Druckartikel: Nach der Wahl: "Ja, wir haben verstanden."

Nach der Wahl: "Ja, wir haben verstanden."


Autor: Veronika Schadeck

Kronach, Montag, 25. Sept. 2017

Der Wahlerfolg der AFD wird auch bei den heimischen Politikern heiß diskutiert. Es wird nach Gründen gesucht. Aber auch Hoffnungen werden damit verknüpft.


Der AfD-Bundestagskandidat des Stimmkreises Coburg/Kronach, Martin Böhm, war am Montag gerade mit dem Auto unterwegs, um seine Wahlplakate zu beseitigen, als der Anruf aus der Redaktion kam. Jubelschreie über das Wahlergebnis der AfD waren zwar nicht zu hören, eine gewisse Genugtuung war seiner Stimme dennoch zu entnehmen.

"Die Entwicklungen sind sensationell, sie spielen uns die Hände." Sollten nun die Sozialdemokraten wider Erwarten eine große Koalition mit den Christdemokraten eingehen, dann habe die AfD als stärkste Oppositionspartei Rederecht nach der Regierung. Auch im Haushaltsausschuss sei man dann vertreten. Sollte die SPD wiederum als stärkste Oppositionspartei Politik machen, dann müssten die Christdemokraten eine Jamaika-Koalition eingehen. "Die CSU würde dann bei einer Zusammenarbeit mit den Grünen ihre Glaubwürdigkeit verlieren. Sie würden ihre Wähler verkaufen", ist Böhm überzeugt. Und das bringt für seine Partei Stimmen bei der Landtagswahl in Bayern in 2018. Davon ist er überzeugt. "Wir decken das Spektrum ab, das in Bayern in den 80-er Jahren die CSU gewählt hat."

Böhm ist überzeugt, dass die Kollegen seiner Partei im Bundestag nicht die großen Reden schwingen werden, sondern Sacharbeit leisten. Die AfD-Fraktion werde für ihre Themen wie die Senkung der Mehrwertsteuer, bei Flüchtlingen eine Obergrenze von Null und eine bessere Absicherung der EU-Außengrenzen eintreten. Böhm spricht in diesem Zusammenhang von schärferen Tönen und harten Verhandlungen, die aber mit gegenseitigem Respekt geführt werden. Er erinnert an kontrovers geführte Debatten zwischen Franz-Josef Strauß, Helmut Kohl und Helmut Schmidt. "Vielleicht wollen die Bürger diese Art von Diskussionen." Und was sagt nun Martin Böhm zur Entscheidung von Petry, ihre Zukunft nicht in der AfD-Bundestagsfraktion zu sehen? Vielleicht bestehe ein Zusammenhang mit ihrer Mutterrolle. Aber letztendlich: "Das müsst Ihr selbst erfragen."

"Wir haben unsere Ansätze in Berlin nicht durchgesetzt, daher das enttäuschende Ergebnis", kommentiert der Vorsitzende der Frankenwald-CSU, Jürgen Baumgärtner, das Ergebnis der Wahl. Dabei ist er überzeugt: "Es war eine Wahl gegen Merkel." Baumgärtner war der AfD im Vorfeld der Wahl forsch entgegengetreten. Ähnliches hatte er sich auch von seinen Parteikollegen im Freistaat gewünscht. Diese Erwartungen wurden allerdings zum Teil enttäuscht. "Ich hatte mir gewünscht, dass sich die CSU noch deutlicher von der AfD abgrenzt. Ich habe es getan", lautet sein Fazit. Denn: "Man muss wissen, die AfD ist eine rechtsextreme Partei - und ich benenne sie auch so."

Er will der Alternative jedoch nicht nur mit Worten begegnen. Seiner Ansicht nach müssen nun Taten folgen. Gerade die Themenfelder, auf denen der neue Rivale Stimmen abgegrast hat, müssten seine Partei und auch die Union auf Bundesebene künftig offensiver beackern. "Wir müssen jetzt in den Bereichen Innere Sicherheit, Flüchtlingspolitik und Europolitik zeigen, dass wir nicht nur Antworten haben, sondern dass wir sie auch in Berlin umsetzen können", unterstreicht Baumgärtner. Damit verknüpft ist für ihn gleichzeitig eine Absage an eine große Koalition, die eher die extremen Ränder stärke. Aus seiner Sicht muss die CSU dem Wähler nun klar signalisieren, dass sie das Ergebnis der Wahl richtig deutet und ihre Schlüsse daraus zieht. Baumgärtner sagt: "Die meisten Wähler der AfD sind Protestwähler. Ich kann diesen Wählern nur zurufen: Ja, wir haben verstanden!"

