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Mit Herz und Verstand in die Zukunft


Autor: Marian Hamacher

Kronach, Donnerstag, 24. November 2016

Sportarten, die mehrere Spieler benötigen, haben es gerade im ländlichen Bereich schwer. So reagieren die Vereine auf den demografischen Wandel.
Während es im Fußball zunehmend schwierig wird, genügend Spieler für eine Mannschaft zusammenzubekommen, erlebt sowohl beim TSV Teuschnitz als auch beim TSV Windheim die Tischtennis-Abteilung regen Zulauf. Foto: Archiv/Trebes


Am Ende entschied das Herz. Vor rund einem Jahr horchte Martin Sesselmann mehr als einmal in sich hinein, ehe er entschied, ob er den Vorsitz des TSV Teuschnitz übernehmen soll. "Weil ich im Fasching ebenfalls stark engagiert bin, war es auch eine zeitliche Frage", erklärt der 34-Jährige. "Aber ich war einfach der Meinung, dass man den Verein nicht kaputt gehen lassen darf - gerade hier auf dem Land." Da sein Stellvertreter ihm zusicherte, sich ebenfalls stark einbringen zu wollen, erhielt das Herz aber noch etwas Unterstützung durch den Verstand. Denn in dem 1897 gegründeten Verein ist einige Arbeit nötig, ihn für die Zukunft zu rüsten. Es fehlen schlicht die Mitglieder.

Sichtbar wird das Woche für Woche auf dem Fußballplatz. Seit der Saison 2013/14 schafft es der Verein nicht mehr, eine eigene Mannschaft zu stellen und bildet mit dem SV Wickendorf eine Spielgemeinschaft. Irgendwann gab es nicht mehr genug Spieler, die aus der Jugend nachrücken konnten. Der Unterbau war weggebrochen. "Die Jugend hat jetzt andere Interessen und die finden sie nicht mehr bei uns auf dem Land", sagt Sesselmann. Doch nicht nur das Interesse des Nachwuchses sei spürbar zurückgegangen, auch die Unterstützung durch die Eltern. "Zu meiner Jugendzeit sind die noch mit zu Spielen gefahren oder haben das Training begleitet. Aber die haben ja kaum noch Zeit", sagt Sesselmann. "Durch den demografischen Wandel wird es für die Vereine zusätzlich immer schwieriger. Das ist ja kein Geheimnis."


Entscheidender Faktor

Bis 2020 geht die Zahl der Zehn- bis 15-Jährigen in ländlichen Regionen Bayerns laut Bevölkerungsprognosen um 15 bis 18 Prozent zurück. "Die richtigen Antworten auf den demografischen Wandel zu finden, wird für uns in den kommenden Jahren eine der zentralen Herausforderungen bleiben", erklärte DFB-Präsident Reinhard Grindel im August, als der Deutsche Fußball-Bund (DFB) gerade mitgeteilt hatte, dass er mit 6 969 464 Mitglieder so viele hat wie noch nie in seiner 116-jährigen Geschichte. Trotz der Rekordzahlen und der positiven Entwicklungen in einigen Ballungsräumen bleibe die demografische Entwicklung aber ein wichtiges Thema.

Im Bayerischen Fußball-Verband (BFV) hat die Mitgliederzahl mit 1 587 570 Menschen ebenfalls einen neuen Höchststand erreicht - ein Zuwachs von 26 062 gegenüber dem Vorjahr. Doch täuschen lassen möchte sich der Verband dadurch offenbar nicht. Denn die Zahl der Mannschaften ging insgesamt zurück. Bei den Senioren um 56 auf 9222, bei den Junioren gar um 182 auf 17 231. "Wir müssen auch ehrlich sein: Entscheidender Faktor für den Mitgliederzuwachs ist die steigende Mitgliederzahl bei den Profi-Vereinen, allen voran beim FC Bayern München", erklärt BFV-Geschäftsführer Jürgen Igelspacher. Die rückläufigen Mannschaftszahlen würden verdeutlichen, dass sich niemand zurücklehnen dürfe. "Wir müssen weiterhin alles dafür tun, um den Vereinsfußball für jede Altersgruppe attraktiv zu gestalten."

Doch in der beliebtesten Sportart der Deutschen sieht Sesselmann keine Zukunft für den TSV Teuschnitz. "Da braucht man halt elf Spieler, im Fußball bekommst du aber keine 15 mehr pro Altersklasse zusammen", so der 34-Jährige. "Die wenigen Jugendlichen, die man noch hat, schickt man jetzt nach Neukenroth oder Steinbach zur JFG Rennsteig."

Vor einigen Wochen veranstaltete der TSV daher einen Tag der Offenen Tür, an dem Kinder verschiedene Sportarten wie Badminton oder Völkerball ausprobieren konnten. Sportarten, die nicht viele Spieler pro Mannschaft benötigen. Platz für mehr Kinder sei durch die erst vor sechs Jahren erneuerte Schulturnhalle ausreichend vorhanden. Badminton werde aber definitiv hinzukommen, die Ausrüstung sei bereits gekauft.


In der Familie weitergegeben

Größtes Standbein des derzeit 279 Mitglieder starken Vereins ist Tischtennis. "Da hatten wir schon immer zwischen zehn und 15 Mannschaften", sagt der TSV-Vorsitzende. "Von denen, die in der ersten oder zweiten Mannschaft spielen, haben auch einige Kinder angefangen. Da wird das Interesse an der Sportart in der Familie offenbar weitergegeben."

Für richtig gute Laune sorgt die Rückschlag-Sportart schon seit Jahren beim TSV Windheim. 73 der 470 Mitglieder sind in der Tischtennis-Abteilung eingetragen.

Zwar sieht der Windheimer Vorsitzende Andreas Fehn auch im Fußball Probleme, sobald es ab der D-Jugend aufs Großfeld geht und plötzlich elf Spieler pro Team benötigt werden, einen generellen Abwärtstrend in der Nachfrage allerdings nicht. "Wenn ein Verein gut geführt ist und entsprechende Angebote macht, ist es möglich, weiter zu existieren und neue Mitglieder zu gewinnen", betont der 34-Jährige.


Frühzeitig gegengesteuert

Den Grund dafür, dass die Mitgliederzahlen in Windheim seit einigen Jahren wieder steigen, sieht er im Bau der vereinseigenen Sporthalle "TSV-Arena" 2012. Diese habe es möglich gemacht, neue Abteilungen zu gründen. "Wir haben den Trend damals erkannt", erklärt er. "Die alte Schulturnhalle platzte ja aus allen Nähten." Bedarf sei also vorhanden gewesen.

Damals sei auch die Idee entstanden, den Verein breiter aufzustellen. "Damit haben wir wohl frühzeitig gegengesteuert. Unter anderem haben wir das Kinderturnen wieder aufgegriffen, das sehr gefragt war. Im Tischtennis waren wir ja schon immer stark", betont Fehn.

Derzeit werde intern diskutiert, wie sich der TSV Windheim für die kommenden Jahre aufstellen will, um auch weiterhin attraktiv zu bleiben. Zu den sechs Abteilungen Fußball, Tischtennis, Aerobic, Ski, Badminton und Laufen könnten also bald noch weitere hinzukommen.