Druckartikel: Mit Julius Obermeier ging es aufwärts

Mit Julius Obermeier ging es aufwärts


Autor: Gerd Fleischmann

Gundelsdorf, Freitag, 25. Januar 2019

Ein jüdischer Kaufmann aus Bamberg gründete vor 120 Jahren in Gundelsdorf die Dampfziegelei "Marie", die sich zu einem bedeutenden Arbeitgeber entwickelte.
Die Gundelsdorfer Dampfziegelei im Jahre 1939.Repro: Gerd Fleischmann


Einst prägten an die zwanzig Ziegeleien und Feldziegeleien die industrielle Landschaft des Frankenwaldes. Vielerorts waren die "Lahmapatscher" ein Begriff. Ein bedeutendes Zentrum der Backstein- und Dachziegelproduktion war neben Kronach und Hummendorf vor allem Gundelsdorf.

Den Startschuss zu einer positiven Entwicklung in Gundelsdorf gab am 7. Februar 1899 - also vor 120 Jahren - der Bamberger Kaufmann Julius Obermeier. Er ließ den Rundofen durch einen leistungsstarken Ringofen ersetzen. Ein Jahr zuvor übernahm der Bamberger die Dampfziegelei, der er den Namen "Marie" gab. Das war ein Dankeschön an seine Frau, die das erforderliche Kapital mit in die Ehe eingebracht hatte.

Anschluss an die Eisenbahn

Der Standort Gundelsdorf erwies sich als besonders attraktiv, denn bereits 1863 fuhr die Eisenbahn bis nach Stockheim. Schließlich erhielt die Gundelsdorfer Firma ein Anschlussgleis, und das war eine enormer Standortvorteil.

Die Dampfziegelei "Marie" entwickelte sich unter Julius Obermeier zu einem bedeutenden Arbeitgeber für die Gundelsdorfer, Reitscher und Glosberger. Zwischen 50 und 60 Männer und Frauen fanden Beschäftigung. In den Jahren 1909 und 1910 ließ der Firmeninhaber außerdem eine repräsentative Villa erbauen.

In den Anfängen dominierte die Handarbeit. Die Trockenzeit für Dachziegel, Vollsteine und Firstziegel betrug an die zwei bis drei Wochen. Besonders am großen und kleinen Brennofen herrschten extrem hohe Temperaturen. Die Arbeiten waren nicht ganz ungefährlich. Dazu ein Artikel vom 22. Februar 1911 im "Fränkischen Wald": "Der ledige Arbeiter Georg Krauß verunglückte dadurch, dass ein Stollen Lehm sich loslöste. Ein Schaufelstiel schnellte Krauß auf die Brust. Der Arbeiter stürzte zu Boden und zog sich schwere innere Verletzungen zu."

Erster Großbrand in der Ziegelei

Im Jahre 1912 musste die Dampfziegelei einen harten Rückschlag verkraften, denn große Teile der Fabrik brannten nieder. Die Ursache des Brandes war das Heißlaufen eines Maschinenlagers. Obermeier nutzte den Wiederaufbau für entscheidende Modernisierungsmaßnahmen.

Die positive Fortentwicklung nahm mit dem Ersten Weltkrieg ein jähes Ende. An die fünfzig Frauen betätigten sich vorübergehend in der Geschosskorbflechterei. Nach den "goldenen" zwanziger Jahren erlebte die Firma erneut harten Zeiten. Die Inflation von 1923 sowie die Weltwirtschaftskrise ab 1929 zehrten an der Substanz. Am 21. Oktober 1928 verstarb zudem die von allen verehrte Chefin Marie Obermeier, geborene Kellermann, im Alter von 75 Jahren. In einem Nachruf wurden ihre große Fürsorge und Wohltätigkeit sowie ihr soziales Verständnis herausgestellt. Der Verlust der geliebten Ehepartnerin traf Julius Obermeier mit voller Wucht.

Große Sorgen bereitete dem Juden Obermeier der aufkeimende Nationalsozialismus. Um eine Enteignung zu vermeiden, gründete er 1934 eine GmbH. Trotzdem wurde Obermeier von den Nazis zweimal in Schutzhaft genommen. Zutiefst verbittert verstarb er im Jahre1936.

Bis zum Kriegsausbruch 1939 produzierte man in Gundelsdorf Mauersteine, Dachziegel, Drainageröhren und Kabelabdeckhauben. Der Zweite Weltkrieg bedeutete eine weitere erhebliche Einschränkung der Fabrikation. Ab 1941 wurde die Ziegelherstellung vorübergehend eingestellt. Lediglich Ulrich Grotel produzierte in der Fabrik Munitionskisten.

Bitteres Kapitel

Ein besonders bitteres Kapitel erlebte Gundelsdorf am Ende des Zweiten Weltkriegs. Auf dem Betriebsgelände der Dampfziegelei entstand 1944 eine Außenstelle des oberpfälzischen Konzentrationslagers Flossenbürg. Der direkte Bahnanschluss erleichterte die Gefangenentransporte. Die jüdischen, vorwiegend weiblichen Häftlinge wurden als Zwangsarbeiterinnen im Nachschublager der Luftwaffe in Gundelsdorf und als Näherinnnen in einer Firma in Knellendorf eingesetzt, und zwar bis zum 13. April 1945.

Nach dem Völkermord setzte sich Heinrich Mayr (gestorben 1961) tatkräftig für den Wiederaufbau ein. Ab 1947 kam so langsam wieder die Produktion in Gang. Unter seiner Federführung wurde die schweißtreibende Handarbeit auf ein Minimum reduziert. 1960 ließ Heinrich Mayr eine Gebläsetrocknerei installieren.

Als Karl-Heinz Mayr 1961 nach dem Tode seines Vaters die Geschäftsführung übernommen hatte, waren noch an die 30 Männer und Frauen in der Firma beschäftigt. Am Samstag, 11. Juni 1966, kam es zur großen Katastrophe. Die Ziegelei brannte lichterloh. Insbesondere das Ofenhaus wurde ein Raub der Flammen. Bei dem Großbrand - der Schaden betrug seinerzeit über zwei Millionen Mark - waren 17 Feuerwehren im Einsatz. Brenner Georg Schmidt aus Reitsch konnte sich gerade noch im letzten Moment vor der Feuerlawine in Sicherheit bringen.

Karl-Heinz Mayr organisierte mit großem Einsatz den Wiederaufbau; für das Konzept war der Kronacher Architekt Baptist Detsch verantwortlich. Es entstand eine moderne Ofenhalle mit Tunnelofen. Die Produktion wurde dadurch weitgehend rationalisiert. Der Ausstoß betrug nun jährlich zwischen zehn bis zwölf Millionen Einheiten.

1973 beging die Firma ihre 75-Jahr-Feier im Saal Detsch in Haßlach bei Kronach. Die Freude währte allerdings nicht mehr lange, denn die Lagerstätten in Richtung Glosberg verschlechterten sich von Monat zu Monat. Die Güte des Lehms ließ zu wünschen übrig. Außerdem führte ein rigoroser Verdrängungswettbewerb zu wachsenden Verlusten. Geschäftsführer Mayr blieb nichts anderes übrig, als im Jahre 1976 die Firma schweren Herzens zu schließen.