Mit dem Bierfass durch die Obere Stadt
Autor: Heike Schülein
Kronach, Donnerstag, 16. April 2015
Seit 20 Jahren gibt es wieder "moderne" Viertelmeister und einen Stadtvogt in Kronach. Am Freitag ab 18.30 Uhr ist es wieder soweit: In der Oberen Stadt wird das hochstiftliche Kronach lebendig.
"Mit auferhobenen fingern gelärte Aydt zu Gott schweren" - Das werden heute Abend wieder die Viertelmeister Stefan Wicklein, Jens Schick, Markus Steller und Jürgen Ditsche in der Alten Markthalle. Wenn sie den Schwur geleistet und mit Handschlag besiegelt haben, erhalten sie aus Händen des (Ober-)Bürgermeisters Wolfgang Beiergrößlein ihre Viertel in sinnbildlicher Form an Schmuckketten befestigt um den Hals gehängt. Sie dürfen dann ihr Amt ein weiteres Jahr versehen.
Einer ist von Anfang an dabei
Die ersten Viertelmeister waren im Jahr 1996 Karlheinz Hühnlein, Hans Müller, Walter Schinzel-Lang sowie Stefan Wicklein, der als einzig verbliebener Gründungs-Viertelmeister noch in Amt und Würden ist. Ebenfalls seit zwei Jahrzehnten übt Stadtvogt Hans Götz sein Amt aus.
Der erste Viertelmeistertag war am 3.
Da die Mäntel an die Nachfolger weitergegeben werden, handelt es sich dabei noch um die Originale von damals. "Die Gewänder erinnern an die Zeit der Renaissance - also die Zeit, in der Lucas Cranach gelebt hat", erklärt Stadtvogt Hans Götz, dessen der Barockzeit nachempfundenes Gewand von seiner Ehefrau Barbara genäht wurde. In den ersten Jahren trug er zunächst noch das im Eigentum der Stadt stehende Lucas-Cranach-Gewand.
Stadträte dürfen Spanischen Habit tragen
Er und die Viertelmeister traten erstmals außerhalb des Viertelmeistertags in der konstituierenden Stadtratssitzung 1996 auf. Damals wurde auch den Stadträten empfohlen, dem vom Fürstbischof Melchior Otto verliehenen Recht, einen Spanischen Habit zu tragen, nachzukommen. Leider seien aber bis heute nur wenige dieser Empfehlung gefolgt.
Damals wie heute habe man das Ziel verfolgt, die in Büchern niedergeschriebene Geschichte erlebbar und lebendig werden zu lassen - nach dem Motto "Bürger leben ihre Geschichte". "Kronach hat einen unendlichen Schatz, der noch lange nicht ausgeschöpft ist", ist sich der Stadtvogt sicher.
Damals seien historische Feste in Kronach noch weitgehend unbekannt gewesen, so Stefan Wicklein. An historisch Gewandeten habe es nur Lucas Cranach und die Bürgerwehr gegeben. Seit der Installation der Viertelmeister, des Stadtvogts und später auch des Kastners, bildeten sich mehr und mehr historische Gruppen - so unter anderem die Cronacher Ausschuss Companie, die "Croniche Tanzleut, die tapferen Kronacher Weiber, die Pottu-Theatergruppe, die Schööduerinnen, die Bräuknechte, die Artillerie des fränkischen Reichkreises, die Fuhrleute Spindler und jüngst eine barocke Tanzgruppe.
"Der Viertelmeistertag war zugleich der Auftakt des ersten Stadtspektakels 1996", erzählt Wicklein. 1994 und 1995 habe es zwar in Kronach bereits historische Stadtfeste gegeben, aber eher mit "fremden" Ideen.
"So viel eigene Geschichte"
"Damals dachten wir, dass Kronach so viel eigene Geschichte habe, um daraus ein Fest mit eigene Ideen zu machen", erinnern sich Wicklein und Götz. Basierend auf der Fehn-Chronik, sei man auch auf die Idee mit den Viertelmeistern und mit dem Viertelmeisterlauf beim Kronacher Stadtspektakel gekommen. Man habe damals etwas Spannendes zum Zuschauen für die Besucher gesucht, das zudem mit Bier zu tun haben sollte.
