Mood Tour in Kronach: Radler gegen Depressionen
Autor: Sonny Adam
Kronach, Mittwoch, 18. Juni 2014
Am Fronleichnamstag macht die "Mood Tour" in Kronach Station. Tandemradler möchten ein Zeichen für den offenen Umgang mit Depressionen setzen und hoffen, dass sie mit vielen Menschen ins Gespräch kommen.
Gertrud Koob ist 59 Jahre alt. Sie leidet seit Jahrzehnten unter schrecklichen Depressionen. "Nach dem dritten Selbstmordversuch hatte ich das Glück, in die richtige Klinik zu kommen", erzählt die Mannheimerin frank und frei von ihrer Leidensgeschichte. Gertrud Koob hat eine Vielzahl von Therapien hinter sich - medikamentöse Behandlungen, stationäre und ambulante Aufenthalte, Gesprächstherapien und mehr.
Und eins hat sie im Laufe der Jahrzehnte gelernt: Verschweigen macht die Lage noch schlimmer. "Ich kenne all die Sprüche wie ,Du hast doch alles', ,Reiß dich zusammen!'", erzählt Gertrud Koob und will auch auf der Mood-Tour offen von ihrer Krankheitsgeschichte sprechen. "Ich hatte das Glück, dass ich einen sehr verständnisvollen Chef habe. 2008 hatte ich einen Zusammenbruch, war berufsunfähig. Dann machte ich eine Wiedereingliederung, Reha", erzählt Koob.
Inzwischen ist die 59-Jährige teilberentet, arbeitet nur noch 50 Prozent. Sie hat gelernt, sich klar zu äußern, wenn sie ans Ende ihrer Kraft kommt. Schon zum zweiten Mal ist sie bei der Mood-Tour dabei, möchte ein Zeichen gegen Depressionen setzen. "Wir radeln jeden Tag rund sechzig Kilometer. Das ist zu schaffen, aber nur, wenn man nicht in einer akuten depressiven Phase steckt", sagt Koob.
Mit der Kraft haushalten
In der Etappe vor Kronach war sie fast am Ende. "Ich habe dann gesagt, ich kann noch zwanzig Minuten radeln und dann noch Abendessen, dann ist gut", schildert Gertrud Koob, wie sie mit ihrer Kraft haushaltet. Doch genau das können viele eben nicht. Sie halten so lange durch, bis gar nichts mehr geht.
Die Mood-Tour geht auf eine Initiative des Künstlers Sebastian Burger zurück. Er ist schon mit dem Rad von Frankfurt nach Peking gefahren. Mit Blinden radelte er nach Singapur. Jetzt geht er mit 64 Tandemfahrern mit und ohne Depressionserfahrung auf die "Mood Tour 2014" - und dabei werden über 7000 Kilometer durch die ganze Republik per Drahtesel zurückgelegt. Die Teilnehmer übernachten in Zelten oder im Freien, kochen mit Gaskochern und leben auf der "Mood Tour" sehr spartanisch.
Die dreimonatige Staffelfahrt ist am 14. Juni in Leipzig gestartet, führt durch 70 Städte. Am Donnerstag kommt die "Mood Tour 2014" durch Kronach. Die Zeit steht allerdings noch nicht fest.
Auch Künstler Sebastian Burger hatte 2007 eine Krise - über mehrere Tage. "Mir half damals Wandern an der Weser. Sport und Natur und eine Struktur tun der Seele gut", erzählt Sebastian Burger. Und so kam er auf die Idee, dieses Naturerlebnis auch für andere zu öffnen.
Burger suchte Sponsoren - und 2012 startete die erste Mood Tour, in diesem Jahr die zweite und auch im nächsten Jahr soll es wieder eine "Mood Tour" geben. Die "Mood Tour 2014" soll Mut machen, frei über eine Erkrankung zu reden, die mehr Tote fordert als der Straßenverkehr und häufiger zur vorzeitigen Berentung führt als Rückenleiden.
Die Tandemfahrer engagieren sich auch für das Gros der vier Millionen Deutschen, die es sich nicht erlauben können, dem Chef ihre Depression zu enthüllen. "Im Beruf ist es besonders schwer, eine Depression oder ein bevorstehendes Burn-out offen anzusprechen. Bei Krebs wird jeder bemitleidet, aber bei Depressionen oder Burn-out gilt man als nicht leistungsfähig", sagt Burger.