Der CSU-Kreisvorsitzende blickt zudem bereits auf den bevorstehenden Wahlkampf für die Landtagswahl 2018. In dem will er darauf hinwirken, dass die Frankenwald-CSU mehr Gewicht in der oberfränkischen CSU bekommt. "Wir haben gute Arbeit geleistet, was das Ergebnis von Hans Michelbach zeigt." Laut Baumgärtner werden im Landtagswahlkampf Themen wie der Ausbau der B 173 in Küps, die Erreichung des Härtefalls für die Frankenwaldgruppe, die Gesundheitspolitik, die Einführung einer Landarztquote die Schwerpunkte bilden. Dabei verliert er ein Ziel nicht aus den Augen: "Unser Anspruch ist nach wie vor die absolute Mehrheit in Bayern." Und das sei möglich, da in Bayern und in Oberfranken in den vergangenen vier Jahren eine tolle Arbeit geleistet worden sei.


Beklemmendes Ergebnis

Auch Ralf Pohl, der Kreisvorsitzende der SPD, sieht die Entwicklung rund um die AfD mit Sorge: "Es war fast zu befürchten, dass sie mit einem solchen Ergebnis in den Bundestag einziehen wird." Dass es auch im Landkreis zu einem zweistelligen Resultat für die Alternative und ihren Kandidaten gereicht hat, ist für Pohl "erschreckend, aber nicht mehr verwunderlich." Jetzt gelte es für die SPD, die politische Auseinandersetzung mit der AfD inhaltlich stark zu intensivieren.

Trotz eines guten Steuer- und Rentenkonzepts hätten die Sozialdemokraten die Wähler nicht erreicht, so der mögliche Landtagskandidat der SPD. Für Pohl bedeutet dies, dass die Genossen sich verstärkt den Sorgen der Menschen annehmen und die Themen der SPD in einer verständlichen Sprache an die Bevölkerung herangebracht werden müssten. Pohl geht davon aus, dass der Landtagswahlkampf mehr von kommunalen Themen bestimmt sein wird. Für ihn steht auch fest, dass sich die Sozialdemokraten mit der AfD werden auseinandersetzen müssen. "Wir brauchen zwar nicht in Panik auszubrechen, aber wir müssen auf der Hut sein." Der Stimme Pohls ist ein Stück Gelassenheit zu entnehmen, als er davon spricht, dass bis zur Landtagswahl noch ein Jahr vergeht. Bis dahin könne viel passieren, mit der AfD, in der Bundes- und in der Weltpolitik. Unabhängig davon und trotz aller Diskussionen mit dem Lichtenfelser Kreisverband bekräftigt Pohl: "Ich bin bereit, für den Landtag zu kandidieren."

Für Elisabeth Hofmann von den Grünen ist das Wahlergebnis der Alternative "beunruhigend" und "beklemmend". Den Aufschwung der AfD setzt sie unmittelbar in Verbindung damit, dass sich viele Wähler von den etablierten und vor allem von den beiden großen Parteien offenbar nicht mehr vertreten fühlen. Da müsse der Hebel bei allen angesetzt werden. "Man muss sich jetzt Gedanken machen, wie diese Wähler wieder zurückgewonnen werden können." Was die Protestwähler nun von einer AfD-Opposition erwarten dürfen? Hofmann fürchtet, dass sie enttäuscht werden, "wenn außer starken Sprüchen nicht viel kommt".

"Es ist der einzige Wermutstropfen bei dieser Wahl", stellt FDP-Kreisvorsitzender Björn Cukrowski zum Erfolg der AfD fest. Er kann dem starken Einzug des Mitbewerbers in den Bundestag aber auch etwas Gutes abgewinnen. Die Zeit, in der sich die Alternative alleine verbal ins Rampenlicht spielen konnte, ist seiner Meinung nach vorbei. "Jetzt muss man sie einfach mit Sacharbeit stellen. Die AfD kann jetzt nicht mehr nur plumpe Parolen raushauen", betont er. Die AfD-Vertreter müssten jetzt erst einmal unter Beweis stellen, ob sie auch etwas leisten können.