Noch keine Rodung für Windräder bei Hain

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Kein Parkplatz für Windräder, sondern eine Altdurchforstung auf dem Reinberg zwischen Gärtenroth und Wildenberg Foto: Friedwald Schedel
Kein Parkplatz für Windräder, sondern eine Altdurchforstung auf dem Reinberg zwischen Gärtenroth und Wildenberg  Foto: Friedwald Schedel
 
 
 
 
 

Die Hainer und Wildenberger Windkraftgegner befürchteten, dass die Bauarbeiten bereits begonnen hätten. Die Stadtwerke Mannheim dementierten, etwas mit den Holzfällarbeiten zu tun zu haben. Und es gibt weitere Neuigkeiten.

Die Windkraftgegner aus Hain und Wildenberg schreckten hoch: Auf dem Reinberg, dort, wo fünf Windräder aufgestellt werden sollen, wurde eine Fläche gerodet, die im Zuschnitt für den Standort eines Windrades passen könnte. "Die Bauarbeiten haben begonnen. Die Mannheimer schaffen vollendete Tatsachen", vermuteten die Windkraftgegner.

Das Dementi folgte umgehend vom Konzernpressesprecher der MVV Energie aus Mannheim: "Wir sind derzeit bei der Detailplanung für die Bauausführung der Windräder. Rodungsarbeiten wurden dabei von uns bisher noch in keinster Weise veranlasst." Und weiter: "Nachdem der Windpark Ende September genehmigt wurde, haben wir für die weitere Entwicklung des Projekts die Projektgesellschaft MVV Windpark Hain-Ost GmbH gegründet", bestätigte Roland Kress, Leiter der Stabsabteilung Kommunikation und Marke von MVV Energie.
Diese Projektgesellschaft soll nur mit einem Kapital von 25 000 Euro ausgestattet worden sein, wurde uns berichtet. Bisher hatten die Mannheimer den Bürgern rund um den Reinberg versichert, dass sie es mit einem Milliardenkonzern, einem starken Partner, zu tun hätten. Inwieweit der Konzern in Haftung tritt, wenn die 25 000 Euro nicht mehr reichen, war nicht zu erfahren.


"Sperrgrundstücke"

MVV Energie treibt die Planungen zum Bau der fünf Windenergieanlagen inzwischen weiter. "Wir gehen davon aus, dass bald mit den Infrastrukturmaßnahmen begonnen werden kann. Unser Ziel ist es, bereits im Verlauf dieses Winters die notwendigen Voraussetzungen für die Realisierung des Windparks schaffen zu können. Dabei erstellen wir mit Blick auf die Zuwegung gemeinsam mit dem Windenergieanlagenhersteller ein Konzept, das auf den von uns vertraglich gesicherten privaten Grundstücken und öffentlichen Wegen die Anlagenanlieferung (Turmsegmente, Gondel, Rotorblätter) sicherstellt", berichtete der Pressesprecher.

Von "Sperrgrundstücken" sei ihm nichts bekannt, antwortete Roland Kress auf eine entsprechende Frage. Windkraftgegner behaupten nach wie vor, dass nicht alle betroffenen Grundstücksbesitzer unterschrieben hätten. Es gebe einige Grundstücke, deren Überqueren und der Wegeausbau darauf für die Anlieferung der Windräder nötig seien, deren Eigentümer aber nicht mit der Nutzung durch MVV Energie einverstanden seien, wurde uns gesagt.


Stümpfe bleiben stehen

Bei den Waldarbeiten auf dem Reinberg handelt es sich dem Vorgehen nach um eine Altdurchforstung. Mehrere große Bäume blieben stehen, damit durch Aussamen die Naturverjüngung ihren Lauf nehmen kann. Auch Büsche blieben stehen und auch eine Reihe von brusthohen Baumstümpfen, die als Landeplatz und Ausguck für Raubvögel dienen und als Totholz vielen Lebewesen, vor allem Höhlenbrütern Lebensraum bieten. Wer solche Baumstümpfe stehen lässt, erhält Zuschüsse. Welcher Waldbesitzer würde absichtlich die dicksten Teile der Bäume stehen lassen, die dann von Planierraupen beseitigt würden?

Wie inzwischen verlautete, soll es sich bei dieser Rodung um den Vorgriff eines vom eventuellen Bau der Windräder betroffenen Waldbesitzers handeln. Dieser Waldbesitzer wollte sein Holz selbst vermarkten und dies nicht anderen überlassen.


Die Zeit drängt

Wenn die Arbeiten im Wald auf dem Reinberg wirklich Rodungsarbeiten für den Bau der Windräder gewesen wären, hätte dies einen Verstoß gegen die Baugenehmigung bedeutet. Darauf verwies Bernd Graf, Pressesprecher des Landratsamts Kronach. Die Rodungsarbeiten seien Teil des Genehmigungsverfahrens und dürften erst dann erfolgen, wenn das Verfahren abgeschlossen sei. Wegen der Klage des Marktes Küps gegen den Genehmigungsbescheid des Landratsamts sei das Verfahren noch nicht abgeschlossen. Erst nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Bayreuth oder eventuell einer höheren Instanz bestehe Baurecht. Der MVV Energie aus Mannheim drängt die Zeit, denn je später die Windräder ans Netz gehen, desto niedriger sind Anfangs- und Grundvergütung pro Kilowattstunde.

