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Nordhalben ist mehr als nur Kulisse


Autor: Marian Hamacher

Nordhalben, Freitag, 29. Sept. 2017

Am 10. Oktober starten die Dreharbeiten für den neuen Film von "Bully" Herbig. Etwa 80 Prozent der Kulissen sind bereits fertig.
In der langgezogenen Kurve hinter dem Rathaus wird aus der ehemaligen Bäckerei für den Film eine Apotheke. Foto: Marian Hamacher


Es ist eine ungewohnte Kombination. Irgendwie scheint die Nase den Augen nicht sonderlich zu trauen. Zwar liegt eindeutig der Geruch frischer Farbe und Sägespäne in der Luft, doch die dunkelbraunen Holzregale und -tische wollen ebenso wenig zum Bild eines frisch renovierten Hauses passen wie das grau-beige wabenförmige Tapetenmuster. Zumindest nicht mehr 2017. Vielmehr erinnert das Ambiente an die 1970er-Jahre - und das soll es auch.

Vom 10. Oktober an befindet sich Nordhalben 20 Tage lang nicht nur im Jahr 1979, sondern zudem auch in der ehemaligen DDR. Denn dort spielt die Handlung des Films mit dem Arbeitstitel "Ballon", der die Flucht der thüringischen Familien Strelzyk und Wetzel erzählt. Am 30. Oktober möchte Regisseur Michael "Bully" Herbig die für Nordhalben geplanten Aufnahmen im Kasten haben.

Die Marktgemeinde ist neben München, Berlin und Mödlareuth einer von vier Drehorten. Doch während in den Großstädten die Studioaufnahmen entstehen und im Mödlareuther Grenzmuseum Reste der Mauer als Motiv dienen, ist Nordhalben Heimat gleich mehrerer Filmmotive, sogenannter Sets, für die Außenaufnahmen. "Das ist beim Film üblich", erklärt der freiberufliche Szenenbildner Bernd Lepel. "Man versucht alles zu bündeln, sodass man in einer Stadt so viele Sets wie möglich hat. Denn da hängt ja auch ein großer Tross dran, der untergebracht werden muss."


Für Fernsehpreis nominiert

Für Lepel ist es nicht die erste Zusammenarbeit mit Herbigs Film-Produktionsfirma "herbX". Bereits für die derzeit noch in den Kinos laufende Komödie "Bullyparade - Der Film" oder den 2013 erschienenen Film "Buddy" war er fürs Szenenbild verantwortlich. 2016 wurde der 73-Jährige beim Deutschen Fernsehpreis in der Kategorie "Bestes Szenenbild" für seine Arbeit beim Film "Colonia Dignidad - Es gibt kein Zurück" nominiert. Er weiß also genau, wie längst vergangene Zeiten fürs Zuschauerauge wieder auferstehen können.

Die erste Klappe rückt zwar immer näher, nervös werden die Arbeiter aber nicht. Derzeit liege man gut in der Zeit, erklärt Lepel. Etwa 80 Prozent der Arbeiten seien bereits abgeschlossen. Dabei handele es sich aber vor allem um Bauarbeiten im Außenbereich. Mit der Dekoration sowie der Detailarbeit in den Gebäuden werde erst in der kommenden Woche begonnen.

Sobald das Filmteam anrückt, dürfte es besonders in der Kronacher Straße ereignisreich zugehen. Schließlich befinden sich dort gleich drei Sets, von denen zwei bespielt werden - Schauspieler also in oder vor den Gebäuden agieren. Oberhalb der Bushaltestelle entsteht eines von zwei Stoffgeschäften und aus der ehemaligen Bäckerei in der Kurve neben dem Rathaus wird bis Ende Oktober eine Apotheke - die übrigens die temporäre Heimat der grau-beige Tapete ist.


Von den Einwohnern begeistert

Dort sind die Außenaufnahmen offenbar nur von der Vorderseite geplant. Denn während die Seitenwand eine gelb-grüne Steinmauer geblieben ist, hat sich der Bereich um die Schaufenster in eine graue Fassade verwandelt. "Die haben sie so bearbeitet, dass sie alt aussehen", hat auch Christine Kotschenreuther bemerkt. Seit 2010 arbeitet die 59-Jährige als Verkäuferin in der nur zwei Häuser benachbarten "Backstube Willi Müller". "Die Arbeiter holen sich ab und zu etwas Kuchen oder eine Tasse Kaffee. Aber bis jetzt war eigentlich alles wie immer."

