Druckartikel: Notfallversorgung soll neu geordnet werden: Diese Auswirkungen hätte der Gesetzentwurf für den Kreis Kronach

Notfallversorgung soll neu geordnet werden: Diese Auswirkungen hätte der Gesetzentwurf für den Kreis Kronach


Autor: Marian Hamacher

Kronach, Samstag, 03. August 2019

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn möchte die Notfallversorgung neu ordnen. Für die Kronacher Frankenwaldklinik und das Rote Kreuz würde dies einige Änderungen bedeuten.
So soll es künftig ablaufen: In Notfallleitstellen schätzen Mitarbeiter ein, in welche Versorgungsebene Patienten vermittelt werden. Zur Auswahl stehen ihnen dabei künftig drei Möglichkeiten. Grafik:Dagmar Klumb/Quelle: Bundesgesundheitsministerium/Foto: Marian Hamacher


Volle Wartezimmer: In vielen Notaufnahmen vor allem an den Wochenenden ein gängiges Bild. Ein Bild, das Jens Spahn (CDU) am liebsten so schnell wie möglich übermalt sehen würde. Wenn man so will, präsentierte der Bundesgesundheitsminister vergangene Woche sowohl den dafür nötigen Pinsel als auch die passende Farbe: einen Gesetzentwurf. Der soll nichts weniger, als medizinische Notfallversorgung völlig neu organisieren (wir berichteten). Das Hauptziel sei es, dass so "Patienten mit dringendem Behandlungsbedarf auch tatsächlich schnell eine Behandlung bekommen", erklärte Spahn.

Das Hauptproblem: Patienten, die mit Beschwerden in die Notfallambulanzen kommen, auf die das Wort Notfall nicht wirklich zutrifft. Denn wer mit seiner Erkrankung unter der Woche eine Arztpraxis aufgesucht hätte, ist am Wochenende besser in den Bereitschaftsdienstpraxen der Kassenärztlichen Vereinigungen aufgehoben. Die sind bislang unter der Nummer 116 117 erreichbar. Wird das Gesetz ratifiziert, sollen aber sowohl diese Nummer als auch die bekannte 112 des Rettungsdienstes zusammengeschaltet werden.

Mitarbeiter dieser einzuführenden gemeinsamen Notfallleitstellen (GNL) schätzen dann ein, wer die Notaufnahme und wer eine Bereitschaftspraxis aufsuchen sollte. "Triage" wird dieses System genannt. Ein ähnliches Prinzip soll es auch direkt in bestimmten Krankenhäusern geben. Vorgesehen ist, Bereitschaftspraxis und Notaufnahme dort zu sogenannten Integrierten Notfallzentren (INZ) zusammenzulegen. Patienten würden dort dann direkt am Eingang aufgeteilt werden.

Beide im Erdgeschoss

Ein Konzept, das in der Kronacher Helios-Frankenwaldklinik gar nicht so fremd klingt. Zwar teilen sich die Notaufnahme und die Bereitschaftspraxis keinen gemeinsamen Tresen, befinden sich aber beide im Erdgeschoss. "Um unnötige Wartezeiten zu vermeiden, empfehlen wir in minderschweren, ambulant behandelbaren Fällen, gegebenenfalls die Bereitschaftspraxis aufzusuchen", sagt Klinik-Pressesprecher Stefan Studtrucker. Im Gegenzug würden die dort diensthabenden Ärzte freilich auch Patienten an die Notaufnahme überweisen, wenn es deren Erkrankungen oder Verletzungen erfordern.

Schon jetzt nutze die Frankenwaldklinik in ihrer Notaufnahme das "Triage-System", um die Behandlungspriorität zu bestimmen. "Dringliche Fälle werden bevorzugt behandelt", erklärt Studtrucker. "Und es gelten für jede Einstufung feste Zielwerte für die maximale Wartezeit bis zum Arztkontakt."

Bei kardiologischen Notfällen könne zudem die Rufbereitschaft des Herzkatheterlabors bereits vom Rettungswagen aus alarmiert werden. "In Stoßzeiten lassen sich mit diesem Konzept zwar Wartezeiten leider nicht gänzlich vermeiden, doch bitten wir um Verständnis, dass die Reihenfolge des Eintreffens in der Notaufnahme nicht mehr maßgeblich für die Behandlungsreihenfolge ist."

Der Gesetzesentwurf würde Patienten zukünftig unnötige Wege ersparen, weshalb er ein Schritt in die richtige Richtung sei. "Je früher eine fachkundige Einschätzung erfolgt, wo und wie im Einzelfall am besten geholfen werden kann und je besser die beteiligten Akteure vernetzt sind, desto schneller kann die richtige Versorgung beginnen", weiß Studtrucker.

Zusätzliche Arbeitsplätze

Nicht viel anders klingt das beim Bayerischen Roten Kreuz (BRK), das im Kreis Kronach mit seiner Integrierten Leitstelle Coburg (ILS) die 112-Notrufe in Empfang nimmt. Die beiden Rufnummern zusammenzulegen, steigere die Effizienz in der Hilfeleistung und verhindere Fehlsteuerungen von Patientenströmen, teilt BRK-Pressesprecher Sohrab Taheri-Sohi mit.

Genau das sei auch im Interesse der Integrierten Leitstellen. Sollten diese durch die Zusammenlegung der Nummern allerdings auch die Anrufe des Kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes entgegennehmen, würden einige technische und organisatorische Anpassungen nötig werden. "Weitere Arbeitsplätze müssen geschaffen und Mitarbeiter auf die besonderen Bedürfnisse der hausärztlichen Fälle weitergebildet werden", erklärt Taheri-Sohi. Zusätzlich müsse auch die IT-Infrastruktur an die erweiterten Anforderungen angepasst werden.

Das mögliche neue Gesetz nimmt das BRK gleich zum Anlass, für seine Disponenten weitreichendere Kompetenzen zu fordern. Unter anderem die, auch mal keinen Rettungswagen zu einem Anrufer zu schicken. Nach der derzeitigen Rechtslage hat nämlich strenggenommen jeder Anrufer einen Anspruch darauf, dass ein Rettungsfahrzeug alarmiert wird. "Auch wenn der Disponent ganz genau weiß, dass es um einen Zeckenbiss oder einen eingerissenen Zehnagel geht", erklärt Taheri-Sohi. "Wenn der Anrufer am Telefon auf Hilfe besteht, muss diese geschickt werden."

Ein mahnender Zeigefinger

BRK-Präsident Theo Zellner freut sich zwar über eine mögliche schnellere Patientenversorgung, hebt verbal aber auch mahnend den Zeigefinger. Das dürfe "kein Anlass zur Schließung weiterer Notaufnahmen sein", fordert er.

Freie Klinikbetten für Notfallpatienten seien schon jetzt Mangelware. "In der Konsequenz fährt der Rettungsdienst längere Strecken, wodurch Rettungsmittel blockiert werden und an anderer Stelle fehlen." Ein Bild, das wohl ähnlich unbeliebt wäre wie das von vollen Wartezimmern.