch das will gepflegt sein, in den Vereinen, der Kirche und überhaupt im ehrenamtlichen Bereich. Das ist Chefsache, dass man da größte Wertschätzung und Unterstützung entgegenbringt.
Tourismus spielt in Stockheim ja noch eine eher untergeordnete Rolle. Ist angedacht, dort an ein bis zwei Schrauben zu drehen?
Stimmt, wir sind jetzt nicht die klassische Tourismusregion. Was wir brauchen sind attraktive Freizeit- und Naherholungsangebote. Das ist unser Ansatz. Daraus entwickelt sich mittelfristig auch ein Angebot für den Tourismus. Es sollten doch erstmal die Leute vor Ort mit dem Angebot zufrieden sein. Das andere entwickelt sich dann wohl auch Schritt für Schritt. Da werden wir weiter dran bleiben. Etwa mit dem Ausbau unserer Wander- und Radwege.
Wie sieht es mit dem Bergbau aus?
Unsere bedeutende Bergbaugeschichte hat großes Potential und ist deshalb eine zentrale Aufgabe, der wir uns weiterhin stellen wollen und müssen. Zusammen mit dem Förderverein Bergbaugeschichte, der Bergmannskapelle, und dem Knappenverein haben wir das Ziel, den Bergbau und seine große Geschichte hier in Stockheim besser darzustellen und als Alleinstellungsmerkmal auszubauen. Das ist auch wichtig für die Region. Wir haben ja schon einige Leuchtturmobjekte, wie die Festung Rosenberg und die wunderschöne Altstadt in Kronach, das Tropenhaus in Tettau, die Flößertradition in Wallenfels oder die Arnikastadt Teuschnitz, um nur einige Beispiele zu nennen. Da wollen auch wir uns mit unserer Bergbaugeschichte Stockheim mehr zeigen und mit dazu beitragen, dass das Freizeit- und Naherholungsangebot in unserem schönen Frankenwald noch erweitert wird.
Wodurch soll es denn anwachsen?
Durch eine museale Einrichtung, themenbezogene Wanderwege. Die Geschichte des Bergbaus betrifft ja nicht alleine Stockheim. Eine ganze Region hat davon gelebt. Es waren in der großen Zeit des Kohleabbaus mal über 500 Bergleute unter Tage. Aus allen Richtungen kamen sie in die Gruben im Haßlachtal und im angrenzenden Thüringer Bereich, in Neuhaus-Schierschnitz. Das gilt es darzustellen und unsere Geschichte so zu bewahren und zu vermitteln.
Als Leiter der Berufsberatung der Arbeitsagentur in Coburg hatten Sie ja bereits Erfahrung in einer Führungsrolle. Fiel der Wechsel auf den Bürgermeisterposten dadurch leichter?
In Bezug auf die Führungsaufgaben, die ein Bürgermeister zu bewältigen hat, fiel mir der Wechsel nicht allzu schwer. Man wechselt die Institution und bekommt ein neues Team in einer funktionierenden Verwaltung mit einem qualifizierten Personal. Das sind hier alles sehr gute Leute. Darauf zurückgreifen zu können, ist wunderbar und da bin ich auch sehr dankbar. Ich bin nach meiner Wahl sehr gut aufgenommen worden. Und wenn man es mit Erfahrung und etwas Feingefühl angeht, dann läuft es ganz gut.
Startschwierigkeiten gab es also keine?
Keine Startschwierigkeiten. Im Rückblick lief es wohl am Anfang mit etwas reduzierter Geschwindigkeit. Ich vergleiche es immer mit einer Stabsstelle in einer Großorganisation. Je länger du dabei bist, desto mehr Arbeit schaffst du dir selbst, weil du einfach mehr Zugriff auf einzelne Projekte erlangst, selbst vieles immer mehr anstößt, begleitest und umsetzt. Das kommunale Netzwerk entwickelt sich, Chancen und Möglichkeiten bieten sich und müssen genutzt werden. Damit wird zwangsläufig auch die Arbeit mehr. Im Rückblick habe ich das Gefühl, dass das erste halbe Jahr wohl etwas relaxter war als jetzt. In der Anfangszeit sah mein Schreibtisch jedenfalls noch etwas aufgeräumter aus. Aber das ist ja das Schöne: in jeder Mappe steckt ein anderes Projekt. Da können gerne noch mehr Mappen dazu kommen.
Gibt es Projekte, auf die Sie nach den ersten sechs Jahren besonders stolz sind?
Besonderen Stolz auf bestimmte Projekte empfinde ich eigentlich nicht. Als Fußballer würde ich es so ausdrücken: "Nach dem Spiel ist vor dem Spiel." Du hast gar nicht die Zeit, irgendetwas besonders groß zu feiern. Du arbeitest an dem Projekt, musst mal größere, mal kleinere Steine aus dem Weg räumen, dann steht das Projekt irgendwann und schon steht das nächste und übernächste an. Es geht immer weiter und am Ende zählt nur das Ergebnis.
Aber herausheben möchten Sie keines?
