Nette Mädchen sind nicht nett - sie sind Opfer
Autor: Sabine Christofzik
Kronach, Freitag, 21. März 2014
Wer nicht "Nein" sagen kann, muss es lernen. Es kann lebensrettend sein. Warum Frauen sich nicht trauen, erklärt Selbstverteidigungs-Trainer Alfred Kluge im Interview.
Was machen Frauen anders falsch als Männer, wenn sie angegriffen werden?
Alfred Kluge: Der gravierendste Fehler liegt in der Erziehung. Sehr vielen Mädchen wird beigebracht, du musst nett sein, du musst immer danke sagen, du musst auch mal was dulden. Wenn es Streit gibt, bekommen sie hören "Geh zu, sei ein liebes Mädchen".
Dann werden sie älter. Und haben nur gelernt, ja zu sagen. Sie wissen sich nicht zu positionieren. Nicht, wie man sagt: "Nein! Das will ich nicht!". Genau das müssen sie aber.
Frauen laufen oft mit eingezogenen Schultern. Das kann man beobachten. Nicht alle, aber viele. Eingezogene Schultern und schwache Stimme ist: Opferrolle. Eine Frau, die aufrecht geht und mit starker Stimme spricht, gerät wesentlich weniger ins Visier potenzieller Täter.
Und die Fehler der Männer?
Da gibt es zwei Kategorien. Die einen, die glauben, sie sind die "Kings". Das ist der erste große Fehler. Die meinen, sie können nie verlieren. Da ziehen sie meistens den Kürzeren.
Und die anderen?
Die wehren sich einfach nicht. Obwohl sie es könnten. Die haben zu wenig Selbstvertrauen. Das ist das, was oft in der Arbeitswelt, in der Hierarchie, so definiert ist: Die einen bestimmen und die anderen haben zu schlucken. So ist es dann auch bei den Jugendlichen in der Clique. Der eine gibt an, die anderen folgen.
Was empfehlen Sie Frauen und Männern, um all dem entgegenzuwirken?
Erstmal, sich bewusst werden, dass man ein Mensch ist, der auch "Nein" sagen kann. Dann, auf die eigenen Stärken zu vertrauen. "Ich bin wer. Und ich stell mich auch so hin". Man muss nicht alles dulden - sondern an sich arbeiten, um selbstbewusster zu werden. Das geht entweder durch Schulungen - auch durch Rhetorikkurse - oder eben, indem man Selbstverteidigung lernt.