"Wir kamen auf die wildesten Ideen", lacht Wicklein. Schließlich entschied man sich für den Lauf, bei dem die Bräuknechte unter Begleitung der Viertelmeister möglichst schnell ein Bierfass transportieren - in Anlehnung an die Wirtsweiber, die das Bier von den Brauereien in die Keller getragen hätten. Die Oberaufsicht über den Lauf hat Thomas Kaiser.
Bislang musste der Lauf nur einmal wegen starken Regens ausfallen. Auch das alle zwei Jahre im Wechsel mit dem Stadtspektakel über Pfingsten stattfindende "Crana Historica" werde von den Aktiven des aus der historischen Szene hervorgegangenen Stadtspektakels auf die Beine gestellt.
"Unser Gedanke war es auch, dass beim Stadtspektakel die beteiligten Vereine die Bewirtschaftung übernehmen und damit etwas Geld für ihre Vereinskasse verdienen", verrät Götz. Bei der Bewirtschaftung seit Anfang an dabei sind die Bürgerwehr, das Jugendorchester und die Rytterschaft.
Den Melchior-Otto-Tag im Januar gibt es seit über 360 Jahren. Aber nun laufen beim Zug vom Alten Rathaus zur Stadtpfarrkirche auch die Gewandteten mit - und zwar in der urkundlich niedergeschriebenen Formation.
Auf der Titelseite der Bild-Zeitung
Aber auch anderenorts im Landkreis gebe es Aktivitäten, zum Beispiel "Der Friede von Nordhalben" oder der Ratsherrenzug nach Nordhalben. Das Medienecho sei riesig. Die Ausschüsser und die Bürgerwehr trügen Kronachs Geschichte sogar europaweit hinaus. "Das Kunigundenmaß, bei dem man eineinviertel Liter Bier zum Preis von einem erhält, landete sogar schon einmal auf der Titelseite der Bild-Zeitung", freuen sich die beiden. Auch der Bayerische Rundfunk berichtete schon vom Stadtspektakel und dem Ratsherrenzug.
"Von unseren Festen geht eine riesige Werbewirkung aus", sagt Hans Götz. Nicht zuletzt wurde der Viertelmeister auch 2001 auf dem Kronacher Faschingsorden verewigt. Von den Highlights der vergangenen 20 Jahren blieben der zwei Mal nachgespielte Schwedensturm und der Besuch bei Erzbischof Ludwig Schick nach dessen Amtseinführung 2002 in besonderer Erinnerung.
Bis jetzt gab es acht Viertelmeister. Neben den Gründungs-Mitgliedern waren dies Horst Rubel und Dietmar Pohl sowie die jetzt noch im Amt befindlichen Jens Schick, Markus Steller und Jürgen Ditsche. Der erste Kastner war Georg Polifka, ihm folgten Markus Steller und jetzt Richard Chalupa. Die Viertelmeister-Kette gibt es seit 1997.
Sie wurde von Heinrich Schreiber geschaffen, damit die Viertelmeister ihre Viertel als Kette um den Hals tragen können. Der Viertelmeistertag fand immer in der Alten Markthalle statt - bis auf zwei Ausnahmen. 2001 hielt man sie wegen Umbauarbeiten im Rathaus im leer stehenden Gebäude des ehemaligen Kaufhauses König ab sowie 2012 im historischen Rathaussaal, da damals die Alte Markthalle anderweitig vergeben war.
Fast immer in der Alten Markthalle
Los geht es um 18.30 Uhr an der Melchior-Otto-Säule mit einer Fanfare des Spielmannszugs Nordhalben. Danach geht es für die Viertelmeister, den Stadtvogt und den historisch Gewandeten zur Markthalle. Um 19 Uhr ist Schmäußen und Verkosten der Kronacher-Ellen-Bratwurst vor der Alten Markthalle angesagt. Dazu gibt es ein Salut der Ausschüsser.
Eine halbe Stunde später präsentieren sich die historischen Gruppen auf der Treppe zur Alten Markthalle. Nachdem gemeinsamen Einzug in die Markthalle, werden dort der Stadtvogt, der Kastner und die Viertelmeister Bericht zu den Geschehnissen in der Oberen Stadt abgeben. Der Viertelmeistertag klingt aus mit Musik von Vogelfrei, den "Croniche Tanzleut, "Schmäuß und Croniche Broudwörschd".