Druckartikel: Malerpinsel macht Reitscher Zeche lebendig

Malerpinsel macht Reitscher Zeche lebendig


Autor: Gerd Fleischmann

Reitsch, Donnerstag, 19. Februar 2015

Ein Gemälde von Lorenz Kaim mit acht Szenen aus der Reitscher "König-Ludwig-Zeche" ist ein bedeutsames Zeitdokument. Harald Popig aus Stockheim hat es mehrfach kopiert.
Der Stockheimer Hobbymaler Harald Popig bei der Arbeit am Bild "König-Ludwig-Zeche" in Reitsch mit acht Ausschnitten aus der Zeit von 1880.  Foto/Repro: Gerd Fleischmann


Nur noch wenig erinnert daran, dass einst im Reitscher Ortsteil Büttnerszeche über Jahrhunderte ein lebhafter Grubenbetrieb mit Höhen und Tiefen existierte. Von 1582 datiert die erste urkundliche Erwähnung an den Steinkohleabbau, der freilich in einem bescheidenen Umfang erfolgte.

Reitsch stand stets im Schatten der Stockheimer Gruben, die noch bis 1968 in Betrieb waren. Trotzdem gab es Zeiten, dass über 300 Knappen - vor allem aus Wilhelmsthal und Hesselbach - in den Tiefen der Erde am Grünbach nach Kohle gruben.

Neuerdings ist die Reitscher "König-Ludwig-Zeche" - diese Bezeichnung erfolgte im Jahre 1875 durch die Neugründung von Bankier Friedrich Feustel aus Bayreuth sowie durch den Schieferbruchbesitzer Kommerzienrat Karl Oertel aus Lehesten - wieder in den Blickpunkt des Interesses der Heimatfreunde gerückt.



Auslöser der neuen Begeisterung ist der Kronacher Maler Lorenz Kaim (1813-1885), der in acht ausdrucksstarken Szenen den Reitscher Bergbau mit Pinsel und Ölfarbe etwa um 1880 meisterhaft porträtiert hat. Dieses historische Dokument hat auf Betreiben von Günther Scheler (Förderverein Bergbaugeschichte), Heiko Eisenbeiß (Knappenverein Stockheim) und Ortsheimatpfleger Gerd Fleischmann der Stockheimer Hobbymaler Harald Popig mit großem Zeitaufwand mehrfach kopiert.

Glücksfall für Historiker

Das Ölgemälde in einer Größe von 73 mal 63 Zentimetern ist ein Blickfang für das bergbauliche Magazin in Stockheim. Eine weitere Anfertigung wird Knappenvorsitzender Heiko Eisenbeiß als Gastgeschenk an die Arbeitsgruppe "Zeche König-Ludwig Recklinghausen" im Förderverein bergbauhistorischer Stätten des Ruhrgebiets demnächst überreichen.

Seit 2010 bestehen auf Initiative von Archivar Klaus May (Recklinghausen) und Gerd Fleischmann enge Verbindungen zu den Stockheimer Knappen. Vor allem haben die Freunde aus dem Ruhrgebiet - schon mehrfach waren sie im Frankenwald zu Besuch - die Stockheimer tatkräftig mit Grubengerätschaften für museale Aktivitäten unterstützt.

Das Gemälde von Lorenz Kaim ist also ein Glücksfall für alle Historiker. Zwar stand der Maler, der vor allem für die heimischen Kirchen eindrucksvolle Werke hinterlassen hat - im Schatten von Lucas Cranach d. Ä. Trotzdem: Seine Portraitkunst und seine kontraststarken Bildkompositionen sind beeindruckend. Was sehr wichtig ist: das Reitscher Gemälde zeigt sehr informative Details.

Malen in 100 Metern Tiefe

Der Zeitaufwand muss für Lorenz Kaim im fortgeschrittenen Alter enorm gewesen sein. Die Arbeiten in bis zu 100 Meter Tiefe und bei spärlicher Beleuchtung waren alles andere als angenehm. Insbesondere beeindruckt bei den Ausschnitten die Untertagetechnik mit Wasserhaltung, Schleppschacht, Haspeln und Dampfmaschinen.

Aber auch das seinerzeitige Geleucht und Gezähe (Lampen und Arbeitsgeräte) sind von dem Kronacher Künstler eindrucksvoll dargestellt worden. Sensationell vor allem die Lampenkollektion. Es hat zahllose Versuche gegeben, das Geleucht des Bergmanns zu verbessern und sicherer zu machen.

1815 gelang dem Engländer Humphry Davy die Entwicklung einer explosionssicheren Grubenlampe und ein solches Exemplar kann im Gemälde bewundert werden. Allerdings dominierte das offene Geleucht, der sogenannte "Frosch". Als Brennstoff wurde vor allem Rüböl dafür verwendet.

Die zwei Übertage-Bilder haben fotografische Qualität. Reizvoll erscheint der Bergbaubetrieb von 1880 mit einer Pferdeeisenbahn nach Neuglosberg ab 1876. Die weitere Szene zeigt das neu erbaute Magazin mit Ladevorrichtung beim Gasthaus "Steigerla". Das Original- Ölgemälde von Lorenz Kaim wird in der Kronacher Festung aufbewahrt.

Der Höhenflug der "König-Ludwig-Zeche" - die jährliche Ausbeute lag bei durchschnittlich 300 000 Zentner Kohle - endete 1888. Durch die Schließung wurden 48 Bergleute brotlos. Aufgrund des katastrophalen Brennstoffmangels nach dem Ersten Weltkrieg wagte man 1919 einen Neubeginn. 150, später 350 Bergleute aus 30 Gemeinden fanden vorübergehend Beschäftigung.

Die Grube erlebte eine grundlegende Modernisierung. 1922 lag die monatliche Förderung bei 58 600 Zentnern und eine Drahtseilbahn sorgte bis nach Gundelsdorf in Bahnhofsnähe für einen problemlosen Transport.
Ab April 1926 ruhte erneut der Betrieb. Ein nochmaliger Abbau erfolgte von 1945 bis 1949. Dann erklang letztmals das "Glückauf" für die Reitscher Bergleute.