Nicht einmal geschenkt: Wenn Erben die Häuser nicht haben wollen
Autor: Stephan Großmann
Steinwiesen, Dienstag, 13. November 2018
Geerbte Häuser sind nicht immer Grund zur Freude. Kann oder will die keiner haben, gehen sie auf den Staat über. Der versucht, jene unfreiwillig erhaltenen und meist wenig wertvollen Häuser schnellstmöglich loszuwerden. Vor allem in Teilen Frankens ist das gar nicht so leicht.
Es ließe sich schon was draus machen. Der Charme vergangener Tage ist zwar längst abgebröckelt, laut Exposé ist das Gebäude "vermüllt und stark renovierungsbedürftig". Dafür liegt es naturnah, das 120 Quadratmeter große Reiheneckhaus in Steinwiesen, 13 Kilometer nordöstlich von Kronach. Die Eingangstür entlässt einen direkt auf die Durchgangsstraße des Frankenwald-Ortes, kontrastreich schlängelt sich gleich hinter der zugewucherten Rückseite des Hauses ein Flüsschen ganz gemütlich durchs gleichnamige Rodachtal. Das Gebäude steht seit einiger Zeit leer, niemand scheint es zu wollen.
Erben gab es keine, also gingen die vier Wände nach dem Tod der Besitzerin an den bayerischen Fiskus über. Kein Einzelfall: Alleine in den zurückliegenden beiden Jahren sind dem Freistaat 1374 solche sogenannten Nachlassimmobilien zugefallen. Aktuell hat sich der Bestand auf 3714 Grundstücke angehäuft. Nicht nur innerhalb der Grenzen Bayerns, sondern sogar im europäischen Ausland. Entscheidend ist nur der letzte Wohnort des Verstorbenen.
Nur vermeintlich lukrativ
Veräußert werden die Grundstücke durch den Staatsbetrieb Immobilien Freistaat Bayern oder das Landesamt für Finanzen - und zwar gegen Höchstgebot. Sicher ein lohnendes Geschäft, möchte man meinen: Mehr als acht Millionen Euro sind 2017 so in den bayerischen Haushalt geflossen. Davon abzuziehen sind aber Kosten und Aufwand für die Verwaltung jener "Schrottimmobilien".
Hinzu kommt, dass der Staat den gesamten ausgeschlagenen Nachlass erbt - samt der Schulden. Der Bundesgerichtshof (BGH) verkündet am 14. Dezember das Urteil, ob das jeweilige Bundesland schuldig gebliebenes Wohngeld aus dem eigenen Haushalt nachzahlen muss. Darum streitet der Freistaat Sachsen gerade mit einer Eigentümergemeinschaft aus Chemnitz. Eine Person haftet mit dem eigenen Vermögen, sobald sie das Erbe angenommen hat und die Wohnung nutzen kann. Welche Kriterien für den Fiskus gelten, der kein Erbe ausschlagen kann, ist ungeklärt.
Zu Fiskalerbschaften kommt es dann, wenn es keine Erben gibt oder diese ihren Nachlass ausschlagen. Sind Immobilien involviert, sind diese in der Regel schon alt und befinden sich in schlechtem Zustand. Wie der aktuelle Kaufmarktbericht des Immobilienverbands Deutschlands (IVD) ergibt, sind nichtrenovierte Objekte grundsätzlich schwer vermarktbar. Den Interessenten fehle es häufig an Zeit und Motivation zu renovieren, verstärkt aber stünden keine Handwerker zur Verfügung, heißt es weiter.
Darüber hinaus kosten geerbte Grundstücke ihren Besitzern in wenig lukrativen Gegenden oft mehr Geld als sie an Rendite einbringen würden. Während das Problem im Süden Bayerns nur gering besteht, ist es vor allem in Ober- und Unterfranken keine Seltenheit. Kein Wunder, kostete im vergangenen Jahr laut Zahlen des Immobilienportals Immowelt ein Quadratmeter in Oberbayern im Mittel 4750 Euro. In Oberfranken nicht einmal ein Drittel davon.
Zeit zum Durchrechnen haben die potenziellen Erben indes nicht viel: In der Regel müssen sie sich spätestens sechs Wochen nach dem Tod ihres Angehörigen beim für sie zuständigen Nachlassgericht gemeldet haben, um das Erbe ausschlagen zu können.