Der Landesbund für Vogelschutz (LBV) könnte den Bau der fünf Windräder auf dem Reinberg bei Hain zu Fall bringen oder zumindest erheblich verzögern. Wie Kreisvorsitzende Cordula Kelle-Dingel auf Anfrage bestätigte, habe der LBV-Jurist herausgefunden, dass die Vogelschützer bis zu ein Jahr nach Veröffentlichung des Bescheids seitens der Genehmigungsbehörde Zeit hätten, rechtliche Schritte einzuleiten. Dies gehe aus einem aktuellen Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 23. Juli 2014 (Az. 8 B 356/14) hervor. "Das Gericht hat mit dieser Entscheidung den Bau einer Windfarm von fünf Anlagen vorläufig gestoppt. Ein Naturschutzverband hatte im Eilverfahren gegen die Genehmigung einen vorläufigen Stopp beantragt", berichtete die Kreisvorsitzende.


Auf jeden Fall ein Nest

Sie geht davon aus, dass es im Bereich um den Reinberg auf jeden Fall mindestens ein Schwarzstorchnest geben dürfte. Und ein solcher Brutplatz würde ausreichen, um den Bau der fünf Windräder zu stoppen, denn rund um ein solches Nest gebe es eine Bannzone. "Es würde mich wundern, wenn kein Schwarzstorch da wäre", sagte Cordula Kelle-Dingel. Sie sei vor Kurzem am Reinberg und sehr beeindruckt gewesen. "Es ist ein wunderschönes Gebiet dort und da soll so eine breite Trasse reingeschlagen werden", ging sie auf die bis zu acht Meter breite Zufahrt zu den Windenergieanlagen ein.

Bisher seien zwar Flugbewegungen von Schwarzstörchen beobachtet worden, aber ein Nest habe man noch nicht gefunden. Das sei in einem Nadelwald wie auf dem Reinberg auch schwierig, habe der Schwarz storchexperte, der heuer zur Kartierung im Landkreis gewesen sei, gesagt. "Ein Beweis wäre ein besetztes Nest", sagte Cordula Kelle-Dingel. Der Schwarzstorch habe große Nester, die aber sehr schwer zu finden seien.

"Wir haben im Frankenwald die größte Dichte an Schwarzstörchen in Deutschland. Teilweise gibt es Brutplätze, die nur eineinhalb Kilometer voneinander entfernt sind. Da wäre es biologisch unlogisch, wenn ausgerechnet der Reinberg ein weißer Fleck wäre", war Cordula Kelle-Dingel zuversichtlich, dass bei den Kartierungen im nächsten Jahr ein Schwarz storchnest in der Nähe des Reinbergs gefunden werde. Schließlich gebe es dort gute Möglichkeiten für Schwarzstörche, Nahrung zu finden. Beispielsweise am Schlottermühlbach und in der Nähe von Küps. Die LBV-Kreisvorsitzende rechnet damit, dass die Schwarzstörche zwischen Ende Februar und Anfang April 2015 aus dem Winterquartier im Frankenwald eintreffen. Dann könnten auch die Beobachtungen beginnen.

Sie erhalte von Anwohnern viele Meldungen über Flugbewegungen, denn die Leute seien aufmerksamer geworden.


Beobachtungen gemacht

Heuer habe es im Sommer nur drei Beobachtungswochen gegeben. Und da habe man an relevanten Arten mehr gesehen als das ganze Jahr 2013. Dieses Jahr sei auch für Schwarzstörche ein katastrophales Jahr mit vielen Verlusten gewesen. "Bis auf einen Jungvogel ist nichts durchgekommen", berichtete sie von den Beobachtungen.

Viele Jungvögel hätten tot im Nest gelegen und die Eltern hätten das Nest aufgegeben. Deshalb habe man auch keine Fütterungsflüge beobachten können. Für diese Flüge könne der Schwarzstorch bis zu 20 Kilometer zurücklegen. Das sei aber auf Grund des guten Nahrungsangebots im südlichen Landkreis nicht nötig.


Verdrängung aus dem Revier

Der Schwarzstorch zeige auch ein ausgeprägtes Revierverhalten und verteidige sein Revier gegen andere Schwarzstörche oder auch einen Bussard in der Luft. Da wären fünf bis zu 200 Meter hohe Windräder große Störfaktoren. "Da kann er das Waldgebiet nicht nutzen und das Nest nicht verteidigen, auch keine Revierflüge unternehmen und markieren", war sie sich sicher. Die Folge werde sein, dass der Schwarzstorch aus dem nahrungsreichen Gebiet rund um den Reinberg verdrängt werde.

Eine solche Verdrängung habe der langjährige Leiter der staatlichen Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland in Frankfurt, Klaus Richarz, in einer Studie beobachtet. Der habe ein hohes Gefährdungspotenzial windkraftsensibler waldgebundener Arten durch den Bau und Betrieb von Windenergieanlagen im Wald gesehen. Ein weiterer Ausbau stelle einen Eingriff in eine Tabuzone dar, habe Klaus Richarz betont.