Was wohl ein Vorzeigeobjekt ist, ist unser Einkaufszentrum im Industriegebiet. Da gehört aber auch dazu, zur richtigen Zeit die richtigen Investoren am richtigen Ort zu haben. Dann muss es einem noch gelingen, sie weiter zu motivieren, dran zu bleiben und in die Realisierung zu bringen. Da bedarf es der ideellen Unterstützung, dass man seine Person mit einbringt, Projekte begleitet, unterstützt und Imagepflege für die Gemeinde betreibt. Bei einer Gewerbeansiedlung gehört grundsätzlich auch etwas Glück dazu, Fügung, der richtige Moment, an dem man einsteigt, dranbleibt, bei einem Investor nachhakt, Unterstützung anbietet, um nicht in Vergessenheit zu geraten.
Glück kann man ja aber auch erzwingen...
Klar und man muss alles politisch auch gut vorbereiten und bearbeiten. Deshalb ist es bei mir mit dem Gefühl von Stolz auch nicht so weit her. Als Bürgermeister schwebt man ja nicht irgendwo in der Luft. Ich sehe mich da eher als Teamleiter eines starken Teams. Auf mein Team bin ich stolz.
Und wer ist im Team?
Die 20 Gemeinderatsmitglieder. Das Gremium entscheidet ja, ich habe nur eine Stimme. Du musst mit deiner Verwaltung zusammen Themen gut vorbereitet in die politische Diskussion geben, Argumente liefern und dann den Ehrgeiz haben und die Überzeugung, weil es nur so gut ist, dass möglichst mit einer großen Mehrheit die Entscheidungen getroffen werden. Das erreichen wir in der Regel immer, da gab es in den letzten sechs Jahren nur ganz wenige Ausnahmen. Das ist auch unser großes Plus und hat enorme Strahlkraft nach außen, auch gegen die Politikverdrossenheit der Leute. Auf dieses gute Miteinander, das wir im Gemeinderat pflegen, bin ich dann doch etwas stolz.
Was motiviert Sie?
Der direkte Kontakt mit den Menschen motiviert am meisten, Vertrauen gegen Vertrauen, zu geben und viel zurückbekommen. Dass die Arbeit auch anerkannt wird, spürt man dann im täglichen Miteinander - auch im Gremium. Dort gehen wir in einer freundschaftlichen Art und Weise miteinander um. Das motiviert mich mit am meisten. Am Ende ist es doch so wie in jedem anderen Job auch: die intrinsische Motivation. Es muss von innen kommen.
Und womit wird Ihr innerer Antrieb befeuert?
Das ist aber eine sehr komplexe Frage. Ich versuch sie mal etwas anders zu beantworten: Man muss aufpassen, dass man diesen inneren Antrieb auch manchmal etwas zurückfährt, man braucht auch Inseln, wo man ihn nicht ganz so extrem spürt. Nicht nur einmal im Jahr eine Woche Urlaub, sondern kleine und große Inseln vor Ort, die es zu pflegen gilt, Familie, Freunde und Hobbys, die noch übrig geblieben sind bei der begrenzten Freizeit.
Welches Hobby hat denn die Jahre überdauert?
Ich habe lange Jahre Squash gespielt und Tennis, bin gerne auch Ski gefahren. Dafür ist aktuell eher wenig bis gar keine Zeit. Eigentlich komme ich vom Laufsport. Mir ist es im Moment nur zu kalt bei den Minusgraden, das muss ich nicht haben. Wenn es von den Temperaturen besser wird, geht es wieder zum Joggen, die alten Knochen bewegen. Ansonsten natürlich und vorrangig die Familie.
Es ist ja ein recht ungewöhnlicher Wahlkampf, schlicht, weil es keinen Wahlkampf gibt. Hätten Sie sich im Sinne der Demokratie einen Gegenkandidaten gewünscht?
Es hat mich sehr gefreut, dass mir neben meiner eigenen Fraktion auch die CSU und die SPD diese Wertschätzung entgegenbringen. Wobei es ja so ist, dass auch sie sich freuen können. Denn es ist ja vor allem auch ihre Leistung, was wir in den letzten Jahren geschafft haben. Ich habe meinen moderierenden Teil dazu beigetragen. Und ganz ehrlich: Ich möchte den hören, der sagt, er hätte lieber einen Gegenkandidaten gehabt, der Demokratie wegen. Glauben würde ich ihm das nicht. Keinen Gegenkandidaten zu haben ist mir insofern auch angenehm, weil eine Wahl durchaus auch Unruhe in ein Gremium bringen kann. Dafür sind wir aber momentan viel zu gut unterwegs in einem recht freundschaftlichen Verhältnis zueinander. Da muss ich das nicht unbedingt haben. Dann ist halt nur einer da, aber auch der muss erst mal gewählt werden.
Haben Sie Sorge, dass die Wahlbeteiligung darunter leidet?
Ich hoffe und wünsche uns allen, dass der Wähler uns, der kommunalpolitischen Familie, seine Wertschätzung entgegenbringt und zur Wahl geht, dass viele zur Wahl gehen und sich nicht sagen, dass es ja eh schon entschieden ist. Mit seiner Stimme kann der Wähler zeigen, dass er mit dem zufrieden ist, was wir im Gemeindegremium und mit unserer Gemeindeverwaltung in den letzten Jahren alles auf die Beine gestellt und dass wir unsere Gemeinde weiter erfolgreich vorangebracht haben.