Situation am Tatort könnte eskaliert sein
Zur Erstellung der Tathergangsanalyse wurden zudem die Spezialisten der Operativen Fallanalyse (OFA) des Polizeipräsidiums München mit einbezogen. Anhand der Bewertung der Tatortsituation und der Auffindesituation des Opfers bestätigten die Profiler das bereits zur DNA-Reihenuntersuchung erstellte Täterprofil, auch ein zur Tatzeit jüngerer, nicht volljähriger Täter, wäre denkbar.
Ein Ermittlungsschwerpunkt wird auf der Abklärung der damals Jugendlichen und Heranwachsenden, die heute demnach etwa Ende 20, Anfang 30 Jahre alt sind, liegen. Hier sind erneute DNA-Tests vorgesehen.
Zudem ist denkbar, dass der Täter nicht von Beginn an die Tötung des Nobert Ottinger geplant hat, sondern die Zielrichtung zunächst eine Raubhandlung war. Vielmehr kann das "außer Gefecht setzen" des 61-Jährigen missglückt sein und in der Folge ist die Situation bis hin zur Tötung eskaliert. Ein solcher Hergang müsste strafrechtlich anders als eine geplante Tötung gewertet werden.
Mithilfe der Bevölkerung
Vor allem im Hinblick auf das Opfer und die Angehörigen sei es weiterhin Ziel der Kriminalbeamten, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um den Täter zu identifizieren und das grausame Verbrechen aufzuklären. Die bisher festgesetzte Belohnung in Höhe von 5 000 Euro für Hinweise, die zur Aufklärung der Tat oder zu Ergreifung des Täters führen, wurde zwischenzeitlich auf 10. 000 Euro erhöht.
Rückblick auf die Ermittlungen
Eine derartige Tat verjährt nie - dieser Satz fiel im Zusammenhang mit dem Raubmordfall Ottinger in den vergangenen 13 Jahren mehr als einmal. Meist, wenn die Beamten, nachdem kurzzeitig wieder Bewegung in die Ermittlung gekommen ist, resigniert feststellen mussten: die Spur führt ins Nichts. Der Mitwitzer Mordfall bleibt weiterhin ein Rätsel, der Täter eine große Unbekannte für die Polizei.
Auch ein DNA-Massentest mit 2000 Personen - dem ersten in Nordbayern - und ein Bericht in der Fernsehsendung "Aktenzeichen XY" sorgten nicht dafür, dass die Person gefunden wurde, die am 13. November 2006 war den Supermarktbesitzer Norbert Ottinger (61) in seinem Geschäft in Mitwitz brutal tötete. Der Täter entkam mit einer Beute von 38.000 Euro.
Nun ist wieder frischer Wind in die Ermittlungen gekommen. Am Freitag (10.05.2019) gaben die Ermittlungskommission "Kreisel - Cold Case" der Kriminalpolizei Coburg und die Staatsanwaltschaft Coburg nicht nur einen Rückblick darauf, was in den 13 Jahren seit der Tat passiert ist, sondern auch wie die derzeitigen Ermittlungen aussehen. Denn aufgegeben haben sie die Suche nach dem Raubmörder noch lange nicht.
Chronik der Ermittlungen im Fall Ottinger
13. November 2006: Der 61-jährige Filialleiter Norbert Ottinger wird in seinem Lebensmittelmarkt in Mitwitz brutal ermordet. Der oder die Täter entkommen mit einer Beute von über 30 000 Euro. Die Kriminalpolizei nimmt die Ermittlungen auf, das Sonderkommission (Soko) "Kreisel" wird noch in der Mordnacht ins Leben gerufen. Von anfangs 50 Beteiligten wird das Team später auf 70 Beamte aufgestockt.
24. Februar 2007: 2000 Männer aus Mitwitz und Umgebung und 300 männliche Personen aus dem Bundesgebiet werden zur Abgabe einer DNA-Probe aufgerufen. Es ist das erste Massenscreening dieser Art in Nordbayern. Bisher liegt kein konkreter Tatverdacht vor, es existiert allerdings eine DNA-Spur vom Tatort. Die leitenden Ermittler gehen davon aus, dass der Täter einen regionalen oder persönlichen Bezug hat.
10. Juni 2007: Der DNA-Massentest hat bisher nicht die erwünschten Ergebnisse gebracht, die Auswertung ist allerdings noch nicht abgeschlossen. Die Polizei will die Öffentlichkeitsfahndung intensivieren und wählt den Weg über die ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY".
1. August 2007: Das Ergebnis des Massenscreenings liegt vor: Alle 2201 freiwillig abgegebenen Proben sind negativ. Das Landeskriminalamt, das mit der Auswertung beauftragt war, konnte keine Übereinstimmung mit dem DNA-Muster des Täters finden.
2. August 2007: Der Fall Ottinger wird in der TV-Sendung "Aktenzeichen XY" thematisiert. Die Rekonstruktion des Falls zeigt einem breiten Publikum erstmals bisher unter Verschluss gehaltene Details des Tathergangs. Doch die durch die Sendung erhofften Hinweise auf die mögliche Tatwaffe (Softballschläger) und verschwundene Einsätze der Registrierkassen bleiben aus. Es gibt nur wenig Resonanz auf die Sendung und keine neuen Spuren.
10. August 2007: Ermittler können den blutigen Abdruck eines Schuhs des Täters identifizieren. Die Polizei wertet dies als wichtigen Fahndungserfolg, der durch ein aufwendiges Verfahren von Spezialisten der Spurensicherung ermöglicht wurde. Zwar können nun Aussagen über Größe und Modell gesichert getroffen werden - konkrete Hinweise auf den Täter bleiben trotzdem aus.
10. November 2007: Die ernüchternde Bilanz nach einem Jahr Ermittlungsarbeit: Es ist weiter keine Klärung in Sicht, vom Täter keine Spur. Zwar bleibt die Soko "Kreisel" weiter bestehen, die Kollegen werden aber nur punktuell eingesetzt, sollten sich neue Hinweise ergeben.
15. Mai 2008: Die Soko arbeitet weiter mit mindestens zehn Beamten am Fall. Als weitere Maßnahme werden sechs bislang noch nicht involvierte Beamte damit betraut, alle Akten - bis dato 80 Ordner - noch einmal zu durchkämmen.
23. Oktober 2008: Es gibt fast zwei Jahre nach der Tat keine neuen Spuren. Die Sonderkommission wird aufgelöst. Die Ermittlungen seien damit aber nicht beendet, betonen die Verantwortlichen.
11. Mai 2013: Eine weibliche DNA-Spur, die am Tatort in Mitwitz gefunden wurde, taucht in Zusammenhang mit einem Kellereinbruch in Nürnberg auf. Auch diese Spur führt ins Nichts, da sie keiner Person zugeordnet werden kann.
23. März 2014: Laut der Familie Ottinger sind die Ermittlungen mittlerweile eingestellt. Die Angehörigen halten an der Hoffnung fest, die DNA-Spur würde eines Tages doch noch zum Mörder führen.