Rabenschwarzer Tag für Zeuginnen in Kronach
Autor: Friedwald Schedel
Kronach, Mittwoch, 08. Juni 2016
Ein 34-Jähriger wurde vom Vorwurf der sexuellen Nötigung und der Freiheitsberaubung freigesprochen.
Es war ein rabenschwarzer Tag für die beiden jungen Damen. Nicht nur, weil sie gänzlich in Schwarz gekleidet waren, sondern weil sie sich bei ihren Aussagen am Mittwoch vor dem Schöffengericht Kronach so in Widersprüche verhedderten, dass nicht nur Staatsanwaltschaft-Gruppenleiterin Jana Huber mehr als einmal der Kragen platzte.
Die Staatsanwältin beantragte nach Ende der Beweisaufnahme einen Freispruch für den 34-jährigen Angeklagten und die Übernahme der Verfahrenskosten durch die Staatskasse. Sie räumte ein, dass die Ermittlungsbehörden die verschiedenen Bausteine, auf die sich die Anklage stütze, falsch eingeordnet hätten. Verteidiger Till Wagler wollte neben Freispruch und Übernahme der Kosten durch den Staat auch noch eine Entschädigung für die erlittene fast einmonatige Untersuchungshaft seines Mandanten. Auch diese gewährte das Schöffengericht unter Vorsitz von Richterin Claudia Weilmünster. Die begründete den Freispruch damit, die beiden 17 und 18 Jahre alten Zeuginnen hätten ihre Aussagen bei Polizei und vor Gericht mehrfach abgeändert. Erhebliche Widersprüche, die nicht aufzuklären seien, blieben. Es lasse sich kein strafrelevanter Sachverhalt feststellen.
Weitere Konsequenzen
Reden ist Silber, Schweigen ist Gold, lautet eine altbekannte Redensart. Der Angeklagte hüllte sich während der gesamten Verhandlung in Schweigen und konnte nach dem Urteil sogar wieder lächeln. Ganz anders sein 17-jähriges angebliches "Opfer" und dessen 18-jährige Freundin, die zweite Zeugin. Beide gaben bereitwillig Auskunft - aber nur zu Nebensächlichkeiten. Wo sie auf den Punkt kommen sollten, konnten sie sich plötzlich nicht mehr erinnern. Da wurde Verteidiger Till Wagler angesichts des jugendlichen Alters der beiden Damen unwirsch und nahm ihnen die Amnesie nicht ab. Er vermutete Absprachen der beiden. Die schauten am Ende denn auch bedröppelt drein und zogen gemeinsam von dannen. Auf die 17-Jährige können sogar noch weitere Konsequenzen zukommen. Nicht nur wegen der falschen Aussagen, mit dem sie den 34-Jährigen in die Bredouille gebracht hat. Sie räumte ein, dass sie nach der Tat von einer Freundin, deren Namen sie nicht preisgeben wolle, Beruhigungspillen bekommen habe. Auf Nachfrage gab sie zu, dass es sich dabei um Drogen gehandelt habe. Rechtsanwalt Till Wagler regte daraufhin einen Drogentest an, denn bei der bis zum Gesäß reichenden langen Mähne der 17-Jährigen könne man Drogenspuren auch jetzt noch im Haar feststellen.
Der Vorwurf
Um was ging es? Die Staatsanwaltschaft warf dem Angeklagten harten Tobak vor: sexuelle Nötigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung. Am 3. Oktober vergangenen Jahres soll er die 17-Jährige, die auf dem Nachhauseweg von der Arbeit war, angesprochen und unter einem Vorwand mit auf sein Zimmer in einer Pension im südlichen Landkreis gelockt haben. Und das laut Anklage mit Gewalt. Dort soll es zu sexuellen Übergriffen gekommen sein. Der 34-Jährige soll die 17-Jährige an Oberkörper und Unterkörper begrapscht und von ihr sexuelle Handlungen gefordert haben. Als sie dies ablehnte, habe er sich selbst befriedigt und ihren Pulli verunreinigt. Als sie weinte, soll er von ihr abgelassen haben. Soweit die Anklage.
Unterschiedliche Voicemails
Was im Laufe der Verhandlung zutage trat, klang nicht gerade positiv für das angebliche "Opfer". Die junge Dame hatte mit dem 34-Jährigen die Handynummern ausgetauscht - "Welches Opfer tut das mit seinem Peiniger?", fragte Till Wagler - und die 17-Jährige lächelte auf zwei Selfies, die aufgenommen wurden, als beide auf dem Bett des Angeklagten saßen. Auch hinsichtlich des durch die Körperflüssigkeit des Angeklagten angeblich besudelten Pullis der 17-Jährigen gab es Widersprüchliches. Einmal sagte sie, dass sie das Kleidungsstück in die Wäsche gegeben habe, dann wiederum gab sie an, dass sie den Pulli aus Ekel weggeworfen habe. Verteidiger Wagler fand Letzteres schade, denn dann hätte man ja Spuren des Angeklagten finden können, falls denn welche drauf gewesen wären.
Das Fass zum Überlaufen brachten aber zwei Sprachnachrichten, die das 17-jährige "Opfer" seiner 18-jährigen Freundin, der zweiten Zeugin in Schwarz, am 3. Oktober auf dem Nachhauseweg von der Pension zu ihren Eltern innerhalb von zwei Minuten geschickt hatte. In der ersten klang die 17-Jährige total happy und machte einen Witz, wie man jemand ärgern könne. Eine Minute später klang sie zu Tode betrübt und berichtete von der angeblichen versuchten Vergewaltigung in der Pension. Weder Staatsanwältin noch Verteidiger, schon gar nicht die Richterin konnten sich einen Reim darauf machen, wie man nach einer solchen "Tat" zuerst eine fröhliche, dann eine todtraurige Nachricht absetzt. Verteidiger Till Wagler machte keinen Hehl daraus, dass ihn solche Aussagen und solche Auftritte wie die der beiden jungen Frauen ärgern. Das führe dazu, dass anderen Frauen, die Opfer von sexuellen Übergriffen geworden seien, nicht geglaubt werde. Die Aussagen der 17-Jährigen und der 18-Jährigen seien Paradebeispiele für Absprachen untereinander. Die hätten Märchen aus 1001 Nacht erzählt, frei nach dem Motto: "Wenn es eng wird, erinnern wir uns nicht mehr."