Die Szenenbildner und Kulissenbauer sind von Nordhalbens Bürgern begeistert. "Die Leute hier sind wunderbar", findet etwa Lepel. "Sehr nett und herzlich. Schon nach kurzer Zeit sprechen sie uns per Du an. Wir fühlen uns hier sehr integriert, fast wie in einer Familie."


Straßenabsperrungen

Zu der dürfte demnach auch Kotschenreuther gehören, die auf die anstehenden Dreharbeiten gespannt ist. "Schauen wir mal, wie es wird. Das wird bestimmt interessant", findet Kotschenreuther. "Vielleicht dürfen wir dann ja gar nicht raus. Wer weiß?". Während der Aufnahmen wird es definitiv zu Straßensperren kommen, was schon aus einem Aushang im Schaufenster der Bäckerei hervorgeht, auf dem nach Absperrhilfen gesucht wird.

Die Bäckerei dürfte sich sogar kurzzeitig im Zentrum des Geschehens befinden, da sie von gleich zwei Sets umgeben sein wird. Links die Apotheke, rechts eine Bank. Noch sind an der ehemaligen Filiale der Raiffeisenbank allerdings noch keine Veränderungen zu sehen, sollen aber bald folgen. "Die erhält die Fassade einer Sparkasse", sagt Lepel. "Aber ohne Schalter. Das wäre zu aufwendig."


In die Vergangenheit befördert

Einiges getan hat sich indes auch in der Gartenstraße. Dort hat eine auf Bühnenbau spezialisierte Firma aus Erfurt eine in die Jahre gekommene weiße Garage in die Vergangenheit befördert. Anders als vor zwei Wochen verhindern inzwischen zwei bronzefarbene Türen einen Einblick in den Ort, an dem der für die Flucht benötigte Heißluftballon heimlich zusammengenäht wird. Es kann losgehen.

Produktionsfirma sucht Helfer und Fahrer

Unterstützung: Die Suche nach Statisten ist zwar bereits abgeschlossen, doch es gibt noch eine andere Möglichkeit, am Film mitzuwirken. Für den Zeitraum der Dreharbeiten, die vom 10. bis zum 30. Oktober dauern sollen, werden noch Absperrhilfen und Fahrer gesucht.

Aufgaben: Zu den Aufgaben als Absperrhilfe zählen neben dem Absperren von Straßen auch die Unterstützung der Set-Aufnahmeleitung. Die Fahrer müssen Produktionsfahrzeuge von Drehort zu Drehort umsetzen. Da es sich dabei vor allem um Lastwagen handelt, ist ein Lkw-Führerschein Voraussetzung.
Ansprechpartner: Wer flexibel verfügbar ist, nichts dagegen hat, auch nachts zu arbeiten, und aus der Region rund um Nordhalben kommt, wird von der Produktionsfirma „herbX film“ gebeten, sich zu melden. Ansprechpartner ist Matthias Kirsch, der unter der Handynummer 0171/7581515 oder per Mail (matthias.kirsch92@gmx.de) zu erreichen ist.

Inhalt: Der Film erzählt die Fluchtgeschichte der beiden thüringischen Familien Strelzyk und Wetzel. Am 16. September 1979 gelang ihnen mit einem selbst gebauten Heißluftballon die Flucht aus der DDR über die innerdeutsche Grenze. Die Ballonhülle war 28 Meter hoch, 20 Meter breit und wurde aus Regenmantelstoff genäht.

Buch und Film: Ihre Aufsehen erregende Flucht beschrieben die Strelzyks in einem Buch. Die erste Verfilmung des Stoffs wird der Thriller von Michael "Bully" Herbig jedoch nicht. Bereits 1980 produzierte der amerikanische Medienkonzern Disney den Film "Mit dem Wind nach Westen" (Originaltitel: "Night Crossing"), der schließlich zwei Jahre später in die Kinos kam.

Kinostart: Die Premiere für Herbigs Film ist für den 27. September 2018 geplant.